Arbeiterwohnhäuser

Autor: Hans-Peter Bärtschi | Stand: 31.12.2011

Die späte und mässige Industrialisierung Liechtensteins führte nicht zu mit anderen Ländern vergleichbarer Wohnungsnot, dennoch regte die Regierung die Unternehmer schon in der ersten Industrialisierungsphase an, das Unterkunftsproblem für die wachsende Arbeiterzahl anzugehen. So entstanden in Triesen und Vaduz ab 1873 werkeigene Wohnbauten.

Diese Arbeiterwohnhäuser folgten v.a. zwei Grundtypen: 1. Mehrfamilienhäuser mit Geschosswohnungen nach dem Vorbild deutscher Mietskasernen. Bedeutendster Vertreter ist das 1873 von der Weberei Triesen gebaute «Kosthaus», das als erstes liechtensteinisches und überregional als eines der ältesten erhaltenen Arbeiterwohnhäuser gilt (→ Jenny-Spoerry-Areal). Im Doppelhaus für 16 Familien erschliesst je ein Treppenhaus je zwei Wohnungen auf vier Geschossen. Weitere Bauten dieses Typs erstellte die Spinnerei Vaduz 1886–1910 im Mühleholz und im Ebaholz. 2. Reiheneinfamilienhäuser. Die Weberei Rosenthal errichtete um 1885 im Oberen und im Unteren Möliholz je vier unter einem durchlaufenden Satteldach zusammengebaute Arbeitereinfamilienhäuser mit je vier Kammern nach englischem Cottage-Vorbild. Die sozialgeschichtlich bedeutenden Bauzeugen wurden 1973 bzw. 1995 abgerissen. Als Mischform wurden Reihenmehrfamilienhäuser mit Geschosswohnungen errichtet, z.B. um 1910 die Rosenthal’schen Arbeiterwohnhäuser an der Landstrasse im Möliholz (abgebrochen 1981).

Bis 1910 entstanden so in Vaduz und Triesen 21 Arbeiterwohnhäuser, 1946 folgte ein weiteres in Triesen. Zusammen mit den Fabrikbauten und den Fabrikantenvillen bildeten sie für das 19. Jahrhundert typische Ensembles. Dieser Art des paternalistischen Werkwohnungsbaus entsprach die räumliche Einheit von Arbeiten und Wohnen, Fabrikanten- und Arbeiterleben, verbunden mit starker sozialer Kontrolle und Anbindung der Arbeiter durch billige Mieten. Zu den meisten Arbeiterwohnhäusern gehörten für die Selbstversorgung wichtige Gemüsegärten.

Werksiedlungen dieser Art entstanden später nicht mehr. Unternehmen und Pensionskassen beteiligten sich aber weiterhin (auch zur Kapitalanlage) am Wohnungsbau.

Literatur

  • Hans-Peter Bärtschi: Bauzeugen der Industrialisierung 1820–1920, in: Bauen für Liechtenstein. Ausgewählte Beiträge zur Gestaltung einer Kulturlandschaft, hg. von Patrik Birrer (Hochbauamt/Denkmalpflege), Vaduz 2000, S. 110–139.
  • Michael Pattyn: «... gebaute Geschichte künftigen Generationen erhalten». Technische Bauten und Anlagen der beginnenden Industrialisierung im Fürstentum Liechtenstein, in: Fabriklerleben. Industriearchäologie und Anthropologie, Publikation zur Ausstellung, hg. von Hansjörg Frommelt im Auftrag des Liechtensteinischen Landesmuseums, Redaktion: Robert Allgäuer, Hansjörg Frommelt, Hanspeter Gassner, Triesen/Zürich/Vaduz 1994, S. 47–59.

Zitierweise

<<Autor>>, «Arbeiterwohnhäuser», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 9.2.2025.