Anthropologie

Autorin: Marianne Lörcher | Stand: 31.12.2011

Anthropologie, abgeleitet von griechisch ánthropos = Mensch, ist die Lehre vom Menschen, der in seiner Herkunft, Gegenwart und Vielfalt beschrieben wird. Als Vater der Anthropologie gilt der deutsche Naturforscher Johann Friedrich Blumenbach (1752–1840). Hauptgebiete sind die vergleichende Primatenkunde, die Entwicklungsgeschichte (Paläoanthropologie), die nacheiszeitliche Populationsdifferenzierung (Rassenkunde) sowie die prähistorische und historische Anthropologie. Die moderne Anthropologie verwendet aufgrund ihrer Fragestellungen Methoden der Natur-, Sozial-, Geistes-, Religions- und Kulturwissenschaften.

Die prähistorische und v.a. die historische Anthropologie hat zum Ziel, Lebensbilder der Menschen vergangener Zeiten zu entwerfen. Voraussetzungen dazu sind die körperlichen Reste (z.B. Mumien, Knochen, Leichenbrände), auf deren Grundlage versucht wird, den damaligen Menschen über die metrischen und morphologischen Daten hinaus als Individuum, als Teil der Natur und seiner Umwelt, als Teil seiner Sozietät, in seinem körperlichen, geistigen und religiösen Ausdruck, mit seinem Denken, Fühlen, Empfinden und seiner Intuition zu erforschen und zu verstehen. Ausgehend vom Lebensbild vergangener Menschen ergibt sich die Möglichkeit, den heutigen Menschen in seiner Vielfalt zu ergründen. Präparation und Restauration der Funde gewährleisten ihre materielle Erhaltung. Da oft nur wenige Reste gefunden werden, müssen Fundmaterial und Fundumstände am Fundort und im Labor beobachtet, untersucht und beschrieben werden, um sie in ihrer materiellen und symbolischen Bedeutung zu erfassen. Darüber hinaus setzt sich die historische Anthropologie mit dem Tod des Menschen auseinander. In der Folge bleibt bei der Interpretation der Funde immer ein Geheimnis zurück, was wiederum den vergangenen Menschen als Individuum auszeichnet und damit mit allem Lebenden auch wieder verbindet.

Seit 1879 dürften bei Grabungen in Liechtenstein insgesamt etwa 2000 Bestattungen archäologisch erfasst worden sein. Die erste archäologische Ausgrabung eines Gräberfelds mit anthropologischer Betreuung in Liechtenstein erfolgte 1980/81 auf dem Runden Büchel in Balzers. Die anthropologischen Funde und Befunde aus den Grabungen sind seit 1903 in den Publikationen des HVFL beschrieben. Diese «Funde dokumentieren viertausend Jahre Bevölkerungsgeschichte und 80 Jahre Forschungsgeschichte» in Liechtenstein (H. Etter).

Literatur

  • Eva Pepić: Die Frühmittelalter- und Mittelalterforschung in Liechtenstein aus der Sicht der Archäologie, in: Historiographie im Fürstentum Liechtenstein. Grundlagen und Stand der Forschung im Überblick, hg. von Arthur Brunhart, Zürich 1996, S. 137–150.
  • Hansueli Etter: Historische Anthropologie im Fürstentum Liechtenstein, in: Archäologie der Schweiz, Jg. 19 (1996), S. 167–170.
  • Jakob Bill, Hansueli Etter: Das frühmittelalterliche Gräberfeld vom «Runden Büchel» in Balzers, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 81 (1981), S. 13–80.

Zitierweise

<<Autor>>, «Anthropologie», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 17.2.2025.

Medien

Skelett des Pfarrers Heinrich Billi, der am 20.8.1737 an einem Nierenleiden verstarb, Mauren – Pfarrkirche St. Peter und Paul (Bildarchiv Amt für Kultur, Abteilung Archäologie). Auf dem Skelett sind noch die textilen Reste des Priestergewands erkennbar.