
Erzberger, Matthias
Autoren: Maximilian Liebmann †, Cornelius Goop (Überarbeitung) | Stand: 12.11.2024
Deutscher Politiker. *20.9.1875 Buttenhausen (D), †26.8.1921 bei Griesbach (D), katholisch, Deutscher. ⚭ 1900 Paula Eberhardt, drei Kinder.
Erzberger wuchs auf der Schwäbischen Alb auf und besuchte nach der Volksschule die Präparandenanstalt in Gmünd sowie von 1891 bis 1894 das Lehrerseminar in Saulgau. Er war als katholischer Publizist und Politiker der Zentrumspartei tätig, gehörte von 1903 bis 1918 dem Deutschen Reichstag an und war von 1914 bis 1915 Organisator der deutschen Auslandspropaganda. 1918 bis 1919 war Erzberger Staatssekretär ohne Portefeuille, 1919 Reichsminister ohne Portefeuille und von 1919 bis 1920 Vizekanzler sowie Reichsfinanzminister. Während des Ersten Weltkriegs startete er mehrere ambitionierte, zumeist persönlich vorangetriebene diplomatische Initiativen im Sinne deutscher und katholischer politischer Interessen. Dazu gehörten unter anderem Anstrengungen zur Verhinderung eines Kriegseintritts Italiens und Rumäniens oder Bemühungen zur Beendigung der Verfolgung christlicher (katholischer) Minderheiten im Osmanischen Reich. Am 11.11.1918 unterzeichnete Erzberger in Compiègne (F) für Deutschland den Waffenstillstand zur Beendigung des Ersten Weltkriegs. 1921 fiel er einem durch Rechtsradikale verübten Attentat zum Opfer.
Erzberger war Initiator und Akteur des geheimen, 1916 von Papst Benedikt XV. und Fürst Johann II. von Liechtenstein gebilligten Projekts zur Wiederherstellung der vollen Souveränität des Heiligen Stuhls durch die Übergabe des souveränen Fürstentums Liechtenstein an den Papst. Widerstand aus dem Kreis der fürstlichen Familie, besonders von Prinz Franz von Liechtenstein, dem Bruder des regierenden Fürsten Johann II., liess das aus Sicht Erzbergers zunächst erfolgversprechende Vorhaben zur Lösung der «Römischen Frage» schliesslich scheitern. In Liechtenstein selbst blieb das Projekt 1916 unbekannt und wurde erst durch Erzbergers 1920 erschienene Kriegserinnerungen «Erlebnisse im Weltkrieg» öffentlich. Die Reaktionen auf Erzbergers Initiative waren in Liechtenstein durchweg negativ, wenn zugleich gering, auch weil die liechtensteinische Gesandtschaft in Wien eine breite Diskussion verhindern wollte. Innenpolitisch wie auch völkerrechtlich wäre eine Umsetzung der Idee kaum realistisch gewesen.
Werkauswahl
- Matthias Erzberger: Erlebnisse im Weltkrieg, Stuttgart 1920, bes. S. 27, 135–137.
Quellen
- Quellensammlung zu Matthias Erzberger, e-archiv.li, Publikationsplattform des Liechtensteinischen Landesarchivs.
- «Erzberger über die Souveränität unseres Fürstenhauses», in: Liechtensteiner Volksblatt, 3.8.1921, S. 1.
- «Liechtenstein ein Kirchenstaat», in: Oberrheinische Nachrichten, 20.10.1920, S. 2.
Literatur
- Benjamin Dürr: Erzberger. Der gehasste Versöhner. Biografie eines Weimarer Politikers, Berlin 2021.
- Peter Bußjäger: «Es hat so schön angefangen und nun ist alles zu Ende.» Liechtenstein, Vorarlberg und die Römische Frage – eine Episode aus dem Ersten Weltkrieg, in: Montfort. Zeitschrift für Geschichte Vorarlbergs, Jg. 66 (2014), Bd. 2, S. 139–142.
- Rupert Quaderer-Vogt: Bewegte Zeiten in Liechtenstein 1914 bis 1926, Vaduz/Zürich 2014, Bd. 1, S. 535–541.
- Rudolf Morsey: Erzberger, Matthias, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 3 (31995), Sp. 849.
- Maximilian Liebmann: Der Papst – Fürst von Liechtenstein. Ein Vorschlag zur Lösung der Römischen Frage aus dem Jahre 1916, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 85 (1985), S. 229–250.
- Klaus Epstein: Erzberger, Matthias, in: Neue Deutsche Biographie, hg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaft, Bd. 4 (1959), S. 638–640.
Normdaten
GND: 11853100X
Zitierweise
<<Autor>>, «Erzberger, Matthias», Stand: 12.11.2024, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 7.2.2025.