Carolina

Autor: Bernd Marquardt | Stand: 31.12.2011

Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532, kurz Carolina, prägte über drei Jahrhunderte das Strafrecht im römisch-deutschen Reich. Das zwischen Kaiser und Reichstag vereinbarte Reichsgesetz zielte auf eine Modernisierung und Vereinheitlichung des lokal hoch differenzierten Straf- und Strafprozessrechts für schwere Verbrechen (Malefizfälle). Die durch die Reichsgerichte überwachten prozessualen Mindeststandards stellten zwingendes Recht dar («Justizgrundrechte»), während den mit dem kaiserlichen Blutbann beliehenen Gerichtsherrschaften ansonsten mittels einer Subsidiaritätsklausel ein Anpassungsspielraum blieb. In der Grafschaft Vaduz nahmen lokale Malefizgerichtsordnungen, am ausführlichsten 1682, das Austarieren mit dem Gewohnheitsrecht vor. Zudem wurden die Vaduzer Gerichtspersonen auf die Carolina vereidigt. In der Gerichtspraxis fanden das auf die Todesstrafe ausgerichtete Strafensystem sowie die restriktiv zugelassene Folter fast nur in Vaganten- und Hexenprozessen Anwendung, ansonsten wurden die Gnadenregelung oder das niedergerichtliche Verfahren bevorzugt. Die Garantiefunktion der Carolina kam den Vaduzer Untertanen 1683 zugute, als der Reichshofrat 122 exzessive Hexenprozesse des lokalen Gerichts für nichtig erklärte (→ Hexenverfolgung). Nach der Vollstreckung des letzten liechtensteinischen Todesurteils 1785 und dem Ende des Reichs 1806 wurde in den fürstlichen Dienstinstruktionen von 1808 die Abschaffung der Carolina gefordert und 1812 ihre Ersetzung durch das aufgeklärte österreichische StGB von 1803 vorgenommen.

Quellen

Literatur

Zitierweise

<<Autor>>, «Carolina», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 15.2.2025.