
Handarbeits- und Hauswirtschaftsunterricht
Autorin: Annette Bleyle | Stand: 31.12.2011
Im Handarbeitsunterricht werden textile Techniken (z.B. Nähen, Stricken, Weben) erlernt, in «Hauswirtschaft» die zur Führung eines Haushalts nötigen Fähigkeiten (z.B. Kochen, Ernährungslehre, Körper- und Wäschepflege). Entsprechend der geschlechterspezifischen Rollenbilder der Gesellschaft sollte der Handarbeits- und Hauswirtschaftsunterricht die Mädchen auf ihr Dasein als Hausfrauen (→ Mädchenbildung) vorbereiten, das «Werken» (Verarbeitung nichttextiler Materialien) die Jungen auf die Arbeit als Handwerker oder in der Industrie.
Landvogt Franz Xaver Menzinger regte 1802 an, nur verheiratete Lehrer einzustellen, denn deren Gattinnen könnten den Mädchen Handarbeitsunterricht erteilen. Geeignete Lehrkräfte für den Handarbeits- und Hauswirtschaftsunterricht standen in Liechtenstein erst ab 1846 zur Verfügung, als die Barmherzigen Schwestern des hl. Vinzenz von Paul in Zams (Zamser Schwestern) ihre Tätigkeit aufnahmen. In der Folge wurde an den Volksschulen das Fach «Weibliche Handarbeiten» geschaffen. An den gemäss Schulgesetz 1859 in allen Gemeinden gegründeten Industrieschulen wurden die Schülerinnen der Volks- und ab 1861 auch der Sonntagsschule (→ Fortbildungsschule) im Stricken, Nähen und Flicken unterrichtet. Das gegen Ende des 19. Jahrhunderts an den oberen Volksschulklassen eingeführte Fach «Haushaltskunde» ist erstmals im Lehrplan von 1922 erwähnt. Das Schulgesetz von 1929 zählte die «Handarbeit» zu den Pflichtfächern, den Haushaltsunterricht zum Stoff der Fortbildungsschule. Seit dem Schuljahr 1993/94 werden «Handarbeit», «Werken» (ab 1993 «textiles» bzw. «nichttextiles Werken», seit 1999 «Textiles und technisches Gestalten») und «Hauswirtschaft» (seit 1999 «Haushaltskunde») koedukativ unterrichtet.
Für die Erteilung des Unterrichts an der Industrieschule war keine formelle Fachausbildung nötig (Verordnung von 1861), die Lehrerin musste aber fachkundig, gut beleumdet und mindestens 20 Jahre alt sein. Der Handarbeits- und Hauswirtschaftsunterricht wurde bis in die 1960er Jahre fast ausschliesslich von Ordensschwestern erteilt: neben den Zamser Schwestern ab den 1860er Jahren von den Schwestern vom Kostbaren Blut sowie ab 1922 zudem von den Anbeterinnen des Blutes Christi. Fehlten Lehrschwestern, griff man auf einheimische Laienfrauen zurück, so schon im 19. Jahrhundert in Planken und Gamprin. Ab 1900 gab es eine amtliche Inspektorin für den Handarbeitsunterricht. Ab 1942 erteilte mit Berta Kölbener erstmals eine ausgebildete Laienfrau den Handarbeits- und Hauswirtschaftsunterricht.
Die Ausbildung zu Fachlehrerinnen für Handarbeits- und Hauswirtschaftsunterricht wurde meist an schweizerischen Lehrerseminaren oder in Feldkirch absolviert. 2003 liefen diese Ausbildungsgänge in der Schweiz aus. Der Handarbeits- und Hauswirtschaftsunterricht wird künftig von Lehrern, die auch andere Fächer unterrichten, erteilt, z.B. von Primarlehrern, welche eine Pädagogische Hochschule absolviert haben.
Quellen
- Rechenschaftsbericht der Regierung an den Hohen Landtag, Vaduz 1922– (diverse Titelvarianten); online ab Jahrgang 2005.
Literatur
- Patricia Büchel: Als eine Frau lesen lernte, trat die Frauenfrage in die Welt. Bildungssituation für Mädchen und Frauen in Liechtenstein, in: Inventur zur Situation der Frauen in Liechtenstein, hg. vom Frauenprojekt Liechtenstein, Bern/Dortmund 1994, S. 22–41.
- Graham Martin: Das Bildungswesen des Fürstentums Liechtenstein. Nationale und internationale Elemente im Bildungssystem eines europäischen Kleinstaates, Zürich 1984.
Zitierweise
<<Autor>>, «Handarbeits- und Hauswirtschaftsunterricht», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 10.2.2025.