Eigenkirche

Autor: Heinz Dopsch | Stand: 31.12.2011

Eine Eigenkirche ist ein Gotteshaus, das an einen geistlichen oder weltlichen Herrn – meist den Stifter und dessen Nachkommen – derart eng gebunden war, dass diesem die freie Verfügung über das Vermögen und die volle geistliche Leitungsgewalt zustand (U. Stutz). Die Anfänge des Eigenkirchenwesens liegen in der Spätantike. Objekte konnten neben einfachen Gotteshäusern auch Pfarrkirchen, Stifte und Klöster, in Extremfällen auch Bistümer sein. Seine grösste Entfaltung erfuhr das Eigenkirchenwesen im Frankenreich, wo Kaiser Ludwig der Fromme 818/19 im Capitulare ecclesiasticum den Eigenkirchenherren die freie Auswahl des Geistlichen zugestand, dessen Weihe der Bischof nur unter bestimmten Bedingungen verweigern durfte. Die grosse Zahl der Eigenkirchen trug zur Intensivierung der Seelsorge bei, andererseits wurden Priester an den Eigenkirchen von ihren Herren zu überhöhten Abgaben und zu Verwaltungsdiensten gezwungen, Eigenkirchen geteilt und ihrer Ausstattung sowie der Erträge beraubt. Seit dem 11./12. Jahrhundert kam es unter dem Einfluss der hochmittelalterlichen Kirchenreform zugleich mit dem Aufbau einer flächendeckenden Pfarrorganisation zur Ablösung des Eigenkirchenwesens durch die teilweise bis heute bestehenden Rechtsinstitute des Patronats und der Inkorporation.

Im Gebiet des heutigen Liechtenstein verfügte der fränkische König gemäss dem churrätischen Reichsgutsurbar (842/43) über zwei Kirchen in Balzers und eine in Schaan, die Abtei Pfäfers über die Kirche St. Martin in Eschen. 965 kam eine der beiden Kirchen in Schaan (St. Peter oder St. Lorenz) von Kaiser Otto I. an das adlige Damenstift Säckingen. Die Kirche Mariä Himmelfahrt in Bendern befand sich 1045 im Besitz des adligen Damenstifts Schänis, kam dann in Adelsbesitz und 1194 an das Prämonstratenserstift St. Luzi in Chur. Die Kirche St. Peter und Paul in Mauren gehörte im 12./13 Jahrhundert den Herren von Schellenberg. Von den Filialkirchen und Kapellen, die als Eigenkirche errichtet wurden, seien die Kapelle St. Maria in Triesen genannt, die sich im Besitz von St. Luzi in Chur befand, und die der gräflichen Herrschaft zugehörende Kapelle St. Florin in Vaduz. Vom Spätmittelalter an war die Mehrheit der liechtensteinischen Pfarreien – abweichend von den Nachbargebieten – infolge des Eigenkirchenwesens dem Patronat des Landesherrn oder von Klöstern unterstellt bzw. Klöstern oder Stiften inkorporiert.

Literatur

  • Thomas Willich: Quellen zur spätmittelalterlichen Geschichte Liechtensteiner Kirchen und Kapellen aus dem Repertorium Germanicum (1378–1464), in: Bausteine zur liechtensteinischen Geschichte, Bd. 2, Zürich 1999, S. 69–102.
  • Wolfgang Müller: Zur Kirchen- und Pfarreigeschichte, in: Das Fürstentum Liechtenstein - ein landeskundliches Portrait, hg. von Wolfgang Müller, Bühl/Baden 1981, S. 33–62.
  • Herbert Wille: Staat und Kirche im Fürstentum Liechtenstein, Freiburg 1972 (=Freiburger Veröffentlichungen aus dem Gebiete von Kirche und Staat, Bd. 15).
  • Magnus Stefansson: Eigenkirche, -nwesen, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 3 (1986), Sp. 1705–1710.
  • Willibald Maria Plöchl: Eigenkirche (ecclesia propria), in: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 1 (1971), Sp. 879f.

Von der Redaktion nachträglich ergänzt

  • Enno Bünz: Eigenkirche, in: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, 2., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Bd. 1 (2008), Sp. 1267–1269.

Zitierweise

<<Autor>>, «Eigenkirche», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 12.2.2025.