Binnenkanal

Autorin: Gertrud Haidvogl | Stand: 31.12.2011

1931–43 zur Entwässerung des liechtensteinischen Talraums errichtetes künstliches Gewässer. Der Binnenkanal durchquert Liechtenstein auf 24,67 km Länge in Süd-Nord-Richtung. Sein Einzugsgebiet umfasst 117 km2; zudem wird über das Saminawerk Wasser aus dem Saminatal zugeleitet (ca. 1,5 m3/s).

Anlass für den Bau waren die seit dem 18. Jahrhundert zunehmende Vernässung des Talbodens und der infolge der steigenden Rheinsohle gehemmte Abfluss der Bäche in den Rhein. Ab 1834 wurde als Vorläufer des späteren Binnenkanals ein Kanal im Ried zwischen Schaan und Bendern (bis zur Mündung der Esche) errichtet. Eine dauerhafte Entwässerung und ein ungehinderter Abfluss der Rheinzubringer blieben jedoch aus. 1894 diskutierte der Landtag erstmals die Idee eines durch ganz Liechtenstein fliessenden Binnenkanals. Nach der Erstellung von sechs Gutachten wurde das auf den Arbeiten von Philipp Krapf, Felix Nesper, Jost Wey und Arnold Fussenegger beruhende Projekt von Landestechniker Josef Vogt umgesetzt.

Der Bau des Binnenkanals wurde am 7.7.1930 vom Landtag (mit einer Gegenstimme) und nach einem Referendum der Gemeinden Balzers, Triesen und Triesenberg am 14.12.1930 in einer Volksabstimmung (1469 Ja, 616 Nein) angenommen. Massgeblich für die deutliche Annahme, die als Akt der Solidarität zwischen dem Oberland und dem von der Versumpfung besonders betroffenen Unterland, zwischen Arbeitern und Bauern sowie zwischen den Parteien gilt, war die Funktion des Kanalbaus als Notstandsarbeit (→Arbeitsbeschaffung). Der Bau erfolgte in Etappen. Gleichzeitig wurden einige Bäche reguliert und mehrere Kanäle erstellt. Die immensen Gesamtkosten des am 3.4.1943 fertiggestellten Binnenkanals betrugen 4,6 Mio. Fr.

Der Bau des Binnenkanals gilt als Jahrhundertwerk. Er ermöglichte die endgültige und dauerhafte Entwässerung des liechtensteinischen Talraums und damit dessen intensive landwirtschaftliche Nutzung und Besiedlung. Das Talgewässersystem und dessen ökologische Charakteristik wurden grundlegend verändert (→Gewässer). Mit Ausnahme des Ruggeller Mölibachs (Einleitung in den Spiersbach) fliessen heute alle ehemaligen Rheinzubringer in den Binnenkanal, der somit in Liechtenstein die einzige verbliebene Verbindung zum Hauptgewässer darstellt. Im Jahr 2000 erfolgte die naturnahe Neugestaltung der Binnenkanalmündung in den Rhein.

Literatur

  • Erik Bohl, Armin Peter, Theo Kindle, Gertrud Haidvogl: Fisch- und Krebsatlas Liechtensteins. Verbreitung, Gefährdungsgrad, Merkmal, Vaduz 2001 (=Schriftenreihe Amt für Umweltschutz Bd. 2).
  • Gertrud Haidvogl, Theo Kindle: Die Fliessgewässer Liechtensteins im 19. und 20. Jahrhundert. Ursprüngliche Lebensräume, technische Eingriffe, ökologische Folgen, Vaduz 2001 (=Schriftenreihe Amt für Umweltschutz Bd. 1).
  • Peter Geiger: Krisenzeit. Liechtenstein in den Dreissigerjahren 1928-1939, Bd. 1, 22000, S. 216–230.
  • Hansrudi Sele: Der Binnenkanal. Vorgeschichte, Entstehung, Vaduz 1962.

Zitierweise

<<Autor>>, «Binnenkanal», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 7.2.2025.

Medien

Fürst Franz Josef II. und Fürstin Gina führen am 3. April 1943 in Triesen die letzten Spatenstiche am Liechtensteiner Binnenkanal aus (Liechtensteinisches Landesarchiv, DF 0201, Produktion: Adolf Buck).
Feier zum Durchstich des Binnenkanals in Bendern am 6. April 1943 (Liechtensteinisches Landesarchiv, Foto: Adolf Buck). Die Inschrift der Tafel an der Brücke lautet: «Ein Markstein im Schaffen Liechtensteins ist die Vollendung dieses grossen Landeswerkes. Erbaut unter der Regierung Dr. Hoop & Pfr. Frommelt. Drum dankt ihnen das Volk Liechtensteins.»