
Evangelische Kirchen
Autor: Hans Jaquemar | Stand: 31.12.2011
Evangelische Kirchen sind die aus der Reformation im 16. Jahrhundert entstandenen, auch als protestantisch bezeichneten christlichen Kirchen. Es sind dies v.a. die durch Martin Luthers Wirken in Deutschland gebildeten «evangelisch-lutherischen Kirchen» und die aus der Reformation Huldrych Zwinglis und Jean Calvins in der Schweiz hervorgegangenen «reformierten Kirchen». Wesentliche Unterschiede liegen im jeweiligen historischen Entstehungszusammenhang. Die reformierten Kirchen sind durch Gemeindeprinzip und demokratischen Aufbau, die lutherischen Kirchen durch ein stärker ausgeprägtes Amtsverständnis und reichere Liturgie geprägt. Lehrunterschiede sind seit 1973 weitgehend überwunden (Leuenberger Konkordie).
Ins katholische Liechtenstein kamen Evangelische im 19. Jahrhundert im Zug der Industrialisierung. Nach der Übernahme der Weberei Triesen durch die Schweizer Firma «Enderlin und Jenny» 1869 liessen sich ausländische evangelische Fachkräfte im Land nieder (1875 etwa 50). Ab 1880 erhielten die Kinder behördlich genehmigten evangelischen Religionsunterricht und 1881 gab sich die neu gegründete Gemeinde eine ebenfalls von der Regierung genehmigte Gemeindeordnung. Gottesdienste wurden in einem Betsaal gehalten, bis die evangelische Gemeinde 1885 in Triesen ein Haus kaufte, das bis 1963 benutzt wurde. Zuständig war der evangelische Pfarrer von Sevelen.
Im Unterland bildete sich nach 1924 (Zollvertrag mit der Schweiz) eine evangelische Gruppe aus Schweizer Grenzwächtern und ihren Familien. In Vaduz entstand eine kleine Gruppe um die evangelische Textilindustriellenfamilie Spoerry. In der Wirtschaftskrise nach dem Ersten Weltkrieg wanderten viele Ausländer, unter ihnen auch evangelische, wieder ab. Verbunden mit der verstärkten Industrialisierung seit den 1930er Jahren und dem Wirtschaftsaufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg erstarkte die Gruppe der Evangelischen erneut. Sie schlossen sich 1944 zum «Verein der Evangelischen» zusammen. 1955 wurde ein evangelisches Pfarramt geschaffen, 1956 ein erster Pfarrer gewählt. Der Name wurde 1961 in «Evangelische Kirche im Fürstentum Liechtenstein» geändert. 1963 konnten Kirche und Pfarrhaus in Vaduz (→ Evangelische Kirche Ebenholz) bezogen werden, 1972 kam der «Treffpunkt» hinzu. Seit 1958 besteht ein Patronatsvertrag mit dem Kirchenrat der evanglisch-reformierten Kirche des Kantons St. Gallen, welcher der selbständigen Kirche einen gewissen Rückhalt verleiht. Diese evangelische Kirche in Liechtenstein umfasst Christen aller evangelischer Bekenntnisse (Reformierte, Lutheraner, Anglikaner, …). Daneben bildete sich ab 1950 eine 1954 als Verein organisierte lutherische Gemeinde, die sich 1963 in «Evangelisch-lutherische Kirche im Fürstentum Liechtenstein» umbenannte; für deren Mitglieder spielt die lutherische Tradition eine besondere Rolle. Sie errichtete 1956 in Vaduz ein eigenes Kirchlein (→ Johanneskirche).
Im Gegensatz zur katholischen Kirche sind die Evangelischen Kirchen in Liechtenstein nicht öffentlich-rechtlich anerkannt, sondern auf das Privatrecht verwiesen. Sie finanzieren sich v.a. durch Mitgliederbeiträge, werden aber auch vom Staat und den politischen Gemeinden finanziell unterstützt. Im Jahr 2000 lebten etwa 2300 Evangelische (davon 430 Liechtensteiner) im Land. Die evangelische Kirche hatte im Jahr 2000 etwa 1600, die evangelisch-lutherische Kirche etwa 250 Mitglieder in Liechtenstein (und rund 300 Mitglieder in Graubünden und St. Gallen).
Literatur
- Hans Jaquemar, André Ritter (Hg.): Frohe Botschaft und kritische Zeitgenossenschaft. 125 Jahre Evangelische Kirche im Fürstentum Liechtenstein (1880–2005), Triesen 2005.
- Wege gehen, hg. von der Evangelisch-lutherischen Kirche im Fürstentum Liechtenstein, Vaduz 2005.
- Evangelisch-lutherische Kirche im Fürstentum Liechtenstein. Eine grundsätzliche Besinnung anlässlich des zehnjährigen Bestehens, Vaduz 1964.
Zitierweise
<<Autor>>, «Evangelische Kirchen», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 15.2.2025.
Medien
Evangelische Kirche im Fürstentum Liechtenstein: Pfarrer, ab 1956
Amtsdauer | Name |
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1956–1961 | Eugen W. Pfenninger |
1961–1981 | Christoph Möhl |
1981–1997 | Hans Jaquemar |
1997–2013 | André und Karin Ritter |
2013– | Johannes Jung |
Evangelisch-lutherische Kirche im Fürstentum Liechtenstein: Pfarrer, ab 1950
Amtsdauer | Name |
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1950–1966 | Felix Troll |
1966–1970 | Hans-Joachim Schaffer |
1970–1979 | Paul Gerhard Möller |
1979–1985 | Wolfgang Trenkler |
1985–1990 | Karlfriedrich Pauly |
1990–1994 | Reinhold Netz |
1994–2002 | Renate und Gottfried Daub |
2002–2004 | Klaus Looft |
2004–2011 | Catharina und Hartwig Janus |
2011–2015 | Dieter Trieba |
2015–2020 | Helmut Sobko |
2020–2021 | Friedhelm Feigk |
2021– | Stephan Zilker |