
Banken
Autor: Christoph Maria Merki | Stand: 31.12.2011
Die Banken sind als Teil des Finanzdienstleistungssektors (→Finanzdienstleistungen) ein zentraler Bestandteil der liechtensteinischen Volkswirtschaft und ein wichtiger Arbeitgeber. 2003 entrichteten alle liechtensteinischen Banken zusammen direkte Steuern in der Höhe von 32 Mio. Fr. (ca. 6 % der Landessteuern) und boten 1629 Personen oder 5,6 % der in Liechtenstein Beschäftigten eine Arbeitsstelle (womit ihr Personalbestand etwa im Bereich der Zürcher Privatbank Julius Bär oder der Berner Kantonalbank lag). Die liechtensteinischen Banken haben sich v.a. auf die Verwaltung des Vermögens ausländischer Privatkunden und institutioneller Anleger spezialisiert (offshore-Geschäft); in dieser Beziehung sind sie stark vom Treuhandwesen abhängig.
Die erste Bank Liechtensteins, die heutige Liechtensteinische Landesbank (LLB), entstand 1861 als «Spar- und Leihkasse» zwecks Befriedigung der bescheidenen Spar- und Kreditbedürfnisse der kleinbäuerlich-handwerklichen Bevölkerung. Bis 1993 war die LLB ein Staatsinstitut, dessen Aufsichtsorgane politisch besetzt wurden; noch heute verfügt der Staat über die Aktienmehrheit. Im 20. Jahrhundert erfüllte sie wichtige Aufgaben beim Aufbau der staatlichen Infrastruktur und des industriellen Sektors sowie bei der Bautätigkeit der wachsenden Bevölkerung. Während die LLB mittlerweile den Charakter einer Universalbank aufweist und sich am ehesten mit einer schweizerischen Kantonalbank vergleichen lässt, haben die jüngeren liechtensteinischen Banken ein anderes Profil. Das älteste dieser jüngeren Institute ist die LGT Bank in Liechtenstein (LGT/BiL). Die 1920 gegründete und 1930 vom liechtensteinischen Fürstenhaus übernommene Bank konzentrierte sich von Anfang an auf die Betreuung ausländischen Vermögens und ausländisch beherrschter Sitzunternehmen.
In den 1930er Jahren hatten die beiden kleinen liechtensteinischen Banken einen starken Abfluss ausländischer Kundengelder zu verzeichnen. Sie gewährten im Zweiten Weltkrieg Kredite für Industrieexporte nach Deutschland und unterhielten Geschäftskontakte u.a. zu Kunden aus dem Dritten Reich, spielten aber weder eine Rolle als Devisendrehscheibe oder als Zufluchtsort für NS-Gelder noch waren sie in den Goldhandel oder grössere Finanzoperationen zugunsten NS-Deutschlands involviert.
Auch die dritte liechtensteinische Bank, die 1956 gegründete Verwaltungs- und Privat-Bank (VP Bank), ist eng mit dem Treuhandwesen verknüpft. Sie beschränkte sich anfangs auf die Anlage von Vermögen ausländischer Klienten des Allgemeinen Treuunternehmens und hatte bis 1975 nur eine begrenzte Konzession. Die LLB, die LGT/BiL und die VP Bank, die 1969 den Liechtensteinischen Bankenverband gründeten, dominieren das liechtensteinische Bankwesen bis heute. Legt man die Bilanzsumme zugrunde, hatten sie 2005 einen Marktanteil von rund 90 %.
Parallel zum Gesellschaftswesen, das seit den 1950er Jahren Zehntausende von ausländisch beherrschten Sitzunternehmen nach Liechtenstein brachte, wuchs auch der Bankenplatz. Während sich die Zahl der Arbeitsplätze vervielfachte, blieb die Zahl der Banken vorerst konstant, denn das erste liechtensteinische Bankengesetz von 1960 enthielt eine Bedürfnisklausel, die es Regierung und Landtag erlaubte, die bestehenden Institute vor neuer in- und ausländischer Konkurrenz zu schützen. Zudem hielt die Regierung die Zahl der Banken niedrig, weil sie die Aufmerksamkeit der ausländischen Politik nicht auf die «Steueroase» Liechtenstein lenken wollte. In den frühen 1990er Jahren änderte sich die Situation. Die neoliberale Deregulierungswelle griff auch auf Liechtenstein über; gleichzeitig zeichnete sich eine Annäherung des Landes an die Europäische Gemeinschaft ab. Nachdem die bestehenden Banken ausländische Filialen gegründet hatten (BiL ab 1982, VP Bank ab 1988), war ihre privilegierte Stellung im eigenen Land kaum mehr haltbar. So wurde die Bedürfnisklausel, die auch wegen der starken Auslandsverflechtung der liechtensteinischen Banken wenig Sinn machte, durch das neue Bankengesetz von 1992 beseitigt.
Der Widerstand von VP Bank und BiL konnte das Entstehen weiterer Geldinstitute nicht verhindern. 1992 gründeten ehemalige Mitarbeiter der BiL die Neue Bank. 1993 folgte die Centrum Bank, die sich aus der u.a. im Gesellschaftswesen und in der Vermögensverwaltung tätigen Anwaltskanzlei Marxer entwickelte (→Marxer & Partner). Eine ähnliche Entstehungsgeschichte hat die Serica-Bank, die 1999 aus der Präsidial-Anstalt hervorging. Ende der 1990er Jahre kam es zu einer Gründungswelle, die mit dem Börsenboom jener Zeit sowie mit dem Beitritt Liechtensteins zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) 1995 zusammenhing. Nun eröffneten auch ausländische Geldinstitute liechtensteinische Filialen. Bis 2001 erhöhte sich die Zahl der Banken auf 17. Davon befanden sich die meisten in ausländischen, namentlich österreichischen und schweizerischen Besitz. Mehr oder weniger ausgeprägt sind heute alle Banken vorab im private und offshore banking tätig.
Neben der grossen Bedeutung der Bank- und Finanzbranche für die Staatseinnahmen und die Volkswirtschaft führte das schnelle Wachstum seit den 1960er Jahren auch zu Problemen. So litt der industrielle Sektor unter den hohen Löhnen, welche das Banken-Gewerbe vorgab. Weil einheimische Kräfte fehlten, wurden österreichische und v.a. schweizerische Bankkaufleute angeworben. Der expandierende Banken-Sektor trieb die Bodenpreise in die Höhe, besonders in Vaduz. Mit dem «Finanzplatz» waren auch Image-Probleme verbunden, da er von ausländischen Kritikern mit Steuerflucht und Geldwäscherei in Verbindung gebracht wurde.
Der Ausbau der Sorgfaltspflicht und der Bankenaufsicht verpflichtete die Banken auf sauberes Arbeiten, wodurch kriminelle Gelder ferngehalten und durch eine Image-Verbesserung gleichzeitig das seit 1960 gesetzlich geregelte Bankkundengeheimnis geschützt werden sollten. 1961–2005 wurde die Regierung bei der Bankenaufsicht durch eine Bankenkommission beraten. Eine Stärkung brachte die Einrichtung der Dienststelle für Bankenaufsicht durch das Bankengesetz von 1992. Sie wurde 1999 in das Amt für Finanzdienstleistungen umgewandelt, das neu alle Finanzdienstleister beaufsichtigte (mit Ausnahme der Privatversicherer) und auf den 1.1.2005 ihrerseits in der neu geschaffenen integrierten, unabhängigen Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) aufging.
Der Ausbau der Aufsicht entsprach auch den Forderungen der schweizerischen Bankenkommission und der schweizerischen Nationalbank; Letztere ist geld- und währungspolitisch für Liechtenstein zuständig (→Geld). Auch ansonsten besteht eine enge Verbindung des Bankenplatzes Liechtenstein mit der Schweiz: Seit den 1950er Jahren wurde das meiste Kapital, das aus dem europäischen Raum nach Vaduz floss, bei Schweizer Banken und letztlich an der Börse in Zürich angelegt bzw. von dort nach London oder New York weitergeleitet (sogenannte Drehscheibenfunktion).
Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007 traf auch Liechtenstein, doch war keine der liechtensteinischen Banken existenziell gefährdet. Die betreuten Kundenvermögen verringerten sich 2008 massiv, von 171 auf 121 Mia. Franken. Nur ein kleiner Teil dieser Gelder floss aber deswegen ab, weil auf internationalen Druck neue regulatorische Bestimmungen (z.B. Schwächung des Bankenkundengeheimnisses) angekündigt oder eingeführt wurden. In der Krise beschleunigte sich die seit Jahren laufende Internationalisierung der liechtensteinischen Banken: Sie verstärkten ihre Stellung auf anderen Finanzplätzen (z.B. Asien) und ihre onshore-Präsenz in den Ländern ihrer Kunden (z.B. Schweiz und Deutschland).
Quellen
- Bankstatistik, hg. vom Amt für Statistik, Vaduz 1980–.
Literatur
- Christoph Maria Merki: Wirtschaftswunder Liechtenstein. Die rasche Modernisierung einer kleinen Volkswirtschaft im 20. Jahrhundert, Zürich/Triesen 2007, S. 172–179.
- Hanspeter Lussy, Rodrigo López: Liechtensteinische Finanzbeziehungen zur Zeit des Nationalsozialismus. Studie im Auftrag der Unabhängigen Historikerkommission Liechtenstein Zweiter Weltkrieg, Vaduz/Zürich 2005.
- Christoph Maria Merki: Von der liechtensteinischen Landkanzlei zur internationalen Finanzberatung. Die Anwaltskanzlei Marxer & Partner und der Finanzplatz Vaduz, Baden 2003.
- Alexander Meili: Geschichte des Bankwesens in Liechtenstein (1945–1980), Frauenfeld 2001.
- Jürgen Wagner: Bankenplatz Liechtenstein, Zürich 2000.
- Michael Kleine-Hartlage: Der Währungsvertrag Schweiz – Liechtenstein. Mit einem währungsgeschichtlichen Rückblick und unter besonderer Berücksichtigung seiner Bedeutung für die Geschäftspolitik der liechtensteinischen Banken, Bamber 1988.
Zitierweise
<<Autor>>, «Banken», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 14.2.2025.