
Eisenbahn
Autor: Lothar Beer | Stand: 31.12.2011
Liechtenstein hat keine eigene Eisenbahn, aber es wird von einer von den Österreichischen Bundesbahnen betriebenen und dem österreichischen Staat gehörenden Bahnlinie durchquert. In den späten 1850er Jahren setzte ein Projekt für eine Bahnlinie in Vorarlberg auch in Liechtenstein wirtschaftlich motivierte Bemühungen um einen Anschluss an das Eisenbahnnetz in Gang; ins Auge gefasst wurde eine das ganze Land durchquerende Bahnlinie. 1865 vereinbarte Österreich jedoch mit der Schweiz, nördlich von Liechtenstein zwischen der geplanten österreichischen Bahnlinie und der 1858 eröffneten Schweizer Rheintalbahn eine von Feldkirch nach Rüthi (SG) führende Verbindungsstrecke zu errichten. Die liechtensteinische Regierung, Gemeinden und ein Eisenbahn-Komitee setzten sich für eine über liechtensteinisches Staatsgebiet führende Verbindungsstrecke ein. Nach der Schaffung eines liechtensteinischen Eisenbahn-Unterstützungsgesetzes (1868) einigten sich Österreich und Liechtenstein im Einvernehmen mit der Schweiz auf eine Streckenführung von Feldkirch durch Liechtenstein via Schaan nach Buchs (SG). Diese Bahnlinie (Länge: 17,992 km, davon in Liechtenstein 8,96 km) wurde am 14.1.1870 bewilligt und am 24.10.1872 als Teilstrecke der k. k. privilegierten Vorarlberger Bahn eröffnet.
Die 1926 elektrifizierte Bahn blieb abgesehen von der von 1938 bis 1945 dauernden Zugehörigkeit zur Deutschen Reichsbahn unter österreichischen Bahnverwaltungen. Als Stationen gab es in Liechtenstein zunächst nur die später mehrfach erweiterten Bahnhöfe Schaan(-Vaduz) und Nendeln. Es folgten weitere Haltestellen in Schaanwald (1902, Bau des Haltestellengebäudes 1928) und vor Schaan (Hilti-Forst, 2000). 1935 wurde die ursprüngliche Eisenbahnbrücke über den Rhein durch eine neue ersetzt. 1927 hatte eine durch diese Brücke bewirkte Wasserstauung einen Dammbruch verursacht, was einen mehrwöchigen Bahnbetriebsunterbruch und Schadenersatzforderungen Liechtensteins an die Österreichischen Bundesbahnen zur Folge hatte; diese wurden 1930 durch einen Vergleich beigelegt.
Die für Liechtenstein unbefriedigende Streckenführung, welche mit Schaan nur eine einzige grössere liechtensteinische Ortschaft erschloss, führte zu erfolglosen Bemühungen, Vaduz, Triesen und Balzers an das Schienennetz anzuschliessen. Dies war während des Baus der Arlbergbahn 1881–84, dann 1903–07 und 1926 beim Projekt der Rhätischen Bahn für eine Schmalspurbahn von Landquart nach Schaan sowie nach dem Rheineinbruch von 1927 der Fall.
Die Eisenbahn trug mit zum Aufschwung von Gastgewerbe, Fremdenverkehr, Handel, Gewerbe und Industrie im späten 19. Jahrhundert bei. Der nach der Eröffnung der Arlbergbahn (1884) einsetzende Import billigerer Agrarprodukte aus Österreich (v. a. Getreide, Wein und Nutztiere) verstärkte einen bereits zuvor zu beobachtenden Rückgang des Acker- und des Weinbaus, führte aber anderseits zur Spezialisierung auf eine qualitativ hochstehende Rinder- und Schweinezucht.
Mit der Eröffnung der Arlbergbahn wurde die Bahnlinie durch Liechtenstein Teil der Ost-West-Achse Wien– Paris. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfolgte ein Aufenthalt bestimmter internationaler Züge auch in Schaan-Vaduz. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts büsste die Bahnlinie immer mehr an Bedeutung ein. 1986 wurde der Bahnhof Schaan-Vaduz in eine unbesetzte Haltestelle umgewandelt, 1988 auch Schaanwald. Durch den Strukturwandel im Verkehrswesen (Vollmotorisierung) ist die Bahnlinie – abgesehen von Verbesserungen im Schienennahverkehr durch zusätzliche Regionalzüge – heute im Wesentlichen eine Transitlinie.
Literatur
- Lothar Beer: Der Eisenbahnbau in Liechtenstein, in: Bauen für Liechtenstein, Vaduz 2000, S. 140–173.
- 125 Jahre Eisenbahn in Liechtenstein, Sonderpublikation zu den Europa-Tagen des Denkmals vom 13. und 14. September 1997, Redaktion: Hansjörg Frommelt und Michael Pattyn, Vaduz 1997.
Von der Redaktion nachträglich ergänzt
- Christoph Maria Merki: Die Entwicklung der liechtensteinischen Mobilität seit 1900, Gamprin-Bendern 2022 (= Beiträge Liechtenstein-Institut, Bd. 50).
- Heinz Schild: Liechtenstein wurde am Perron stehen gelassen. Zu einem nicht realisierten Bahnprojekt zwischen Schaan und Landquart, in: Jahrbuch Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 113 (2014), S. 93–106.
Zitierweise
<<Autor>>, «Eisenbahn», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 15.2.2025.