Fastentücher

Autor: Reiner Sörries | Stand: 31.12.2011

Seit dem Hochmittelalter verhüllten Fastentücher während der Passionszeit (→ Kirchenjahr) den Altarraum oder einzelne Altäre und entzogen den Gläubigen den Blick auf den Vollzug der hl. Messe. Gleichsam als Ersatz boten sie der versammelten Gemeinde einen Blick auf die bildlich dargestellte Heilsgeschichte des Alten und Neuen Testamentes.

Das frühbarocke Fastentuch der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt in Bendern von 1612 ist eines der wenigen erhaltenen Fastentücher und zählt heute zu den herausragenden Stücken im Liechtensteinischen Landesmuseum. Ob es sich beim enthaltenen Monogramm «IGC» um jenes des Feldkircher Malers Johann Georg Clessin (* um 1580, † vor 1619) handelt, ist ungeklärt. Das 1947 wiederentdeckte Tuch umfasst auf 29,6 m2 (6,3 × 4,7 m) 24 Bildfelder, die in vier Reihen zu je sechs von Säulen gegliederten Szenen angeordnet sind. Die oberste Reihe schildert Szenen von der Schöpfung bis zur Aufrichtung der ehernen Schlange durch Mose, in den folgenden Registern wird die Geschichte Jesu dargestellt, die mit Himmelfahrt, Pfingsten und dem Weltgericht endet. Damit zählt das Benderer Fastentuch zum sogenannten Felder-Typ dieser Gattung, der im Alpenraum zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert weitverbreitet war. Derartige Fastentücher erreichten bis zu 100 Felder (Gurk/Kärnten) und eine Grösse von bis zu 120 m2 (Freiburg i.Br.).

Seit dem 17. Jahrhundert verringerte sich das Format der Fastentücher, die dann nicht mehr den Altarraum, sondern nur noch die Altäre verhüllten, weshalb statt des einen grossen Tuchs Fastentuchfolgen für die einzelnen Altäre entstanden. Diesen jüngeren Typ repräsentiert die aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammende Fastentuchfolge aus Balzers mit den Szenen «Geisselung», «Dornenkrönung» und «Vesperbild»; sie befindet sich ebenfalls im Landesmuseum.

Literatur

  • Reiner Sörries: Der Stand der Fastentuchforschung 1998, in: 525 Jahre Grosses Zittauer Fastentuch – und wie weiter? Internationales wissenschaftliches Symposium, Althörnitz, 3. und 4. Mai 1997, hg. im Auftrag des Zittauer Geschichts- und Museumsvereins e.V. durch Dietmar Damzog et al., Görlitz 2000, S. 36–69.
  • Das Fastentuch von Bendern 1612, hg. von Norbert W. Hasler im Auftrag der Gemeinde Gamprin-Bendern und des Liechtensteinischen Landesmuseums aus Anlass des Jubliäums 300 Jahre Liechtensteiner Unterland 1999, mit Textbeiträgen von Doris Klee, Fridolin Marxer, Reiner Sörries und Norbert W. Hasler, Vaduz 1999.
  • Reiner Sörries: Die Fastentücher von Balzers, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 90 (1991), S. 369–384.
  • Reiner Sörries: Die alpenländischen Fastentücher. Vergessene Zeugnisse volkstümlicher Frömmigkeit, Klagenfurt 1988 (zugleich Habilitationsschrift Nürnberg, 1986).

Zitierweise

<<Autor>>, «Fastentücher», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 21.6.2025.

Medien

Das barocke Fastentuch von Bendern (Bildarchiv Liechtensteinisches LandesMuseum, Foto: Sven Beham).
Das Benderer Fastentuch von 1612 vor dem Chorbogen der Benderer Pfarrkirche. Fotografie um 1900 (Bildarchiv Liechtensteinisches LandesMuseum).