
Übergangsriten
Autorin: Vera Meier Heymann | Stand: 31.12.2011
Der Begriff der Übergangsriten wurde 1909 vom Ethnologen Arnold van Gennep (1873–1957) geprägt. Demnach durchläuft jeder Mensch verschiedene Lebensabschnitte, deren Übergänge durch profane oder sakrale Handlungen gesellschaftlich geregelt sind. Auch die Übergänge beim Wechsel der Jahreszeiten und andere kosmische Veränderungen können Anlass für Riten sein.
Für wichtige Lebenseinschnitte wie Geburt, Hochzeit oder Tod bieten Kirchen und Glaubensgemeinschaften sakrale Übergangsriten; die Mehrheit der liechtensteinischen Bevölkerung stützt sich dabei auf die katholische Kirche und deren Sakramente wie Taufe und Ehe sowie auf christliche Beerdigungsriten. In manchen Fällen werden damit säkulare Übergangsriten verknüpft, z.B. bei der Hochzeit: die Braut durchschreitet einen an der Haustür befestigten Kranz aus Tannenreisig, der von den ledigen Nachbarn gebunden worden ist. Bei einem Todesfall hat sich die dreitägige Totenwache im Haus des Verstorbenen, verbunden mit Gebeten der wachenden Familie, Nachbarn und Bekannten, seit den 1970er Jahren durch die Aufbahrung in Totenkapellen erübrigt.
Ein für junge Männer bedeutender weltlicher Übergangsritus in der frühen Neuzeit war die Aufnahme in die Knabenschaft, die durch die Bezahlung eines Umtrunks erfolgte. Später spielte der Eintritt in die Jungmannschaft bzw. für junge Frauen in die Marianische Kongregation eine ähnliche Rolle. Schul- und Lehrabschluss sowie die Matura werden durch säkulare Feiern begangen, den Abschluss der Schriftsetzer- und Druckerlehre feiert man seit 1954 mit dem sogenannten Gautschen. Die Volljährigkeit wird seit 1962 als Jungbürgerfeier zelebriert. Ein Beispiel für Übergangsriten bei jahreszeitlichen Veränderungen ist das als Austreiben des Winters tradierte Abbrennen des Funkens am Funkensonntag.
Literatur
- Adulf Peter Goop: Brauchtum in Liechtenstein, Vaduz 1986.
- Arnold van Gennep: Übergangsriten. Les rites de passage, Frankfurt 1986.
Zitierweise
<<Autor>>, «Übergangsriten», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 10.2.2025.