Hausgesetz

Autor: Wilfried Marxer | Stand: 31.12.2011

Hausverträge und Familienstatuten des Hauses Liechtenstein existieren seit Anfang 14. Jahrhundert, seit dem 18. Jahrhundert auch Hausgesetze genannt. Sie regelten Erbteilungen, Familienvorsitz, Mitgliedschaft in der Familie, Rang der Familienmitglieder, Namen und Titel, Erbfolgen oder Verfahren in Streitfällen.

Das erste bedeutende Dokument hausgesetzlicher Art stellte die Erbeinigung vom 3.3.1504 dar. Sie normierte die Beibehaltung der Einheit der Familie (Gesamthand) sowie das Senioratsprinzip (ältestes Familienmitglied als Oberhaupt). Mit der Erbeinigung vom 29.9.1606 wurden die bis in die Gegenwart gültige Primogeniturerbfolge (Erstgeburtsrecht) anstelle des Seniorats sowie das Familienfideikommiss (an die Erbfolge gebundene, unteilbare Güter zur Überwindung des deutschrechtlichen Teilungsprinzips) eingeführt. Nach 1606 folgten bis zum Erlass des Hausgesetzes von 1993 nur noch einzelne Anpassungen und Präzisierungen, so durch die Testamente der Fürsten Hartmann (1672) und Johann Adam Andreas (1711), den Tauschvertrag von 1718, die Vergleiche von 1718 und 1722, die Testamente Maria Theresias (1772) und Fürst Johanns I. (1832), den Familienvertrag von 1842 inkl. Ergänzung von 1893 sowie das Gesetz vom 8.2.1926. Das Hausgesetz vom 26.10.1993 hob alle früheren hausgesetzlichen Bestimmungen auf.

Ursprünglich als Familienstatut eingeführt, rief die Erlangung der staatlichen Souveränität Liechtensteins 1806 nach einer Klärung des Verhältnisses zwischen dem Familienrecht und dem Staatsrecht. Im Familienvertrag von 1842 wurde geregelt, dass der Regierer des Hauses Liechtenstein in Personalunion auch Staatsoberhaupt des Fürstentums Liechtenstein ist. Die konstitutionelle Verfassung von 1862 entzog der Hausgesetzgebung die Verfügungsmacht über das Gebiet des souveränen Staats und schrieb, wie auch die Verfassung von 1921, die erbliche Thronfolge fest, wobei auf die Hausgesetze verwiesen wurde. Änderungen in den staatsrelevanten Teilen der Hausgesetze erforderten fortan die Zustimmung des Landtags. Abweichend dazu wurde das Hausgesetz von 1993 einseitig vom Fürstenhaus beschlossen und ohne Zustimmung des Landtags als Landesgesetzblatt veröffentlicht. Es regelt u.a. die Thronfolge, weist dem Fürsten die drei Funktionen als Staatsoberhaupt, Regierer des Hauses und Vorsitzender der fürstlichen Stiftungen zu, konstituiert die Gesamtheit der stimmberechtigten (männlichen) Mitglieder des Fürstenhauses als oberste Entscheidungs- und Rechtsmittelinstanz innerhalb der Familie, die auch den Fürsten disziplinieren und absetzen kann, regelt Verfahrensfragen und Zuständigkeiten in Angelegenheiten des Hauses (u.a. des Familienrats) und enthält Bestimmungen zu Namens- und Titelführung, Heirat und Adoption.

Verschränkungen mit dem staatlichen Bereich ergeben sich neben dem Verfassungsauftrag zur Regelung von Thronfolge, Volljährigkeit und Vormundschaft auch in Bezug auf das Misstrauensverfahren nach der Verfassungsänderung von 2003 sowie hinsichtlich des hausgesetzlichen Auftrags an den Staat, in internationalen Verträgen Vorbehalte zum Schutz des Hausgesetzes anzubringen. Das Hausgesetz postuliert Autonomie, indem die liechtensteinische Verfassung das Hausgesetz weder verändern noch aufheben könne.

Sowohl die grundsätzliche staatsrechtliche Gültigkeit des Hausgesetzes wie auch das Verhältnis zwischen Hausgesetz und Staat sind umstritten. Ob das Haus Liechtenstein befugt ist, ein Hausgesetz völlig autonom zu erlassen, ob die Gesamtheit der stimmberechtigten Mitglieder des Fürstenhauses als Verfassungsorgan anzusehen ist, ob das rein männliche Stimmrecht dem Gleichheitsgrundsatz der Verfassung widerspricht und ob die Möglichkeit des Namensentzugs für Familienmitglieder Grundrechte verletzt, wird verfassungsrechtlich kontrovers beurteilt.

Literatur

  • Wilfried Marxer: Das Hausgesetz des Fürstenhauses von Liechtenstein und dessen Verhältnis zur staatlichen Ordnung Liechtensteins, Bendern 2003 (= Beiträge Liechtenstein-Institut, Nr. 17).
  • Herbert Hofmeister: Pro conservanda familiae et agnationis dignitate. Das liechtensteinische Familien-Fideikomiss als Rechtsgrundlage der Familien- und Vermögenseinheit, in: Der ganzen Welt ein Lob und Spiegel. Das Fürstenhaus Liechtenstein in der frühen Neuzeit, hg. von Evelin Oberhammer, Wien 1990, S. 46–63.
  • Georg Schmid: Das Hausrecht der Fürsten von Liechtenstein, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 78 (1978), S. 1–181.

Von der Redaktion nachträglich ergänzt

Zitierweise

<<Autor>>, «Hausgesetz», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 10.2.2025.

Medien

Hausgesetz des Fürstlichen Hauses Liechtenstein vom 26.10.1993, LGBl. 1993 Nr. 100 (LI LA).