
Alkoholismus
Autor: Pio Schurti | Stand: 31.12.2011
Alkoholismus (Trunksucht) ist die physische und psychische Abhängigkeit von Alkohol. Wurde übermässiger Alkoholkonsum früher als Willens- oder Charakterschwäche angesehen, gilt Alkoholismus heute als Krankheit. Ein täglicher Konsum von mehr als 50 g reinem Alkohol bei Frauen bzw. 80 g bei Männern gilt als kritisch. Alkohol ist in Liechtenstein die am weitesten verbreitete Droge, mässiger Konsum ist gesellschaftlich akzeptiert. Der Alkoholkonsum in Liechtenstein ist bisher kaum historisch untersucht worden.
Liechtenstein ist traditionell ein Wein- und Mostland. Dem Bier als heute beliebtestem alkoholischem Getränk kam historisch weniger Bedeutung zu (→ Getränkeproduktion). Die Überlieferung zum Branntweinkonsum ist bis ins 19. Jahrhundert spärlich. Im späten 19. Jahrhundert intensivierte sich die Schnapsproduktion. In der Krisenzeit der 1930er Jahre, in der hohe Arbeitslosigkeit und sozioökonomische Not herrschten, ging der Verkauf von Alkoholika um über 50 % zurück. 1991 lag die Zahl der Alkoholiker in Liechtenstein bei rund 2–3 % der Bevölkerung; hinzu kamen gemäss behördlichen Schätzungen rund 1300 abhängigkeitsgefährdete Personen (gut 4 %).
Die Obrigkeit begegnete der Trunksucht seit der frühen Neuzeit mit Verboten und Strafen. Der Vaduzer Landsbrauch (Abschrift 1667) beauftragte Pfarrer bzw. Wirte, gegen übermässigen Alkoholkonsum zu predigen resp. keine Zeche anzuschreiben; das Zutrinken wurde verboten, Trunkenheit bestraft. Die liechtensteinischen Polizeiordnungen von 1732 und 1844 limitierten den Ausschank von Alkohol in Gaststätten. Die Trunksucht wurde besonders mit Blick auf die Verarmung und moralische Zerrüttung bekämpft. Die Verfassung von 1921 weist dem Staat die Aufgabe zu, für die «Bekämpfung der Trunksucht sowie die Besserung von Trinkern und arbeitsscheuen Personen» zu sorgen. Der Staat besitzt das Monopol für die Herstellung und die Einfuhr gebrannter Wasser. Mit dem Zollvertrag von 1923 lehnte sich die Alkoholpolitik an diejenige der Schweiz an. 1929–80 wurde aus finanzpolitischen Gründen und zur Dämpfung des Alkoholkonsums eine Alkoholsteuer erhoben. An Jugendliche unter 18 Jahren dürfen keine gebrannten Wasser ausgeschenkt werden, unter 16-Jährigen ist der Konsum von Alkoholika gänzlich verboten.
Alkoholkranke wurden früher z.T. in Bürgerheimen untergebracht. Seit 1966 regelt das Sozialhilfegesetz die staatliche Hilfe für Alkoholabhängige. Für die stationäre Behandlung bestehen Verträge mit verschiedenen Kliniken und Therapieeinrichtungen in der Schweiz und in Österreich. Geleitete Gruppen sowie Selbsthilfegruppen für Alkoholkranke und deren Angehörige bestehen seit den 1980er Jahren. Sucht wird in jüngerer Zeit vermehrt als gesellschaftliches und kulturelles Phänomen verstanden, das nicht beseitigt werden kann, sondern mit präventiven Mitteln verringert werden soll.
Quellen
- Rechenschaftsbericht der Regierung an den Hohen Landtag, Vaduz 1922– (diverse Titelvarianten).
Literatur
- Karin Schamberger-Rogl: «Landts Brauch, oder Erbrecht» in der «Vaduzischen Grafschaft üblichen». Ein Dokument aus dem Jahr 1667 als Grundlage für landschaftliche Rechtssprechung, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 101 (2002), S. 1–127, bes. S. 62, 72f., 105f.
- Peter Geiger: Krisenzeit. Liechtenstein in den Dreissigerjahren 1928–1939, Bd. 1, Vaduz/Zürich 1997, 22000, S. 173–176.
- Liechtensteinische Jugendstudie 1999. Ergebnisse, Analysen und Kommentare, hg. vom Amt für soziale Dienste, 3. Auflage, Schaan 1999.
- Drogenkonzept für das Fürstentum Liechtenstein. Weiterentwicklung des Drogenkonzeptes 1983, hg. von der Drogenkommission der Regierung, Vaduz 1991.
Zitierweise
<<Autor>>, «Alkoholismus», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 12.2.2025.