Genealogie

Autor: Paul Vogt | Stand: 31.12.2011

Die Genealogie befasst sich mit der Erforschung der Vorfahren bzw. Nachkommen einer Person (umgangssprachlich Familien- oder Ahnenforschung). Seit dem Spätmittelalter diente sie im Adel dem Nachweis der Abstammungsverhältnisse. Mit einem adeligen Stammbaum war ein bestimmter Status verbunden, der nicht nur bei Erbfällen, sondern auch für den Zugang zu bestimmten Ämtern oder die Aufnahme in adelige Stifte wichtig war. Seit der Entwicklung der Genealogie als Wissenschaft untersuchten Mediävisten die Abfolge der Herrscher (Regententafeln). Im 19. und 20. Jahrhundert erfasste auch viele bürgerliche Familien ein genealogisches Interesse an der Erforschung ihrer Vorfahren. Die Darstellung der Forschungsergebnisse erfolgt in Tafel- oder in Listenform. Werden ausgehend von einer Person die Vorfahren rückwärts (d.h. aufsteigend) dargestellt, spricht man von einer Aszendenztafel, werden hingegen die Nachkommen absteigend dargestellt, von einer Deszendenztafel.

Wichtigste Quellen sind neben mittelalterlichen Urkunden seit dem 17. Jahrhundert die Kirchenbücher (Tauf-, Ehe-, Sterberegister), Jahrzeitbücher (→ Jahrzeit), Testamente, Gerichtsprotokolle und Verträge. Dazu kommen in Liechtenstein seit 1808 die Erbabhandlungsakten und seit 1878 die staatlichen Zivilstandsregister, die bis zur Schaffung eines zentralen Zivilstandsamts (1974) von den Pfarrern geführt wurden (→ Zivilstandswesen). In den Familienbüchern (ca. 1850– 1950) wurden die Familienmitglieder nach Gemeinden und Hausnummern zusammengestellt.

Bis nach dem Ersten Weltkrieg erlangte die Genealogie in Liechtenstein keine grosse Bedeutung, da die verwandtschaftlichen Verhältnisse übersichtlich waren. Bei amtlichen Handlungen waren nur selten Nachforschungen nötig. Vor allem dank der akribischen Arbeit von Fridolin Tschugmell entwickelte sich die Genealogie in Liechtenstein ab 1930 zum wahrscheinlich populärsten historischen Forschungsbereich. 1930–70 erstellte Tschugmell für fast alle liechtensteinischen Gemeinden (ausser Eschen und Triesenberg) Ortsfamilienbücher, wobei er nicht nur Tauf- und Todesdaten erfasste, sondern auch Ehen und, soweit bekannt, Berufe, politische Funktionen oder Auswanderungen. Zur Darstellung wählte er eine kompakte Listenform. Für Triesenberg erstellte Engelbert Bucher ein umfassendes Ortsfamilienbuch, für Eschen Adolf Meier und Jürgen Schindler. Die Arbeiten von Tschugmell bildeten die Basis für die Publikation von Ortsfamilienbüchern in Mauren (Adolf Marxer), Schaan (Manfred Wanger), Ruggell (Josef Spalt und Paul Büchel), Gamprin (Georg Näscher), Triesen (Anton Banzer) und Vaduz (Mathias Ospelt). In einzelnen Gemeinden begnügte man sich vorerst mit der Angabe des Mannesstamms, was bald als schweres Manko empfunden wurde; diese Familienbücher mussten ergänzt werden. Die Aufträge für diese Arbeiten wurden von den Gemeinden vergeben; Tschugmell erhielt von der Regierung eine geringe Entschädigung. Die «Stammtafel des Fürstenhauses von und zu Liechtenstein» wurde seit dem 19. Jahrhundert mehrfach publiziert, zuletzt von Gustav Wilhelm (1980) und Samuel C. Dotson (2003).

Seit den 1980er Jahren werden auch in Liechtenstein teilweise Computerprogramme für die Genealogie eingesetzt. Das Datenschutzgesetz von 2002 behindert die genealogische Forschung, da den Gemeinden ein expliziter gesetzlicher Auftrag zur Bearbeitung solcher Daten fehlt und sich Betroffene gegen die Publikation ihrer Daten wehren können. Grundsätzlich ist das Interesse in den Gemeinden aber nach wie vor gross.

Literatur

  • Familienbuch Planken, Reaktion: Rainer Beck et al., Planken 2010.
  • David Eberle: Genealogie – die Suche nach den Ahnen, in: Balzner Neujahrsblätter 2008, Jg. 14 (2008), S. 53–58.
  • Samuel C. Dotson: Genealogie des Fürstlichen Hauses Liechtenstein seit Hartmann II. (1544–1585), Falköping 2003.
  • Mathias Ospelt: Vaduzer Familienchronik. Die alteingesessenen Bürgerfamilien von Vaduz, 9 Bände und Register, hg. von der Gemeinde Vaduz, Vaduz 2002–2005.
  • Familienstammbuch Mauren, 4 Bände, hg. von der Gemeinde Mauren, Mauren 2004.
  • Anton Banzer: Triesner Familienbuch. Die alteingesessenen Bürgerfamilien von Triesen, 6 Bände, hg. von der Gemeinde Triesen, Triesen 2001.
  • Eschner Familienbuch, 2 Bände, hg. von der Gemeinde Eschen, Eschen 1997.
  • Josef Spalt: Stammtafeln der Bürgerfamilien von Ruggell, hg. von der Gemeinde Ruggell, Ruggell 1990.
  • Manfred Wanger: Stammtafeln der Bürgerfamilien von Schaan, hg. von der Gemeinde Schaan, Schaan 1989.
  • Engelbert Bucher: Familienchronik der Walsergemeinde Triesenberg 1650-1984, 9 Bände, 1986–88.
  • Gustav Wilhelm: Stammtafel des fürstlichen Hauses von und zu Liechtenstein, Vaduz 1980.
  • Fridolin Tschugmell: Familienbuch Triesen 1640-1977, Triesen 1978.
  • Fridolin Tschugmell: Die Stämme der Schellenberger Geschlechter 1650–1976, hg. von der Gemeinde Schellenberg, Schellenberg 1977.
  • Fridolin Tschugmell: Familien-Buch Planka 1610-1960, Triesen 1972.
  • Fridolin Tschugmell: Familienbuch Balzers 1416–1950, Balzers 1966.
  • Fridolin Tschugmell: Familienbuch Schaan 1550–1950, Triesen 1955.
  • Fridolin Tschugmell: Familienbuch Vaduz 1550-1950, Vaduz 1955.

Zitierweise

<<Autor>>, «Genealogie», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 10.2.2025.