
Gutenberg (Lyzeum, Bildungshaus)
Autor: Eduard Mäder | Stand: 31.12.2011
Gemeinde Balzers, 486 m ü.M. Im Sattel auf dem südlichen Ausläufer des Burghügels entstand 1854–56 auf Initiative des Priesters Jakob Josef Jauch und im Auftrag von Fürstin Franziska von Liechtenstein auf einer Plattform aus ummauerten, z.T. aus dem Fels gebrochenen Gewölben ein dreistöckiger, klassizistischer Bau. Die darin geplante Erziehungsanstalt wurde allerdings nicht eingerichtet und in der Folge stand das von der Bevölkerung bald «Schloss» genannte Gebäude mehrere Jahre leer. Der zugehörige Grund, inklusive Burghügel und Ruine, ging erst bei Baubeginn von der Gemeinde in den Besitz des Fürstenhauses über. Pläne zum Ausbau des Hauses zu einer fürstlichen Residenz zerschlugen sich, wohl aus Kostengründen. Das mittlere Stockwerk wurde zur Absteige für den Fürsten eingerichtet, die unteren dienten nach der Neubepflanzung des Burghügels mit Reben und der Errichtung eines Torkelgebäudes (1865) als Weinschenke. 1873 verpachtete Fürst Johann II. das Haus an den Orden der Schwestern der Christlichen Liebe. Die 12–15 Schwestern führten ab 1873 eine höhere Töchterschule, waren aber auch karitativ tätig. 1890 errichteten sie ein kleines, 1896 ein grösseres Haus («Schulhaus»). Der Erste Weltkrieg und seine Folgen zwangen die Schwestern 1918 zur Einstellung des Schulbetriebs und 1920 zur Aufgabe ihrer Einrichtung auf Gutenberg. 1920 pachteten die Anbeterinnen des Blutes Christi Gutenberg von Fürst Johann II. und richteten ein Noviziat ein. 1922 erwarben sie die restlichen Gebäude von ihren Vorgängerinnen. Pläne zur Einrichtung eines Waisenhauses und später einer Mädchenrealschule scheiterten. Die etwa zehn Schwestern umfassende Gemeinschaft nahm Gäste in Pension, unterrichtete Mädchen in Haushaltung (deshalb wurde Gutenberg auch «Institut» genannt) und widmete sich der Krankenpflege. 1924 verkaufte Fürst Johann II. das Gebäude an die Gemeinde Balzers mit der Auflage, den Schwestern den weiteren Verbleib zu ermöglichen. Sie zogen 1935 nach Schaan.
Am 4.1.1935 kaufte die Kongregation der Missionare Unserer Lieben Frau von La Salette von der Gemeinde und von den Schwestern vom Kostbaren Blut die Liegenschaft Gutenberg, fortan «Missionshaus Gutenberg» genannt. Sie richtete 1935 zur Erweiterung ihres Gymnasiums Untere Waid in Mörschwil (SG), das sie 1939 wegen der unsicheren politischen Lage wieder aufhob, ein Progymnasium ein. 1940–41 und 1945–52 diente Gutenberg als Noviziatshaus der schweizerischen Provinz der Salettiner. 1941–45 beherbergte es aus Feldkirch vertriebene Jesuiten. Für die Bewirtschaftung des Areals waren hauseigene Kräfte, für den Haushalt 1946–82 Franziskanerinnen aus Gaissau (Vorarlberg) tätig. Unter P. Johann Wild (1913–1996) wurde Gutenberg 1952 Sitz der Provinzleitung der Salettiner. 1954 beschloss das Provinzkapitel, das Untergymnasium in Mörschwil mit eigenen Lehrkräften zum Vollgymnasium auszubauen. Die zwei letzten Klassen sollten in Gutenberg unterrichtet werden. Die liechtensteinische Regierung entsprach dem Ersuchen um eine eigene Matura für die Schule in Balzers und bestellte eine Maturakommission. 1954 wurde die Schule als «Lyzeum Gutenberg» eröffnet. Mit wenigen Ausnahmen kamen die aus Liechtenstein, der Schweiz und Deutschland stammenden Schüler vom Internat in Mörschwil. Fünf bis sieben Patres, einer als Spiritual, unterrichteten und betreuten die etwa 20 Schüler der 7. und 8. Gymnasialklasse. Der familiäre Internatsbetrieb erlaubte manche ausserschulische Tätigkeiten (Theater, Musik, Kulturreisen und anderes). Auch in die Balzner Bevölkerung war die Schule gut integriert. 1963–64 wurde mit finanzieller Unterstützung des Landes Liechtenstein das bestehende Hauptgebäude um einen zweistöckigen Schulbau und eine freistehende Kapelle erweitert. Das vordringliche Ziel, die generelle Anerkennung der Maturaausweise nichtliechtensteinischer Schüler durch ausländische Universitäten konnte aber nicht erreicht werden. Daher ging man auf das Angebot der Pallottinerpatres ein, die obersten Klassen gemeinsam mit ihnen in ihrem Gymnasium Friedberg in Gossau (SG) zur Matura zu führen und schloss 1973 das Lyzeum. Insgesamt bestanden 1956–73 139 Schüler, 16 von ihnen Liechtensteiner, auf Gutenberg die Matura.
Als «Bildungshaus Gutenberg» wurde das Haus ab 1973 in den Dienst der Öffentlichkeit gestellt und diente der Fortbildung v.a. Erwachsener in einem weiten christlichen Rahmen. Einige Räume wurden von Jugendgruppen genutzt. Anfang der 1980er Jahre beschloss die Salettinerprovinz, vorhandene personelle und materielle Kräfte zu bündeln. Gutenberg sollte als Schwerpunkt umgestaltet werden. Die Finanzierung der Um- und Neubauten erfolgte zur Hälfte durch die Kongregation, zur anderen durch Beiträge der öffentlichen Hand, der Kirche und privater Spender. Ab Januar 1984 wurden alle Gebäude renoviert, umgebaut oder, so das 1896 errichtete «Schulhaus», abgerissen und neu aufgebaut. Unter dem Motto «Mitte finden – Versöhnung leben» wurde das am 21.9.1985 neu eröffnete Gutenberg unter der Leitung von Salettinerpatres Begegnungs- und Bildungsstätte für Jugendliche und Erwachsene.
Der 1990 gegründete Verein der Freunde des Hauses Gutenberg unterstützt das Bildungshaus in ideeller und finanzieller Weise. Am 21.3.2004 errichtete die Salettinergemeinschaft mit verstärkter Unterstützung durch das Land Liechtenstein und die Gemeinde Balzers die gemeinnützige «Stiftung Haus Gutenberg» und brachte – unter Vorbehalt eines Stockwerkeigentums für die Gemeinschaft – jene Teile der Liegenschaft in die Stiftung ein, die der Bildung dienen.
Literatur
- Emanuel Vogt: Mier z Balzers. Wie es früher bei uns war, Bd. 1: Lebensraum, Vaduz 1995, S. 59–72.
- Haus Gutenberg. Festschrift 50 Jahre Missionare von La Salette auf Gutenberg, Eröffnung Haus Gutenberg, hg. von Ludwig Zink, Jakob Bill, Norbert W. Hasler, Balzers 1985.
- Graham Martin: Das Bildungswesen des Fürstentums Liechtenstein. Nationale und internationale Elemente im Bildungssystem eines europäischen Kleinstaates, Zürich 1984.
Zitierweise
<<Autor>>, «Gutenberg (Lyzeum, Bildungshaus)», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 18.3.2025.