Friedhof

Autor: Reiner Sörries | Stand: 31.12.2011

Gräber und Friedhöfe mit ihren anthropologischen Befunden und ihrer Grabausstattung zählen auch in Liechtenstein zu den wichtigsten Geschichtsquellen. Auf seinem Territorium sind bisher mindestens 35 Bestattungsplätze archäologisch untersucht worden. Von prähistorischen Einzelfunden abgesehen, die bis ins Neolithikum reichen, datieren die ältesten Funde aus der Bronze- und Eisenzeit. Gräberfelder fanden sich u.a. auf dem Runden Büchel (Balzers). Es handelt sich um Brandbestattungen mit Grabbeigaben für die Verstorbenen im Jenseits. Seit spätrömischer und frühmittelalterlicher Zeit finden sich stattdessen Körpergräber mit der Tendenz zur Ostung und Beigabenlosigkeit. Anthropologische Untersuchungen der bestatteten Individuen lassen erkennen, dass sich die Bevölkerung zur Zeit der Entstehung der Grafschaft Vaduz schwerpunktmässig aus Rätoromanen und Alemannen (→ Alamannenareale) sowie durchreisenden Fremden zusammensetzte.

Seit frühmittelalterlicher Zeit orientieren sich das Friedhofswesen und die Einstellung zum Tod am christlich-katholischen Glauben. Die Friedhöfe sind in der Regel um die Kirche herum angelegt und ihr Unterhalt war zu einer Aufgabe der Gemeinde geworden. Während in anderen europäischen Ländern im 19. Jahrhundert die Obrigkeit die Aufsicht über das Bestattungs- und Friedhofswesen übernahm, verbleibt sie im Fürstentum bei der Kirche. Lediglich in Teilbereichen griff der Staat bereits im 17. Jahrhundert regulierend ein und unterband etwa im Landsbrauch von 1667 ausuferndes Verhalten bei Totenwache und Leichenmahl. In den Polizeiordnungen von 1843 bzw. 1861 wurde die gesetzliche Totbeschau eingeführt. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts galt das Bestattungs- und Friedhofswesen als kirchlich und traditionell. Da die katholische Kirche als «Landeskirche» einen privilegierten Status (noch) geniesst, war bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil 1963 die Feuerbestattung in Liechtenstein nicht zulässig. Im Gegensatz dazu wird heute die Kremation durch die öffentliche Hand gefördert. Da das Land keine eigenen Krematorien besitzt, werden die Feuerbestattungen in Chur oder in St. Gallen durchgeführt. Ihr Anteil hat innerhalb von einem halben Jahrhundert 70 % erreicht und auch das Bild der Friedhöfe verändert. So gibt es mittlerweile auch Urnengemeinschaftsgräber, die von der Friedhofsverwaltung gepflegt werden. Insgesamt ist das Friedhofswesen mit dem der Schweiz vergleichbar. So werden die Kosten für die Grabstelle, das Graböffnen und die Trägerdienste aus öffentlichen Mitteln bezahlt, und lediglich die individuellen, über ein Bestattungsinstitut zu organisierenden Wünsche müssen von den Angehörigen finanziert werden. Es gibt keinen Friedhofszwang, und die Urne kann auch zuhause aufbewahrt oder in einen Friedwald in der Schweiz überführt werden.

Es gibt derzeit elf Friedhöfe, auf denen strenge Reglemente etwa hinsichtlich der Grabgestaltung gelten. War die Bestattung der Verstorbenen der seit etwa 1880 anwachsenden evangelischen Bevölkerung zunächst verboten und musste in Sevelen in der Schweiz durchgeführt werden, so stehen die Friedhöfe heute jedem Einwohner ohne Ansehen der Person zur Verfügung. In jüngster Zeit mehrt sich das Bedürfnis, einen eigenen Friedhof für die muslimische Bevölkerung anzulegen. Auch darin spiegeln sich die Geschichte und die Entwicklung des modernen Liechtenstein

Literatur

H.F. Etter: Leben und Sterben in der Grafschaft Vaduz, in: Zeugen, 1992, 276–285; J. Büchel: Friedhof, in: 125 Jahre Pfarrei Ruggell, 2002, 284–297.

Zitierweise

<<Autor>>, «Friedhof», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 9.2.2025.

Medien

Totengräber heben auf dem Friedhof Mauren ein Grab aus, 1930er Jahre (Fotosammlung Tschugmell, GAM). Mit der Schaufel Otto Ruther, im Grab der Messmer Matthäus Schreiber.