Hochschulen

Autorin: Annette Bleyle | Stand: 31.12.2011

Schulen, die wissenschaftliche Lehre vermitteln (Studium und wissenschaftliche Weiterbildung), akademische Titel verleihen und durch Forschung neues Wissen schaffen.

Liechtensteiner waren bis zur Gründung erster eigener Hochschulen Ende des 20. Jahrhunderts für ein Studium gänzlich und seither grösstenteils auf Bildungsstätten im Ausland angewiesen. Verträge Liechtensteins mit der Schweiz, Österreich und der Universität Tübingen regeln den freien Zugang liechtensteinischer Studenten zu den betreffenden Hochschulen.

Ab 1927 trugen mehrere private Initianten Pläne zur Gründung von Universitäten an die liechtensteinische Regierung heran, die jedoch bis 1986 allesamt scheiterten. Die 1927–30 von Uno Hammarlöw, einem in Bern akkreditierten schwedischen Diplomaten, projektierte Universität in Vaduz beinhaltete eine handels- und arbeitswissenschaftliche Fakultät, zudem die Fächer Journalistik, Naturheilkunde, Relativitätswissenschaft, sportliche und musische Ausbildungsgänge. 1932 scheiterte ein Projekt deutscher Initiatoren, das in Vaduz Lehrgänge in Handels- und Staatswissenschaften, Jurisprudenz, Landwirtschaft und Zahnmedizin vorsah.

Ab 1933 führten in Liechtenstein tätige Rechtsanwälte, besonders Heinrich Kuntze sowie Wilhelm Beck und Alois Ritter, im Namen einer Gruppe jüdischer Hochschullehrer für Medizin aus Berlin Verhandlungen mit der Regierung über die Gründung einer Universität mit Forschungsabteilungen für Medizin, Physik und Chemie sowie einer angegliederten Klinik. Der Standort sollte zwischen Triesen und Triesenberg liegen. Das Ansuchen wurde von nobelpreisgekrönten Medizinern, Physikern und Chemikern, v.a. deutschen Juden, unterstützt. 1934 brachen die Verhandlungen ab. Zwischen 1969 und 1976 lehnte die liechtensteinische Regierung vier weitere Projekte für Hochschulen ab. Joseph Zaccano, Professor an einem College in Pennsylvania (USA), plante 1969 eine Universität, an der u.a. Technik, Natur- und Erziehungswissenschaften sowie Handel gelehrt werden sollten. Die Würzburger Universitätsprofessor Günther Küchenhoff und Carl Meyer planten 1970 eine Hochschule für wirtschaftsjuristische Nachdiplomstudiengänge (Doktorate und Habilitationen). Eine Gruppe von Wiener Hochschullehrern unter der Leitung von Felix Romanik und Eckhard Tichatschek beabsichtigte 1972 Kurse in verschiedenen Studienrichtungen durchzuführen. Das Projekt der Professoren Rudolph Berlinger, Wiebke Schrader und Otto Meyer von der Würzburger Philosophischen Fakultät 1976 sah in Vaduz postgraduale Studien u.a. in den Bereichen Philosophie, Klassische Philologie und Kunstwissenschaften vor.

1986 erfolgte die erste Niederlassung einer Hochschule in Liechtenstein, die private Internationale Akademie für Philosophie (IAP) verlegte ihren Sitz ins Land. 1986 wurde zudem das Liechtenstein-Institut in Bendern als hochschulähnliche Forschungseinrichtung gegründet. 1993 erhielt die 1961 als «Abendtechnikum Vaduz» gegründete «Liechtensteinische Ingenieurschule» die Anerkennung als Fachhochschule (ab 2005 Hochschule Liechtenstein, ab 2011 Universität Liechtenstein). Seit 2000 besteht in Triesen die postgraduale Private Universität im Fürstentum Liechtenstein (UFL). Neben diesen Hochschulgründungen gab es nach 1986 auch nichtrealisierte Hochschulprojekte.

Der tertiäre Bildungsbereich wurde in Liechtenstein erstmals 1992 gesetzlich geregelt. 2005 trat ein neues Hochschulgesetz in Kraft. Seit 1991 ist in Liechtenstein die Hochschulkonvention des Europarats gültig, seit 1994 die Konvention über die Anerkennung von Hochschulstudien, Universitätsdiplomen und akademischen Graden in den Staaten der Region Europa («Unesco-Konvention») und seit 2000 die diese beiden Verträge zusammenfassende «Lissabonner Konvention». Seit dem EWR-Beitritt 1995 ist Liechtenstein am EU-Bildungsprogramm Sokrates beteiligt.

Das Fürstenhaus, die Regierung und verschiedene liechtensteinische Institutionen haben mehrere Lehrstühle geschaffen bzw. gefördert und Preise an ausländischen Hochschulen gestiftet. Fürst Franz I. war massgeblich an der Schaffung eines Lehrstuhls und Seminars für osteuropäische Geschichte an der Universität Wien beteiligt (1907). 1960 förderte der Landtag den Ausbau der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg i.Üe. finanziell. Seit 1969 zahlt Liechtenstein Beiträge an den Schweizerischen Nationalfonds und den österreichischen Fonds für wissenschaftliche Forschung. 1981 stiftete Fürst Franz Josef II. dort einen Preis «für eine besondere wissenschaftliche Leistung im Geist christlicher Weltanschauung», und 1982 schuf die liechtensteinische Regierung den «Liechtenstein-Preis für die wissenschaftliche Forschung an der Universität Innsbruck». Seit 1998 vergibt das Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin das von privaten liechtensteinischen Stiftungen sowie der liechtensteinischen Regierung in Zusammenarbeit mit dem Schulamt finanzierte Karl-Schädler-Stipendium für Postdoktoranden. 2000 gründete Fürst Hans Adam II. das Liechtenstein-Institut für Selbstbestimmung an der Universität Princeton (New Jersey, USA).

Quellen

  • Rechenschafts-Bericht der fürstlichen Regierung an den hohen Landtag, Vaduz 1922– (diverse Titelvarianten, seit 1999: Landtag, Regierung und Gerichte. Bericht des Landtages, Rechenschaftsbericht der Regierung an den Hohen Landtag, Berichte der Gerichte, Landesrechnung); online ab Jahrgang 2005.

Literatur

  • Das liechtensteinische Bildungswesen, hg. vom Presse- und Informationsamt, Vaduz 22002.
  • Peter Geiger: Krisenzeit. Liechtenstein in den Dreissigerjahren 1928–1939, Band 2, Vaduz/Zürich 1997, 22000, S. 92f.
  • Graham Martin: Projekte zur Gründung einer Hochschule im Fürstentum Liechtenstein, in: Jahrbuch des Historischen Lexikon, Bd. 90 (1991), S. 301–316.
  • Graham Martin: Das Bildungswesen des Fürstentums Liechtenstein. Nationale und internationale Elemente im Bildungssystem eines europäischen Kleinstaates, Zürich 1984.

Zitierweise

<<Autor>>, «Hochschulen», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 7.2.2025.