
Grundherrschaft
Autor: Alois Niederstätter | Stand: 31.12.2011
In der ursprünglichen Form ist Grundherrschaft die Herrschaft über Menschen, die auf dem Grund und Boden eines geistlichen oder weltlichen Herrn ansässig sind, oft verbunden mit Gerichtsrechten und verschiedenen Formen der persönlichen Abhängigkeit. Während im Früh- und Hochmittelalter die Meierhofwirtschaft (Villikationsverfassung) mit zentralen Grosshöfen besondere Bedeutung besass, dominierte später die Rentengrundherrschaft, bei der die Güter an Bauern zur eigenständigen Bewirtschaftung gegen jährliche Natural- und/oder Geldleistungen (Grundzins) ausgegeben wurden. Bei der seit dem Spätmittelalter zunehmenden Erbleihe konnte das Gut vererbt und veräussert werden, sodass die Grundherrschaft auf eine reine Zinspflicht beschränkt wurde (→ Lehen). Dafür erhielt der Grundherr neben dem jährlichen Zins den «Ehrschatz» (laudemium) als Gebühr bei jedem Besitzwechsel. Die Inhaber von Schupf- oder Schublehen mussten hingegen ihre Leihegüter nicht nur bei nachlässiger Bewirtschaftung, Zinssäumigkeit, sondern auch beim Ablauf der Leihefrist räumen. Als Relikte mittelalterlicher Grundherrschaft bestanden in Liechtenstein bis ins 19. Jahrhundert die Besitzungen des Erzhauses Österreich in Balzers (ehemalige Grundherrschaft der Burg Gutenberg), des Churer Klosters St. Luzi in Bendern, des Klosters St. Johann im Thurtal in Vaduz und Mauren, der Johanniterkommende (später Benediktinerpriorat) Feldkirch in Mauren, Schaan und Eschen und des Klosters Pfäfers in Eschen. Grösster Grundherr war die Landesherrschaft, die seit dem Spätmittelalter konkurrierende Grundherrschaften zurückgedrängt bzw. verdrängt hatte. Ihre Güter erreichten zu Beginn des 19. Jahrhunderts beinahe den Umfang aller anderen Grundherrschaften zusammen. Die Ablösung der auf der Grundherrschaft beruhenden Verpflichtungen (→ Feudallasten) und damit zusammenhängend der Übergang des Bodens in den Besitz der Bauern erfolgte im Wesentlichen zwischen 1816 und ca. 1870 (→ Bauernbefreiung).
Literatur
- Sebastian Grüninger: Grundherrschaft im frühmittelalterlichen Churrätien. Ländliche Herrschaftsformen, Personenverbände und Wirtschaftsstrukturen zwischen Forschungsmodellen und regionaler Quellenbasis, Chur 2006.
- Werner Rösener et al.: Grundherrschaft, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 4 (1989), Sp. 1739–1752.
- Die Grundherrschaft im späten Mittelalter, 2 Bände, hg. von Hans Patze, Sigmaringen 1983.
- Alois Ospelt: Wirtschaftsgeschichte des Fürstentums Liechtenstein im 19. Jahrhundert. Von den napoleonischen Kriegen bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 72 (1972), S. 5–423, hier S. 86–98.
- Hans K. Schulze: Grundgerrschaft, in: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 1 (1971), Sp. 1824–1842.
Von der Redaktion nachträglich ergänzt
- Werner Rösener: Grundherrschaft, in: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Bd. 2 (2012), Sp. 581-589.
Zitierweise
<<Autor>>, «Grundherrschaft», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <https://historisches-lexikon.li/Grundherrschaft>, abgerufen am 9.2.2025.