
Habsburg, von
Autor: Heinz Dopsch | Stand: 31.12.2011
Adelsgeschlecht. Bis zum Erlöschen im Mannesstamm (1740) zählten die Habsburger zu den ältesten Adelsgeschlechtern Europas. Über den «Stammvater» Guntram den Reichen (†973) führen Verbindungen zu den Etichonen, den frühmittelalterlichen Herzögen des Elsass. Um 1020 errichtete Bischof Werner von Strassburg am Zusammenfluss von Aare und Reuss («Eigen») die Habsburg (Habichtsburg), nach der sich das Geschlecht seit 1108 nannte. In enger Anlehnung an die Staufer konnten die Habsburger als Erben anderer schwäbischer Grafengeschlechter wie der Lenzburger, Kyburger, teilweise auch der Pfullendorfer und der Herzöge von Zähringen ihren Besitz bedeutend vermehren. Graf Rudolf IV. (I.), der sich erfolgreich um den Aufbau eines geschlossenen Herrschaftsbereichs bemühte, wurde 1273 zum römisch-deutschen König gewählt. Mit der Ermordung seines Sohns Albrecht I. (1308) und der Niederlage seines Enkels Friedrich des Schönen gegen Ludwig den Bayern (1322) büssten die Habsburger das deutsche Königtum für über ein Jahrhundert wieder ein. Durch die Erwerbung der Herzogtümer Österreich und Steiermark sowie der Mark Krain (1282), des Herzogtums Kärnten (1335) und der Grafschaft Tirol (1363) schufen sich die Habsburger eine wichtige Machtbasis im Südosten des Reichs («Erbländer»), die sie zielstrebig erweiterten (Karst, Inneristrien, Triest usw.). Der Ausbau ihrer Positionen in Schwaben und im Elsass erlitt hingegen durch schwere Niederlagen gegen die Schweizer Eidgenossenschaft (Morgarten 1315, Sempach 1386, Näfels 1388) empfindliche Rückschläge.
Mit Albrecht II. (1438–39), der seinem Schwiegervater Sigmund von Luxemburg nachfolgte, erlangten die Habsburger erneut das deutsche Königtum. Seit Friedrich III. (1440–93) stellten sie mit einer kurzen Unterbrechung (1740–65) die römisch-deutschen Kaiser bis zum Ende des römisch-deutschen Reichs 1806. Die Nachkommen aus der Ehe der Kaiserin Maria Theresia mit Franz Stephan von Lothringen führen den Namen Habsburg-Lothringen. Mit der Erwerbung Burgunds (ab 1477), Spaniens (1516) sowie Böhmens und Ungarns (1526) wurde das «Haus Österreich» (Casa d’Austria) zur Weltmacht. Seit der Teilung in eine spanische und eine österreichische Linie nach der Abdankung Kaiser Karls V. 1556 übernahm Letztere die Kaiserwürde und damit die Last der Türkenabwehr. Nach dem Tod Kaiser Karls VI., mit dem 1740 die Habsburger im Mannesstamm erloschen, ging das Kaisertum bis 1745 an den Wittelsbacher Karl VII. über und kam dann an Franz Stephan von Lothringen, den Gatten Maria Theresias, und dessen Nachkommen, die Habsburg-Lothringer. Kaiser Franz I., der 1806 auf Druck Napoleons die römisch-deutsche Kaiserkrone niederlegte, hatte bereits 1804 den Titel Kaiser von Österreich angenommen. Durch den «Ausgleich» mit Ungarn 1867 wurde aus dem Kaisertum Österreich die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn. Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs zerfiel die Habsburgermonarchie, Kaiser Karl I. ging 1918 ohne formell abzudanken ins Exil, Restaurationsversuche in Ungarn scheiterten.
Die Beziehungen der Habsburger zum Gebiet des heutigen Liechtenstein und zu den dort herrschenden Adelsgeschlechtern entwickelten sich auf zwei Ebenen: In den territorialen Auseinandersetzungen, v.a. zwischen den Habsburgern und der schweizerischen Eidgenossenschaft, waren die jeweiligen Herren von Vaduz und Schellenberg gezwungen, für eine Seite Partei zu ergreifen; meist standen sie im Lager der Habsburger. Als Könige und Kaiser versuchten die Habsburger, die jeweiligen Landesherren durch Dienst- und Gefolgschaftsverträge an sich zu binden. Dafür ermöglichten sie mit der Erteilung und Bestätigung wichtiger Sonderrechte und Privilegien die Entwicklung zum Fürstentum und souveränen Staat. Die Anerkennung der regierenden Fürsten von Liechtenstein als ebenbürtige Monarchen durch die Habsburger kam schliesslich in Ehen zwischen beiden Häusern zum Ausdruck.
Eine entscheidende Rolle spielten Burg und Herrschaft Gutenberg bei Balzers, die sich von 1309/14 bis 1824 im Besitz der Habsburger befanden. Mit Gutenberg besassen die Habsburger einen wichtigen Stützpunkt in der Grafschaft Vaduz, der immer wieder heftig umkämpft war. Im 14. Jahrhundert standen die Grafen von Werdenberg-Sargans-Vaduz meist im Lager der Habsburger, an die sie wiederholt durch Dienstverträge gebunden waren. 1351 und 1352 beteiligte sich Graf Hartmann III. (I.) von Werdenberg-Sargans-Vaduz an der Belagerung Zürichs durch Herzog Albrecht II. von Österreich.
Seit der Erwerbung Tirols durch Herzog Rudolf IV. von Österreich (1363) versuchten die Habsburger eine Verbindung von ihren Stammbesitzungen in Schwaben und der heutigen Schweiz nach Tirol herzustellen. Herzog Leopold III. von Österreich kaufte 1375 Herrschaft und Stadt Feldkirch von Graf Rudolf V. von Montfort-Feldkirch. Als Nachbarn griffen die Habsburger seitdem immer öfter in die Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Linien der Grafen von Montfort und von Werdenberg ein. So war Herzog Leopold IV. 1392–97 mit den Grafen von Werdenberg-Sargans-Vaduz gegen die Grafen von Werdenberg-Heiligenberg-Rheineck verbündet. Die Belehnung der beiden Brüder Hartmann IV. (II.) und Heinrich V. (I.) von Werdenberg-Sargans-Vaduz, die der deutsche König Wenzel aus dem Haus der Luxemburger 1396 vornahm, machte die Grafschaft Vaduz reichsunmittelbar und sollte die territorialpolitischen Interessen der Habsburger in diesem Gebiet, besonders am Eschnerberg, durchkreuzen. Der stark verschuldete Hartmann IV. (II.) von Werdenberg-Sargans-Vaduz fiel 1404 in die Gefangenschaft Herzog Friedrichs IV. von Österreich-Tirol. Trotzdem trat er im folgenden Jahr nicht dem Bund ob dem See (→ Appenzellerkrieg) bei, sondern verbündete sich mit den Habsburgern. Als jedoch Herzog Friedrich IV. wegen seiner Beteiligung an der Flucht Papst Johannes XXIII. vom Konstanzer Konzil 1415 geächtet wurde, trat Hartmann IV. (II.) auf die Seite König Sigmunds und beteiligte sich an der Vollstreckung der Reichsacht.
Auch die Freiherren von Brandis waren Parteigänger der Habsburger; Wolfhart V. erscheint 1429 als österreichischer Rat und Diener. Im Streit um das Toggenburger Erbe war er mit Herzog Friedrich IV. verbündet. König Albrecht II. vermittelte 1439 den Frieden, mit dem die Herrschaft Maienfeld an Wolfhart kam. Er bestätigte die von König Sigmund 1430 verliehenen Brandisischen Freiheiten, so wie nach ihm noch Kaiser Friedrich III. 1492 und König Maximilian I. 1507. Im Alten Zürichkrieg standen Wolfhart und seine Söhne auf der Seite der Habsburger, erlitten aber 1446 in der Schlacht bei Ragaz eine Niederlage gegen die Eidgenossen. 1460 kämpften Wolfharts Söhne im Bund mit Herzog Sigmund von Österreich erneut gegen die Schweizer, die Vaduz und Schaan plünderten. 1505 schloss Freiherr Ludwig von Brandis mit König Maximilian I. einen Vertrag über die gemeinsame Landesverteidigung, der die Offenhaltung der Burg Vaduz für den König vorsah.
Enge Beziehungen zum Haus Habsburg unterhielten auch die Grafen von Sulz. Der Vertrag zur Offenhaltung der Burg Vaduz wurde 1523 zwischen Graf Rudolf V. von Sulz und Erzherzog Ferdinand I. von Österreich erneuert. Als 1525 Georg Pergant von Balzers an die Spitze eines Bauernaufstands trat, wandte sich Graf Rudolf an Kaiser Karl V., der den Aufruhr durch einen Abgesandten schlichten liess. 1534 ernannte König Ferdinand I. Graf Rudolf zum Statthalter in Innsbruck. Kaiser Maximilian II. bestellte 1572 Vormünder für Rudolf VII. und Karl Ludwig, die Söhne des Grafen Alwig IX. von Sulz, und bestätigte diesen die Privilegien ihrer Vorfahren. Graf Karl Ludwig von Sulz (†1616) avancierte in Prag bei Kaiser Rudolf II. zum Obersthofmarschall und Präsidenten des Hofkriegsrats.
Unter den Grafen von Hohenems als Verbündeten der Habsburger waren Vaduz und Schellenberg im Dreissigjährigen Krieg von wiederholten Truppendurchzügen und Plünderungen betroffen. Nach dem Kriegsende 1648 sahen sich die Habsburger angesichts der enormen Verschuldung und der zerstörerischen Politik der Grafen von Hohenems wiederholt zum Eingreifen gezwungen: Kaiser Leopold I. schlichtete nach dem Tod des Grafen Franz Wilhelm I. 1662 Erbstreitigkeiten und bestellte Vormünder für die minderjährigen Söhne. Wegen der Misswirtschaft der Grafen von Hohenems setzte er in Vaduz-Schellenberg 1681 und 1692 kaiserliche Kommissionen ein (→ kaiserliche Administration).
Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein, der 1699 die Herrschaft Schellenberg und 1712 die Grafschaft Vaduz von den Hohenemsern kaufte, stand so wie die meisten Mitglieder des Hauses Liechtenstein in den Diensten der Habsburger. Fürst Anton Florian, der 1718 Vaduz und Schellenberg im Tausch gegen die Herrschaft Rumburg erwarb, war der Erzieher Kaiser Karls VI., brachte es zum Oberststallmeister, Obersthofmeister und 1711 zum Vorsitzenden des Staatsrats. Er erlangte 1713 für sein Haus Sitz und Stimme im Reichsfürstenrat. Am 23.1.1719 erhob Kaiser Karl VI. Vaduz und Schellenberg zum Reichsfürstentum Liechtenstein. Durch die enge Bindung des Hauses Liechtenstein an die Habsburger wurde Liechtenstein ab 1794 in die Koalitionskriege hineingezogen. Die in der Mitgliedschaft im Rheinbund (1806–13) begründete und auf dem Wiener Kongress anerkannte Souveränität Liechtensteins hatte zur Folge, dass die Habsburger dem Haus Liechtenstein bei Hof eine Position einräumten, die zwar nach dem Erzhaus Österreich, aber vor der übrigen Hocharistokratie lag. Äussere Zeichen dafür waren die Verleihung des Ordens vom Goldenen Vlies, der höchsten Auszeichnung, die das Kaiserhaus zu vergeben hatte, an zahlreiche Mitglieder des Hauses Liechtenstein. Prinz Alois von Liechtenstein heiratete 1903 Erzherzogin Elisabeth Amalie, die Nichte Kaiser Franz Josefs und Schwester des Thronfolgers Franz Ferdinand. Der Kaiser selbst, Taufpate des späteren Fürsten Franz Josef II., bestand damals auf einer Betonung der Souveränität des Hauses Liechtenstein und der liechtensteinischen Staatsbürgerschaft. Gemäss der Landständischen Verfassung von 1818 konnte der Kaiser von Österreich als Besitzer von Gutenberg bis zum Verkauf 1824 einen Vertreter zum liechtensteinischen Landtag entsenden, meist einen Beamten aus Feldkirch, der als Abgesandter des Kaisers den ersten Rang unter den Abgeordneten einnahm.
Auch die jüngeren Linien der Familie Liechtenstein machten bis 1918 fast durchweg als Militärs Karriere im Dienst der Habsburger. Im Ersten Weltkrieg blieb das Haus Liechtenstein trotz der engen Bindung an die Habsburger neutral. Mit dem Ende der Monarchie ging auch der Habsburgerhof in Wien, der für viele Mitglieder des Hauses Liechtenstein den Lebensmittelpunkt gebildet hatte, unter. Der k.k. Linienschiffskapitän Prinz Johannes von Liechtenstein (1873–1959) zählte zu den aktivsten Vorkämpfern einer Restauration der Habsburger.
Die enge Verbindung zwischen den Habsburgern und dem Haus Liechtenstein besteht bis heute fort. Zeugnis dafür sind die fortgesetzte Verleihung des Ordens vom Goldenen Vlies an zahlreiche Vertreter des Hauses Liechtenstein und eine Reihe von Heiraten zwischen den beiden Häusern, darunter 1949 die Ehe des Prinzen Heinrich von Liechtenstein mit Elisabeth Charlotte, der Tochter Kaiser Karls I. und der Kaiserin Zita von Bourbon-Parma.
Quellen
- Liechtensteinisches Urkundenbuch, Teil I: Von den Anfängen bis zum Tod Bischof Hartmanns von Werdenberg-Sargans-Vaduz 1416, 6 Bände, bearb. von Franz Perret, Benedikt Bilgeri, Georg Malin und Otto P. Clavadetscher, Vaduz 1948–1996 (LUB I/1–6).
Literatur
- Karl-Friedrich Krieger: Die Habsburger im Mittelalter. Von Rudolf I. bis Friedrich III, Stuttgart 22004.
- Michael Erbe: Die Habsburger 1493–1918. Eine Dynastie im Reich und in Europa, Stuttgart 2000.
- Peter Kaiser: Geschichte des Fürstenthums Liechtenstein. Nebst Schilderungen aus Chur-Rätien’s Vorzeit, Chur 1847, neu hg. von Arthur Brunhart, Bd. 1: Text, Bd. 2: Apparat, Vaduz 1989.
- Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon, hg. von Brigitte Hamann, München 1988.
- Adam Wandruszka: Das Haus Habsburg. Die Geschichte einer europäischen Dynastie, Wien 61987.
- Michael Hörrmann: Fürst Anton Florian von Liechtenstein (1656–1721). Bedingungen und Grenzen adeliger Familienpolitik im Zeitalter Kaiser Karls VI., in: Liechtenstein – Fürstliches Haus und staatliche Ordnung. Geschichtliche Grundlagen und moderne Perspektiven, hg. von Volker Press und Dietmar Willoweit, Vaduz/München/Wien 1987, 21988, S. 189–209.
- Heinz Noflatscher: Liechtenstein, Tirol und die Eidgenossen, in: Liechtenstein – Fürstliches Haus und staatliche Ordnung. Geschichtliche Grundlagen und moderne Perspektiven, hg. von Volker Press und Dietmar Willoweit, Vaduz/München/Wien 1987, 21988, S. 129–162.
- Dieter Stievermann: Geschichte der Herrschaften Vaduz und Schellenberg zwischen Mittelalter und Neuzeit, in: Liechtenstein – Fürstliches Haus und staatliche Ordnung. Geschichtliche Grundlagen und moderne Perspektiven, hg. von Volker Press und Dietmar Willoweit, Vaduz/München/Wien 1987, 21988 S. 87–128.
- Volker Press: Das Haus Liechtenstein in der europäischen Geschichte, in: Liechtenstein - fürstliches Haus und staatliche Ordnung. Geschichtliche Grundlagen und moderne Perspektiven, Vaduz 1987, S. 15–85.
- Hermann Heller: Habsburg-Liechtenstein. Erinnerungs-Blätter an die Vermählungs-Feier Ihrer k. und k. Hoheit der Durchlauchtigsten Frau Erzherzogin Elisabeth Amalia mit Seiner Durchlaucht dem Fürsten Alois Maria Adolf von und zu Liechtenstein in Wien am 20. April 1903, Brünn 1903.
Zitierweise
<<Autor>>, «Habsburg, von», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 10.2.2025.