Hexenverfolgung

Autor: Manfred Tschaikner | Stand: 31.12.2011

Die im Spätmittelalter entstandene Vorstellung von den Hexen als Schadenzauber ausübender Anhängerschaft einer Teufelssekte, die über Fluggeräte verfügen, sich auf Hexensabbaten treffen und mit dem Teufel Unzucht treiben, führte in der Grafschaft Vaduz und der Herrschaft Schellenberg – wie in zahlreichen anderen Territorien des deutschen Sprachraums – am Ende des 16. Jahrhunderts, in den 1630er Jahren und in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu mehreren Verfolgungswellen. Die letzten Gerichtsverfahren der Jahre 1679–1680 bildeten nach den Zauberer-Jackl-Verfolgungen in Salzburg die zweitgrösste Hexenprozessserie ihrer Zeit. In den Nachbarländern trugen sie Vaduz und Schellenberg den Ruf als «Hexenland» ein. Hier fehlten die verwaltungstechnischen Hürden, die in den grossräumigen Herrschaftskomplexen – wie etwa den benachbarten österreichischen Herrschaften vor dem Arlberg – Willkür und Fehlentscheidungen lokaler Obrigkeiten bei den heiklen Hexereiverfahren zumeist entgegenwirkten. Bezogen auf die Bevölkerungszahl bildeten Vaduz und Schellenberg im europaweiten Vergleich Zonen intensiver Hexenverfolgung. Insgesamt sind hier bei den Hexenprozessen etwa 200 Todesurteile dokumentiert. Genaue statistische Angaben liegen nur für 1679 und 1680 vor. Die Hexereivorstellungen waren vornehmlich auf das weibliche Geschlecht ausgerichtet, wurden aber in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, einem allgemeinen Trend entsprechend, auch in Vaduz und Schellenberg verstärkt auf Männer bezogen. 1679 waren drei Viertel der Hingerichteten männlichen Geschlechts, im Jahr darauf noch etwa 40 %.

Die ersten datierbaren Gerichtsverfahren gegen vermeintliche Hexen in Vaduz fanden 1597, 1598 und 1600 statt. Sie führten nachweislich zu elf Verbrennungen. Es ist nicht bekannt, ob auch in den Jahren davor und danach der Hexerei verdächtigte Personen gerichtlich verfolgt wurden. Zu den frühesten bekannten Todesopfern der Vaduzer Hexenverfolgung zählten die gebürtige Montafonerin Greta Lorenzin aus Balzers und die gräfliche Dienerin Ursula Tannerin. Über die Gerichtsverfahren der 1630er Jahre liegen nur mehr wenige Angaben vor. Die Hexenprozesse von 1648–1651, deren Einleitung von den Ständen (Landschaften) gefordert worden war, sollen zu mehr als 100 Hinrichtungen geführt haben. Dafür hauptverantwortlich war neben Graf Franz Wilhelm von Hohenems der aus Götzis stammende Landvogt Hans Jakob Sandholzer von Zunderberg. Eine Hexenprozessserie in den Jahren 1667/68 forderte vermutlich 20 Todesopfer. Nach der Amtsübernahme des jungen Grafen Ferdinand Karl Franz fanden 1675/76 neuerlich zahlreiche Hexenprozesse statt, für deren Weiterführung die Stände sogar einen Kredit aufnahmen.

Zu weiteren Gerichtsverfahren dieser Art kam es im Frühjahr 1679 unter Landvogt Dr. Romarich Brügler von Herkulesberg. Sie kosteten 20 Personen das Leben und stiessen nun auf starken Widerstand. Als Graf Ferdinand Karl von Hohenems einwilligte, die Prozessunterlagen zur rechtlichen Überprüfung an eine Universität zu senden, fand die gerichtliche Hexenverfolgung durch die Flucht Brüglers ein abruptes Ende. Schon vor der Einleitung der Prozesse von 1679 hatte der hoch verschuldete Graf den Ständen zur Verzinsung und Abzahlung ihrer Kredite u.a. sämtliche Herrschaftseinkommen überlassen – auch die Einnahmen aus künftigen Gerichtsverfahren gegen vermeintliche Hexen und Hexer (Strafgelder und Güterkonfiskationen) fielen nun an die ständische Kasse. Gegen die folgenden Hexenprozesse des Jahres 1680 unter Landvogt Andreas Josef Walser, die insgesamt 25 Personen das Leben kosteten, sind keine Proteste von Seiten der Stände mehr bekannt. Ein besonderes Schicksal im Rahmen der Vaduzer Hexenverfolgung erlebte der Schaaner Kaplan Gerold Hartmann, der 1679 wegen Zaubereiverdachts in Chur inhaftiert, gefoltert, später der Mailänder Inquisition überstellt und 1682 durch päpstliche Verordnung rehabilitiert wurde.

Den Auftakt zur Beendigung der Vaduzer Prozesse bildeten 1680 die Flucht der Maria Eberle von Planken aus dem Gefängnis im Schloss Vaduz und das Protestschreiben, das sie dem Gericht durch einen Feldkircher Notar zustellen liess. Im Dezember 1680 bewahrte der Triesner Pfarrer Valentin von Kriss Katharina Gassnerin durch seinen Einspruch vor der Verbrennung, fünf weitere Personen wurden jedoch noch hingerichtet. Kurze Zeit später wandten sich von Kriss und weitere fünf wegen der Hexenverfolgung aus der Grafschaft Vaduz geflohene Personen über Vermittlung des Innsbrucker Statthalters mit Beschwerdeschriften an den Kaiser. Dieser untersagte dem Grafen 1681 die Fortsetzung der Inquisitionen und der Prozesse. Der mit einer Untersuchung beauftragte Rupert von Bodman, Fürstabt von Kempten, sandte die Gerichtsakten an die juristische Fakultät der Universität Salzburg, wo 1682 Dr. Johann Baptist Moser in einem Rechtsgutachten die Prozesse der Jahre 1679 und 1680 für rechtswidrig erklärte, indem er strengste Massstäbe an jeden einzelnen Fall anlegte. 1684 hob der Kaiser sämtliche Urteile indirekt auf, entzog dem Landesherrn die Kriminaljurisdiktion und übertrug sie der kaiserlichen Kommission (→ kaiserliche Administration). Davor schon hatte er den Grafen aufgrund seines mannigfachen Fehlverhaltens gefangen nehmen und nach Schwaben bringen lassen, wo er 1686 starb. Die Ungültigkeitserklärung der Urteile 1685 und das Verbot neuer Hexenprozesse konnten jedoch die Gegensätze zwischen den Anhängern und den Gegnern der Hexenverfolgung nicht aufheben. In der Vorstellung von den Tobelhockern wirken sie jahrhundertelang nach.

Die Wirren im Umfeld der Hexenverfolgung förderten insofern den Übergang von Schellenberg und Vaduz an das Haus Liechtenstein, als sie nicht unwesentlich dazu beitrugen, dass sich die hohenemsische Finanzkrise zur Herrschaftskrise ausweitete, die 1699 und 1712 zum Verkauf der beiden Territorien führte.

Literatur

Von der Redaktion nachträglich ergänzt

Zitierweise

<<Autor>>, «Hexenverfolgung», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 12.2.2025.

Medien

Titelblatt des Konzeptbands des Gutachtens von 1682 (© Universitätsarchiv Salzburg). Verfasser des Gutachtens war Johann Baptist Moser.
Todesopfer der Hexenprozesse von 1679/80 nach Gemeinden (gemäss Manfred Tschaikner: «Der Teufel und die Hexen müssen aus dem Land ...». Frühneuzeitliche Hexenverfolgungen in Liechtenstein, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 96, 1998, S. 1–198, hier S. 101f.)