
Familienrecht
Autorin: Elisabeth Berger | Stand: 31.12.2011
Die Familie als Gemeinschaft von Eltern und Kindern bildet eine grundlegende gesellschaftliche Institution, deren gesetzliche Regelungen überwiegend zur Privatrechtsordnung zählen. Die familienrechtlichen Bestimmungen in Liechtenstein haben ihre Grundlage in der 1812 und 1846 rezipierten österreichischen Privatrechtskodifikation, dem Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) von 1811. Systematisch gehören sie grossteils zu dem im 1. Teil des ABGB geregelten Personenrecht im weiteren Sinne, das im Einzelnen das Eherecht, das Kindschaftsrecht einschliesslich des Adoptionsrechts sowie die Bestimmungen über Vormundschaft und Kuratelen umfasst.
Auf die Rezeption österreichischen Privatrechts im 19. Jahrhundert folgte nach dem Ersten Weltkrieg – v.a. aus wirtschaftlichen Gründen – die Abkehr von Österreich und dessen Rechtsordnung. Im Rahmen der geplanten Neukodifikation des Privatrechts war ein neues Familienrecht nach dem Vorbild des schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB) vorgesehen, dessen Realisierung allerdings unterblieb. Mit Ausnahme einiger provisorischen Übergangsbestimmungen im Personen- und Gesellschaftsrecht (1926) blieb es daher in Liechtenstein beim Familienrecht des ABGB.
Ein gravierender Eingriff in die Familiengesetzgebung des ABGB erfolgte im Zug der Eherechtsreform: Das Ehegesetz 1974 ersetzte die eherechtliche Bestimmungen des ABGB. Das Kindschaftsrecht wurde durch die Revision des Adoptionsrechts 1976 abgeändert: Während ursprünglich die Zielsetzung im Vordergrund gestanden hatte, Name und Vermögen auf das Wahlkind zu übertragen, wurde mit dieser Novelle eine stärkere Integration des Wahlkinds ermöglicht und das Verhältnis zwischen Wahlkindern und -eltern dem einer natürlichen Familie weitgehend angeglichen. Bei der Revision des Vormundschaftsrechts 1988 ging es v.a. um eine verbesserte Rechtsstellung der Frauen. Damit bildete sie einen Vorgriff auf die Ehe- und Familienrechtsreform von 1993, der die Verwirklichung des Partnerschaftsprinzips und die rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau zugrunde lag. Überwiegend nach dem Vorbild des österreichischen, teilweise auch des schweizerischen Rechts wurden die Rechtsverhältnisse zwischen den Ehegatten (z.B. Namensrecht, Trennungs- und Scheidungsfolgen) sowie zwischen Eltern und Kindern (z.B. Kindschafts- und Vormundschaftsrecht) gleichberechtigt ausgestaltet.
Literatur
- Helmut Koziol: Grundriss des bürgerlichen Rechts 1, 122002, 395–515.
- Nicole Kaiser: Adoption in Liechtenstein – Divergenzen zwischen geschriebenem und angewandtem Recht, in: Liechtensteinische Juristen-Zeitung, Jg. 18 (1997), S. 43–46.
- Karl Kohlegger: Lehren aus der österreichischen Familienrechtsreform, in: Liechtensteinische Juristen-Zeitung, Jg. 8 (1987), S. 1–12.
- Max Bizozzero: Gleichberechtigung von Mann und Frau, in: Liechtensteinische Juristen-Zeitung, Jg. 7 (1986), S. 119–124.
- Franz Gschnitzer, Christoph Faistenberger: Österreichisches Familienrecht, Wien 21979.
Zitierweise
<<Autor>>, «Familienrecht», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 7.2.2025.