
Fahrende
Autorin: Sabine Veits-Falk | Stand: 31.12.2011
Zu den Fahrenden zählte jener heterogene Personenkreis, der über keinen festen Wohnsitz verfügte und oft umherziehend Gaben für seine Dienste begehrte. Manche Gruppen (z.B. Spielleute, Tänzerinnen, Gaukler) standen unter moralischem Verdacht. Aber erst als veränderte gesellschaftliche Normen ab dem Spätmittelalter Ab- und Ausgrenzungen bewirkten, wurden Fahrenden zu Aussenseitern. Im 16. Jahrhundert einsetzende Mandate richteten sich gegen die als gefährlich wahrgenommenen Nichtsesshaften, deren Aufenthalt im eigenen Territorium unterbunden werden sollte. Fahrende wurden als Müssiggänger und «herrenloses Gesindel» diskriminiert.
In liechtensteinischen Quellen kommt der Begriff Fahrenden kaum vor. Meist werden fahrende Personen als «Bettler und Vaganten» bezeichnet. Sie waren ab der frühen Neuzeit zunehmender Repression ausgesetzt (→ Bettelwesen). Sich im Ausland aufhaltende liechtensteinische Vaganten wurden immer wieder nach Liechtenstein zurückgeschoben; sonst ist zu ihnen wenig bekannt.
Ebenfalls begegnet der Sammelbegriff «Zigeuner», wobei unklar ist, inwieweit es sich um sogenannte «Vazer», Jenische oder um Sinti und Roma handelte. Der Vaduzer Landsbrauch (früheste datierte Abschrift 1664) verbot u.a. «Gartknechten» (aus dem Dienst entlassenen Soldaten) und «Zigeunern» den Aufenthalt. Letzteren drohte er nebst der Verhaftung die Konfiszierung der Habe und die Vogelfreierklärung (Ächtung) an.
Eine weitere Gruppe von Fahrenden stellten die wandernden Berufsleute dar, etwa mobile Handwerker und Hausierer, durchziehende Bader und Chirurgen usw. In den 1770er Jahren sind z.B. Friedrich Nigg aus Triesen und Johann Georg Hilti aus Schaan in Sumvitg (GR) als (Wander-)Müller erwähnt.
Der obrigkeitlichen Repression stand zumindest in Einzelfällen die Solidarisierung der sesshaften Bevölkerung mit den Fahrenden gegenüber. Der Pfarrer von Eschen missbilligte 1793 die Anhänglichkeit seiner Pfarrkinder an «diese Art Gesindel». Im Gasthaus «Engel» in Balzers standen noch im frühen 20. Jahrhundert zwei Betten für durchreisende Vagabunden zur Verfügung, die auf Gemeindekosten verpflegt wurden.
Archive
- Liechtensteinisches Landesarchiv (LI LA), Vaduz.
- Pfarrarchiv Sumvitg.
- Staatsarchiv Graubünden (StAGR), Chur.
Literatur
- Peter Putzer: Liechtensteinische Quellen zum Zigeunerrecht, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 96 (1998), S. 199–210.
- Emanuel Vogt: Mier z Balzers. Wie es früher bei uns war, Bd. 3: Lebensart, Vaduz 1998, S. 108.
- Gerhard Wanner: Aspekte zur liechtensteiner Wirtschafts- und Sozialgeschichte um 1800, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 70 (1970), S. 459–500.
Von der Redaktion nachträglich ergänzt
- Klaus Biedermann: «Der Ort, wo sich das fremde Gesindel am meisten aufhält». Zu Fahrenden und Heimatlosen im 19. Jahrhundert, die an der liechtensteinisch-österreichischen Grenze festgenommen wurden in: Hüben & Drüben. Genzüberschreitende Wirtschaft im mittleren Alpenraum, hg. von Nicole Stadelmann, Martina Sochin D’Elia und Peter Melichar, Innsbruck 2020, S. 145–169.
- Klaus Biedermann: «Man sei die lange Zeit am Ende doch irgendwo gewesen». Zu Polizeifotos und Schicksalen von Heimatlosen mit Bezug zu Liechtenstein, in: Jahrbuch Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 115 (2016), S. 105–146.
Zitierweise
<<Autor>>, «Fahrende», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 9.2.2025.