
Energie
Autor: Klaus Biedermann | Stand: 31.12.2011
Energie (von griechisch enérgeia, «wirkende Kraft») ist die in einem physikalischen System gespeicherte Arbeit. Zu den erneuerbaren Energien zählen u. a. Biomasse (z.B. Holz), Wasserkraft, Sonnenstrahlung, Erdwärme und Wind; beschränkt sind die Vorräte an den fossilen Energien Kohle, Erdöl und Erdgas sowie an Uran.
Bis zur Industrialisierung im 19. Jahrhundert waren in Liechtenstein Holz (→ Wald) und die Wasserkraft die wichtigsten Energiequellen. Holz diente besonders dem Kochen und Heizen und wurde auch in Form von Holzkohle genutzt (→ Köhlerei). Frühe gewerbliche Betriebe wie Mühlen, Hammerschmieden und Sägereien bedienten sich der Wasserkraft mittels Wasserrädern. Die ersten, 1861–63 am Mölibach in Vaduz und am Dorfbach in Triesen entstandenen liechtensteinischen Industriebetriebe erzeugten über Wasserspeicher, Druckleitungen und Turbinen Energie, die den Maschinen (Webstühlen) mechanisch über Transmissionen zugeführt wurde (1870 in Triesen, 1882 in Vaduz). Daneben kamen in den Fabriken auch Dampfmaschinen und Kleingaswerke zum Einsatz.
Zu Heizzwecken spielten vom 19. bis weit ins 20. Jahrhundert der in Liechtenstein abgebaute Torf (→ Torfstecherei) und die importierte Kohle eine Rolle. Episode blieb ein ab 1902 bis um 1918 in Schaan für die Strassenbeleuchtung betriebenes Acetylengaswerk.
Mit dem Bau der ersten Stromkraftwerke bei den Fabriken in Triesen und Vaduz begann 1883 auch in Liechtenstein die Elektrifizierung. Nachdem ab 1906 die Stadtwerke Feldkirch Strom nach Liechtenstein geliefert hatten, verbesserte ab 1927 das staatliche Lawenawerk (seit 1947 Liechtensteinische Kraftwerke LKW) die liechtensteinische Stromeigenversorgung erheblich. Zur Gänze selbst gedeckt werden konnte der liechtensteinische Strombedarf jedoch nur ab der Inbetriebnahme des Saminawerks 1949 bis um 1956/57. Belief sich der liechtensteinische Stromexport 1950 noch auf die doppelte Höhe des Inlandsverbrauchs, hatte sich 1960 das Verhältnis bereits umgedreht.
Bevölkerungswachstum und wirtschaftlicher Aufschwung, Elektrifizierung der Haushalte und gesellschaftlicher Wandel («Konsumgesellschaft») liessen den Energiebedarf in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stark steigen. Von 1960 bis 2006 verfünffachte sich der Pro-Kopf-Verbrauch an elektrischer Energie beinahe von 2,26 MWh auf 10,51 MWh. Daneben erhöhte sich im Zug der Motorisierung und der Zunahme des Verkehrs besonders ab 1950 der Verbrauch fossiler Brennstoffe (Benzin und Diesel). Auch stieg die Zahl der zumeist mit Öl, in jüngerer Zeit auch mit Erdgas betriebenen Zentralheizungen (im Jahr 2000 wiesen 87 % der liechtensteinischen Wohngebäude eine Zentralheizung auf). 2007 belief sich der liechtensteinische Eigenversorgungsgrad an elektrischem Strom noch auf 19,1 %, derjenige des gesamten Energieverbrauchs auf 8,4 %. Aufgrund des Stromimports bestand die in Liechtenstein verbrauchte elektrische Energie 2004 zu rund 54 % aus Atomstrom.
Die Dominanz des Heizöls am Gesamtenergieverbrauch erhöhte sich zwischen 1965 und 1975 von 44,6 % auf 60,5 %, sank dann jedoch auf 38,2 % (1990) und auf 20,5 % (2006). Weniger stark verminderte sich der Anteil von Benzin und Dieselöl am Gesamtverbrauch; er lag 1965 bei 32,5 % und 2007 bei 24,7 %. Der Anteil der Elektrizität hingegen stieg von 16,1 % (1965) auf 29,0 % (2007). Durch die 1985 gegründete Liechtensteinische Gasversorgung (LGV) erhöhte sich der Anteil des Erdgases am Gesamtenergieverbrauch von 0,3 % (1986) massiv auf 28,8 % (2006). 1990 entstand in Triesen das erste gasbetriebene Blockheizkraftwerk, das elektrische Strom und Heizwärme produziert. Der geringe Brennholzanteil von 3,6 % (1965) sank auf 1,2 % (2001), steigerte sich aber dank neuen Technologien (Holzschnitzel-, Pelletsfeuerungen) wieder auf 3,0 % (2007).
Die Ölkrise von 1973 veranlasste die liechtensteinische Regierung zur Ausarbeitung eines Energiekonzepts. Die 1979 folgende erste Energieverordnung zielte, in Ergänzung zum Baugesetz, auf eine konsequente Wärmedämmung des beheizten Bauvolumens, die Redimensionierung von Heizungsanlagen und die Reduktion der Wärmeverluste bei Leitungen und Heizungen; sie enthielt auch Servicevorschriften. Ein Handlungsbedarf war insofern gegeben, als die Hälfte der in Liechtenstein konsumierten Energie für die Beheizung von Gebäuden verwendet wurde. Die überarbeitete Energieverordnung von 1985 schrieb die verbrauchsabhängige Heizkostenabrechnung für Mehrfamilienhäuser vor. Das Energiespargesetz von 1996 fördert alternative Energieformen, besonders die Sonnenenergie. Liechtenstein unterzeichnete 1998 das Kyoto-Protokoll, womit sich das Land verpflichtete, 2008–12 den v. a. durch fossile Brennstoffe verursachten Ausstoss von Kohlendioxid auf 92 % dessen von 1990 zu verringern. Das Ziel soll gemäss dem 2004 geschaffenen «Energiekonzept Liechtenstein 2013» und dem Energieeffizienzgesetz (EEG) von 2008 durch Energiesparmassnahmen und die Förderung erneuerbarer Energien erreicht werden.
Für die Nutzung der Sonnenenergie engagiert sich neben den LKW besonders die 1992 gegründete Solargenossenschaft Liechtenstein. Sie setzte den Bau verschiedener Solarkraftwerke durch, u. a. bei den Rheinbrücken Bendern–Haag und Vaduz–Sevelen. Die LKW bieten seit 2004 bei einem Aufpreis von einigen Rappen pro kWh Öko-Strom an, der ausschliesslich in liechtensteinischen Wasserkraftwerken und Solaranlagen hergestellt wird. Die Gemeinde Triesen erhielt als erste liechtensteinische Gemeinde 2004 das Gütesiegel des schweizerischen Trägervereins «Energiestadt», das Gemeinden für ihre Energiepolitik auszeichnet.
Quellen
- Energiekonzept Liechtenstein 2013, hg. von der Regierung des Fürstentums Liechtenstein, Vaduz 2004.
- Energiestatistik 2006, hg. vom Amt für Volkswirtschaft.
- Liechtenstein 1938–1978. Bilder und Dokumente, hg. von der Fürstlichen Regierung, Redaktion: Norbert Jansen, Robert Allgäuer, Vaduz 1978, S. 459, 479.
- Geschäftsberichte LKW 1947–.
Literatur
- 75 Jahre Liechtensteinische Kraftwerke 1923–1998, hg. von Liechtensteinische Kraftwerke, Schaan 1998.
- Paul Vogt: Brücken zur Vergangenheit. Ein Text- und Arbeitsbuch zur liechtensteinischen Geschichte. 17. bis 19. Jahrhundert, hg. vom Schulamt des Fürstentums Liechtenstein, Vaduz 1990, S. 219–221,
- Alois Ospelt: Wirtschaftsgeschichte des Fürstentums Liechtenstein im 19. Jahrhundert. Von den napoleonischen Kriegen bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 72 (1972), S. 5–423, hier S. 262–293, 346–347.
Zitierweise
<<Autor>>, «Energie», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 10.2.2025.