Erni, Barbara, genannt «goldene Boos»

Autoren: Jürgen Schindler, Paul Vogt | Stand: 4.11.2022

*15.2.1743 Altenstadt (Feldkirch, Vorarlberg), † 26.2.1785 Eschen. Tochter des Vaganten-Ehepaars Johann und Anna Barbara, geb. Graf, zwei Geschwister. Ab 1772 fünf uneheliche Kinder. ⚭ 1779 Franz Schindele, geboren in Hagenwil (TG), Vagant und Dieb, genannt « Tiroler Franz ».

Erni beging schon als Kind vorerst kleine Nahrungs- und Kleiderdiebstähle mit den Geschwistern, ab 1763 grössere Diebstähle allein und mit Komplizen, auch prostituierte sie sich. Ihre Bettel- und Diebestouren erfolgten vornehmlich im Rheintal von Chur bis zum Bodensee, beidseits des Rheins. Sie war über die Region hinaus steckbrieflich gesucht und befand sich 1778 während fast eines Jahres im Zuchthaus Buchloe im Allgäu in Untersuchungshaft. Am 27.5.1784 wurde Erni in Eschen gefasst, auf Schloss Vaduz gefangen gesetzt und mehrere Male verhört. Sie gab 17 grössere und kleinere Diebstähle zu. Ein von Licentiat Hensler im Zuchthaus Buchloe erstelltes Rechtsgutachten vom 7.12.1784 empfahl auf Grundlage der Carolina die Todesstrafe. Zwei weitere Rechtsgutachten von renommierten Juristen in Wien kamen zum gleichen Schluss. Nachdem das Todesurteil wegen Vagabundieren, Prostitution und Diebstahl von Fürst Alois I. bestätigt worden war, wurde Erni auf Wunsch der Landschaft Schellenberg wohl am 23.2.1785 nach Eschen gebracht und noch drei Tage auf Rofaberg gefangen gehalten. Am 26. Februar wurde sie, nachdem der Stab über ihr gebrochen war, auf Güediga in Eschen vor «etlich tausend in- und ausländischen Zuschauern» vom Vaduzer Scharfrichter Johann Michael Burkhard mit dem Schwert geköpft. Es war die letzte Hinrichtung in Liechtenstein. Auf eine Begnadigung wurde unter anderem verzichtet, weil seit fünfzig Jahren keine Hinrichtung mehr erfolgt war. Die öffentlich inszenierte Exekution Ernis sollte vor allem eine abschreckende Wirkung haben. Ernis Ehemann Franz Schindele wurde 1793 in Appenzell Ausserrhoden ebenfalls zum Tod durch das Schwert verurteilt. Offenbar konnte er entkommen, denn er starb 1802 in Vaduz.

Barbara Erni zählte zur Unterschicht der Fahrenden, die über keinen festen Wohnsitz verfügten, ihr Leben als mobile Handwerker, Hausierer oder Bettler bestritten und mangels anderer Erwerbsmöglichkeiten teils in die Kriminalität abrutschten. Ihr Leben und Sterben ist auch vor diesem sozialen Hintergrund zu sehen. Ernis Schicksal fand Nachklang im Lied «Zu Vaduz lieg ich gefangen» und in der Sage von der « goldenen Boos » (golden für die rotblonde Haarfarbe, Boos für eine liederliche Frau, Prostituierte). Der Strassenname «Goldene Boos-Gasse» in Eschen bezieht sich auf Barbara Erni.

Quellen

  • Akten zum Fall der Barbara Erni, ediert in: e-archiv.li. Publikationsplattform des Liechtensteinischen Landesarchivs, darunter das Rechtsgutachten von Hensler vom 7.12.1784 (Liechtensteinisches Landesarchiv, Vaduz).
  • Chronik des Johann Georg Helbert aus Eschen, hg. von der Gemeinde Eschen und vom Liechtensteinischen Landesmuseum/Norbert W. Hasler, Redaktion: Arthur Brunhart in Zusammenarbeit mit Rainer Wilflinger und Jürgen Schindler, 2 Bände: Faksimile und Transkription, Vaduz 2006, S. 70.

Literatur

Von der Redaktion nachträglich ergänzt

  • Paul Vogt: «Sich selbst zur wohl verdienten Strafe, anderen aber zu einem abschreckenden Exempel». Zur Hinrichtung der Barbara Erni, genannt Goldene Boos, in: Jahrbuch Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 122 (2023), S. 87–122.

Zitierweise

<<Autor>>, «Erni, Barbara, genannt «goldene Boos»», Stand: 4.11.2022, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 9.2.2025.

Medien

«Ehrnin ist mein Geschlechts Nam, goldene Boos der Uebernam …». Barbara Ernis Schicksal wurde im Lied «Zu Vaduz lieg ich gefangen» verarbeitet. Gedruckt in: Vier weltliche schöne neue Lieder, o.O., um 1800 (Universitätsbibliothek Bern, Signatur: MUE Rar alt 744 : 160).