
Frauenbewegung
Autorin: Julia Frick | Stand: 16.9.2024
Eine Frauenbewegung im Sinne des organisatorischen Zusammenschlusses von Frauen zur Verbesserung ihrer gesellschaftlichen, politischen und zivilrechtlichen Stellung entstand in Liechtenstein erst Ende der 1960er-Jahre. Dies war im Vergleich zu den Nachbarstaaten Schweiz, Österreich und Deutschland relativ spät, wo die Anfänge der organisierten Frauenbewegung bereits im 19. Jahrhundert lagen.
In einer ersten Phase konzentrierte sich die Frauenbewegung in Liechtenstein auf die Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts: Die erste Gruppierung, das Komitee für das Frauenstimmrecht (1969–1972), versuchte bewusst, nicht kämpferisch aufzutreten, und löste sich nach der Abstimmungsniederlage von 1971 auf. Als Reaktion darauf bildete sich die Arbeitsgruppe für die Frau (1971–1986). Sie thematisierte auch andere frauenspezifische Themen, wie Mutterschaft oder Schwangerschaftsabbruch, und gilt als Vorreiterin der politischen Frauenbewegung nach 1984. Die Aktion Dornröschen (1981–84) trug unter anderem durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit wesentlich zur Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts bei. 1982 entstanden in den damaligen beiden Landesparteien Frauensektionen, die Frauen-Union (FU) und die Frauen in der FBP, die innerhalb der Partei für Frauenanliegen zuständig waren.
Nach der Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts 1984 bildete sich eine Vielzahl neuer Gruppierungen, die sich mit der Gleichberechtigung im gesellschaftlichen Bereich, mit der zivilrechtlichen Stellung und der Gleichstellung in der Gesetzgebung auseinandersetzten: 1984 der Verein Bildungsarbeit für Frauen (aufgelöst 2007), 1986 die infra, 1989 der Liechtensteinische Tagesmütterverein (seit 1994 Eltern-Kind-Forum) und 1989 der Verein Kindertagesstätten (Kitafl) (→ Kinderbetreuung, ausserhäusliche), 1990 das Frauenhaus, 1997 die Sektion Frauen innerhalb des Liechtensteinischen ArbeitnehmerInnenverbandes (LANV) (aufgelöst 2021), 2004 die Frauen in guter Verfassung, 2017 der Verein Hoi Quote (aufgelöst 2021).
Auf Initiative des Gleichstellungsbüros (ab 2005 Stabsstelle für Chancengleichheit) arbeiteten die verschiedenen Gruppierungen ab 1997 teilweise zusammen. Dieses seit 2000 als «Frauennetz» bezeichnete Netzwerk bestand 2008 aus 18 Organisationen, darunter Vertreterinnen der Parteien und des Staates. Infolge der Auflösung der Stabsstelle für Chancengleichheit und der Neustrukturierung ihrer Aufgaben zwischen dem Fachbereich Chancengleichheit im Amt für Soziale Dienste und dem Verein für Menschenrechte (gegründet 2016) wurde das Frauennetz Liechtenstein 2016 als Verein organisiert (2024: 12 Mitglieder). Seit 1998 organisierte das Frauennetz z.B. den Internationalen Tag der Frau in Liechtenstein, führte 1999 den ersten liechtensteinischen Frauenkongress durch, veranstaltete 2004 das Jubiläum «20 Jahre Frauenstimmrecht» und initiierte 2018 das Projekt «Vielfalt in der Politik» zur Erreichung einer paritätischen Vertretung von Frauen in politischen Gremien. Ziel der gemeinsamen Veranstaltungen und Projekte des Frauennetzes ist es, mehr Öffentlichkeit und ein stärkeres Gewicht zu erhalten sowie die Tätigkeiten der einzelnen Organisationen besser bekannt zu machen.
Die Vielfalt der Frauenorganisationen deckt eine breite Palette zur Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau ab: Bildung, Politik, Beruf, Vereinbarkeit von Familie und Erwerb, Unterstützung von Familien, Beratung für verschiedenste Lebensbereiche und Rechtsberatung für Frauen, Gewalt gegen Frauen sowie Unterstützung und Förderung von Frauen.
2018 entstand unter der Trägerschaft des Vereins Frauen in guter Verfassung das Projekt «Frauenarchiv Liechtenstein» mit dem Ziel, sämtliche noch nicht archivierten Quellen zur zivilen Frauenrechtsbewegung in Liechtenstein zu sammeln und katalogisiert dem Liechtensteinischen Landesarchiv zu übergeben.
Archive
Literatur
- Vom halben zum ganzen Stimmvolk. 40 Jahre Frauenstimmrecht in Liechtenstein. Ausstellung im Liechtensteinischen Landesmuseum vom 2. Juli 2024 – 26. Januar 2025, hg. vom Liechtensteinischen Landesmuseum, Vaduz 2024.
- Claudia K. Lanter: Aufgewacht! Der dornige Weg zum Frauenwahlrecht in Liechtenstein, Triesen 2022.
- Christel Hilti-Kaufmann: Öffentlichkeit – auch für Frauen? Die liechtensteinischen Frauenvereine und Frauenorganisationen, in: Inventur. Zur Situation der Frauen in Liechtenstein, hg. vom Frauenprojekt Liechtenstein, Bern/Dortmund 1994, S. 146–161.
Externe Links
- Eintrag Frauennetz Liechtenstein auf Frauenarchiv.li.
Zitierweise
<<Autor>>, «Frauenbewegung», Stand: 16.9.2024, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 8.2.2025.