Öhri, Franz Josef

Autor: Roland Steinacher | Stand: 31.12.2011

Landrat, Militärjurist und Schriftsteller. *4.3.1793 Mauren, †30.10.1864 Güns (ungarisch Köszeg, H), von Mauren, später auch österreichischer Staatsangehöriger. Sohn des Andreas, Wirt zum «Rennhof» in Mauren und zum Bad Vogelsang in Triesen, und der Franziska, geb. Brendle, drei Geschwister.  1) 1834 Sängerin Johanna Wallenweber, geb. Daucher (†1858), zwei Kinder, 2) 1860 Ludovica Zanko, geb. von Kreiml. Öhri besuchte gleichzeitig mit Peter Kaiser, Johann Michael Menzinger und Josef Bergmann das Gymnasium in Feldkirch. Ab 1810 Philosophicum in Wien, 1815–17 Studium der Rechtswissenschaften in Landshut (Bayern), unter anderem bei Anselm Feuerbach, dem Begründer der neueren deutschen Strafrechtslehre. Weil Liechtenstein einem Juristen kaum berufliche Möglichkeiten bot, trat Öhri 1818 als Auditorspraktikant (Militärjurist) in die k.k. Armee ein. 1819–36 war er Auditor bei verschiedenen Regimentern, 1836–42 Stabsauditor in Italien, 1842–49 leitete er als Generalauditorleutnant das Justizdepartement des Generalkommandos Lombardo-Venetien in Verona (I) und 1850 das Justizdepartement des Landesmilitärkommandos Ungarn in Budapest; 1849–50 war er aus gesundheitlichen Gründen ausser Dienst. 1851–62 bekleidete er die Stellungen eines Oberstauditors, Militärappellationsrats und Generalauditors beim Militärappellationsgericht in Wien. 1844 führte Öhri die Untersuchung der k.k. Marine gegen Attilo und Emilio Bandiera sowie Domenico Moro, die einen Aufstand gegen die österreichische Herrschaft in Norditalien geplant hatten. Ab 1862 Ruhestand in Güns.

Obwohl nicht in Liechtenstein lebend, spielte Öhri eine Rolle während der Revolution 1848. Im Auftrag des mit ihm befreundeten liechtensteinischen Landesverwesers Johann Michael Menzinger kommentierte Öhri den Verfassungsentwurf Peter Kaisers. Vermutlich im September 1848 entwarf Öhri – als Reaktion auf Kaisers Text – ebenfalls eine liechtensteinische Verfassung, die sich in Einzelpunkten wesentlich von Kaisers Vorschlag unterschied. Ob Kaiser und Öhri während der Verfassungsarbeit in Kontakt standen, ist ungewiss. Menzinger, der eine Zeit lang zusammen mit Öhri im gleichen Regiment als k.k. Auditor gedient hatte, brachte ihn wohl ins Spiel, um ein Gegengewicht zu Peter Kaiser zu schaffen, dessen Ideen die Obrigkeit für republikanisch hielt. Öhris liberales, konstitutionelles Verfassungsmodell ging von der Vorstellung grösserer kommunaler Freiheiten und eines lokalen, autonomen Rechtssystems auf der Basis des Landammannamts vor 1809 aus. Liechtenstein sollte selbständiger Teil des Deutschen Bunds sein. Fürst und Kirche erscheinen in ihrer Macht deutlich beschnitten, die monarchische Staatsform aber wurde nicht infrage gestellt. Die Volksvertretung setzte sich aus zwei Kammern zusammen, das Wahlrecht sollte ungeachtet der Besitzverhältnisse auf alle Schichten ausgedehnt werden. Öhris Modell enthielt zudem ein soziales Programm (Ausbau des Bildungs-, des Gesundheits- und des Fürsorgewesens). Im späteren Entwurf des Verfassungsrats finden sich einzelne von Öhris Vorstellungen wieder. Am 20.5.1849 wurde Öhri in den Landrat gewählt. Obwohl Mitglied bis 1852, nahm Öhri sein Mandat wegen dauernder Landesabwesenheit nicht wahr. Öhri zog sich – wie Peter Kaiser – nach kurzer Zeit aus der liechtensteinischen Politik zurück. Seine Karriere in der österreichischen Militärjustiz war von der Mitarbeit an der liechtensteinischen Verfassung offenbar nicht beeinträchtigt.

1861–64 veröffentlichte Öhri vier Schriften, die inhaltlich zwischen spekulativen geschichtstheoretischen Erklärungsmodellen und mystischen Weltdeutungsversuchen pendeln. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie die Einheit der deutschen Nation zu erreichen sei. Die fast einzige Rezeption dieser Werke nach 1865 fand 1940 durch die nationalsozialistische Volksdeutsche Bewegung in Liechtenstein statt. Sie sah in Öhri einen Vorboten deutschvölkischen Denkens und instrumentalisierte seine Schriften. In seiner Heimatgemeinde Mauren ist eine Strasse nach Öhri benannt.

Literatur

  • Menschen, Bilder und Geschichten. Mauren von 1800 bis heute, hg. von Herbert Oehri, Bd. 1, Eschen 2006, S. 190-207.
  • Roland Steinacher: Franz Josef Öhri und Peter Kaiser. Laufbahn und Tätigkeit, Verfassung und Politik - ein Vergleich, in: Liechtenstein und die Revolution 1848, hg. von Arthur Brunhart, Zürich 2000, S. 119–130.
  • Roland Steinacher: Franz Josef Oehri (1793-1864). Versuch einer typisierenden Biographie, in: Bausteine zur liechtensteinischen Geschichte, hg. von Arthur Brunhart, Bd. 3: 19. Jahrhundert. Modellfall Liechtenstein, Zürich 1999, S. 251–283 (mit Werkverzeichnis).

Zitierweise

<<Autor>>, «Öhri, Franz Josef», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 17.2.2025.