Arbeit

Autor: Arthur Brunhart | Stand: 31.12.2011

Die Bedeutung des Begriffs Arbeit war im Verlauf der Geschichte einem starken Wandel unterworfen. Je nach gesellschaftlich-sozialen, philosophischen, anthropologischen, politischen, kulturellen, konfessionellen, wirtschaftlichen und individuellen Zuschreibungen waren Stellung und ethische Wertung der Arbeit unterschiedlich. Eine präzise Definition von Arbeit ist deshalb schwierig und wird im Folgenden in ihrem historischen Bedeutungswandel skizziert. Allgemein wird Arbeit heute als eine bewusste, rational geplante, sozial abgestützte, zielbestimmte, schöpferische, u.U. bezahlte humane Tätigkeit definiert oder als ein Handeln des Menschen verstanden, bei der geistige, seelische und körperliche Kräfte und Fähigkeiten eingesetzt werden, um menschliche Bedürfnisse vor allem materieller und ideeller Art zu befriedigen. Das lateinische labor bedeutet Mühsal, Anstrengung, Last, Not und ist mit produktiver Arbeit, vor allem von Sklaven, verbunden. Das germanische arbeit meint mühseliges Werk, das althochdeutsche arbeit Mühsal, Plage, Leid, Erdulden und ist mit dem germanischen orbho (= Knecht) verwandt. Das germanische arbejo bedeutet verwaistes und daher zu harter Arbeit gezwungenes Kind.

In den hierarchisch aufgebauten Gesellschaften der Antike waren Arbeit und Arbeitende verachtet, vor allem körperliche Arbeit galt als Zeichen der Unfreiheit. In der nach Ständen gegliederten Gesellschaft des Hochmittelalters (10./13. Jahrhundert) galt Arbeit als die Aufgabe des untersten Stands, der Bauern (laboratores). Diese hatten die beiden höheren Stände, den Wehrstand (bellatores) und den Klerus (oratores), zu erhalten. Arbeit galt als minderwertig. Schon gemäss dem Alten Testament hatten Adam und Eva seit der Vertreibung aus dem Paradies arbeiten und ihr Brot im Schweisse ihres Angesichts mit Arbeit verdienen müssen. Auch sollte Arbeit für den Nächsten und um Gottes Lohn geleistet werden. Mönchen und Nonnen diente Arbeit als Demutsübung und zur Vermeidung des Müssiggangs. Der klösterliche Grundsatz ora et labora (bete und arbeite) weist darauf hin, dass der Weg zu Gott über Gebet und Arbeit führe.

Seit dem 11. Jahrhundert erfuhr Arbeit im Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen Umbruch, mit Aufschwung von Handel, Handwerk und Gewerbe, mit der Entwicklung von Städten und Märkten eine Aufwertung. Die Betrachtungsweise änderte sich. Gruppen, Zünfte und Berufsgattungen wie Kaufleute und Handwerker wurden vermehrt über ihre Arbeit definiert. Exponenten der Kirche wie der populäre Franziskaner Berthold von Regensburg (13. Jahrhundert) verurteilten Müssiggang als «Mutter aller Sünden». Im 14. Jahrhundert wurden Klagen über den Müssiggang von Adel und Klerus laut. Arbeit wurde zunehmend als eine Pflicht des Menschen betrachtet. Es entwickelte sich ein christlicher Arbeitsbegriff.

Im Zug der Reformation (16. Jahrhundert) entstand die reformatorische Arbeitsethik (Huldrich Zwingli, Jean Calvin), die Arbeit positiv bewertete. Arbeit galt als sittlicher Wert. Der Arbeitsethik im katholischen Barock, der von einer Unmenge an Gebeten, Andachten, geistlichen Übungen, Gottesdiensten, Prozessionen und Wallfahrten geprägt war, kam dagegen noch untergeordnete Bedeutung zu.

Die Aufklärung führte zu einer Verweltlichung des Arbeitsethos. Die Frühaufklärung vertrat die Meinung, dass Arbeit ein Naturrecht des Menschen (Jean-Jacques Rousseau) sei und dass Eigentum nur durch Arbeit entstehe. Adam Smith (1723–1790), der schottische Moralphilosoph, Aufklärer und Begründer der klassischen Nationalökonomie, definierte als erster den Begriff Arbeit im modernen Sinn, nämlich als produktive Arbeit, die auf die Schaffung eines verkäuflichen Produkts hinzielt und die getan wird, um materielle Bedürfnisse zu befriedigen. Pädagogen wie Johann Heinrich Pestalozzi, bei dem später auch Peter Kaiser als Lehrer tätig war, suchten die Jugend zu arbeitsamen und nützlichen Bürgern zu erziehen. Arbeit galt bald als Basis von Reichtum und Wohlstand, als Garantin für Glück und Fortschritt. Sie verlor den Bezug zu «Mühe» und «Last», ihre Wertschätzung wuchs. 1808 prägte der Frühsozialist Charles Fournier den Begriff «Recht auf Arbeit».

Im Verlaufe des 19. Jahrhunderts begann sich der Begriff Arbeit im Zug von Arbeitsteilung, einer fortschreitenden Spezialisierung und Rationalisierung weiter zu differenzieren. Für die unteren gesellschaftlichen Schichten waren mit Arbeit Begriffe wie Fleiss, Sauberkeit, Ordnung, Dienen und Gehorsam verknüpft, bei Unternehmern und auch Akademikern jedoch mit Schaffenskraft, Wagemut, Willen, schöpferischer Kraft und auch öffentlicher Wirksamkeit. Mit der Einrichtung von Arbeitshäusern versuchte der Staat Müssiggang und Ungehorsam zu unterbinden.

Aus dem Widerspruch zwischen dem an Arbeit geknüpften Glücksversprechen, dem Druck, der auf Lohn- und Fabrikarbeit lastete, und dem Elend breiter Bevölkerungsschichten erwuchs seit der Mitte des 19. Jahrhunderts immer stärkere Sozialkritik. Es entstand vor allem in industrialisierten Regionen seit etwa 1830 die soziale Frage mit Charakteristika wie Arbeit als Ware, Kinderarbeit, Arbeiterelend, Akkordarbeit, Niedergang des Heimgewerbes, Krise des Handwerks und anderem mehr. In altersmässiger Hinsicht erfuhr die Kinderarbeit im Lauf des 19. und 20. Jahrhunderts ihre grösste Verbreitung, was eine zunehmende Reglementierung und gesetzliche Einschränkung bedingte.

Die Probleme der Arbeitswelt führten zu Mobilisierung und Politisierung. Es bildeten sich – punktuell auch in Liechtenstein – Genossenschaften, Gewerkschaften und Arbeiterverbände (→ Liechtensteinischer katholischer Arbeiterinnenverein, → Liechtensteinischer ArbeitnehmerInnenverband), Parteien, welche sich für die Rechte der Arbeiter und später auch der Angestellten einsetzten (→ Christlich-soziale Volkspartei, → Arbeiter- und Bauernpartei des Liechtensteiner Unterlandes), auch kirchliche Organisationen auf der Grundlage der christlichen Soziallehre. Der Gesetzgeber erliess Vorschriften und Verordnungen (→ Sozialversicherung). Die katholische Kirche befasste sich 1891 in der Enzyklika «Rerum Novarum» (Zur Arbeiterfrage) mit den sozialen Missständen, betonte 1931 in der Enzyklika «Quadragesimo anno» das Subsidiaritätsprinzip und forderte umfassende soziale und gesellschaftliche Reformen.

Neben einer gesellschaftsspezifischen Differenzierung von Arbeit entstand im 19. Jahrhundert auch die geschlechtsspezifische Auffächerung des Arbeitsbegriffs. Die Bewertung der Frauenarbeit wandelte sich. Der Hausarbeit wurde, als sich Lohnarbeit zunehmend durchsetzte, der Charakter von Arbeit immer mehr abgesprochen, weil diese Arbeit kein verkäufliches Produkt schafft. Wie die Statistik blendeten auch Sozialversicherungen die weibliche Arbeit vielfach aus, was zu weiterer Diskriminierung und Minderung der Wertschätzung von Frauenarbeit führte. Die negative Bewertung von Frauenarbeit ausserhalb der Lohnarbeit (→ Frauenerwerbsarbeit) begann sich erst seit etwa den 1970er Jahren abzuschwächen. Die Aufgabe der Erwerbsarbeit im Alter erhielt mit dem dank der Vorsorge (Pensionskassen, AHV) finanziell abgesicherten Ruhestand eine gesetzlich geregelte Form.

Wirtschaftswachstum, Hochkonjunktur, zunehmender Wohlstand und verbesserte Bildungsmöglichkeiten setzten nach dem Zweiten Weltkrieg, vor allem seit dem Ende der 1960er Jahre, den herkömmlichen Begriff der Arbeit unter Druck. Dennoch steht Arbeit auch heute im Zentrum der modernen Gesellschaften. Sie bleibt ein wesentliches Element der persönlichen Identität in der individuellen Lebensbewältigung. Deshalb wird Mangel (→ Arbeitsbeschaffung) oder gar Verlust (→ Arbeitslosenversicherung) von Arbeit als Bedrohung empfunden, auch wenn die feste Verknüpfung von Arbeit und der Erwirtschaftung des Lebensunterhalts auch unter dem Zeichen von Flexibilität und Mobilität sich tendenziell aufzulösen scheint. Der im 19. Jahrhundert entstandene, mit Arbeit verbundene Verpflichtungs- und Leistungsdruck ist immer noch weitgehend akzeptiert, im Begriff Workaholic aber auch eine entsprechende Kritik spürbar.

Der Mensch hat heute mehr Möglichkeiten als früher, die Arbeitswelt zu planen und zu beeinflussen. Umstände, wie z.B., dass die Maschine menschliche Tätigkeiten auch in geistig-intellektuellen Tätigkeitsbereichen ersetzen kann, dass der Beitrag der Arbeit zur Lebensqualität als wesentlich betrachtet wird und dass die Sicherheit des Arbeitsplatzes und die gesellschaftliche Eingliederung nicht selten höher gewertet werden als ein höheres Einkommen, führen zu einer Anpassung der Arbeitsbedingungen an die Bedürfnisse des Abeitnehmers, was einen Konsens der Beteiligten voraussetzt.

Literatur

Zitierweise

<<Autor>>, «Arbeit», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 14.2.2025.

Medien

Kartoffelernte im Maurer Riet, Blick Richtung Schellenberg, 2. Hälfte 1930er Jahre (LI LA).
Mitarbeiter der Firma Kaiser AG, Schaanwald (Information und Kommunikation der Regierung). Foto: Close Up, Triesen.
Mitarbeiter der OC Oerlikon Balzers AG (Information und Kommunikation der Regierung). Foto: Close Up, Triesen.
Stein-Mosaik von Martin Frommelt, Schaan, am Bürotrakt der Hovalwerk AG, 1961/62 (Foto: Silvia Ruppen).
Handelsabteilung der Liechtensteinischen Landesbank AG, 2011 (Liechtensteinische Landesbank AG) Foto: Close Up, Triesen.