Hofkanzlei

Autor: Konrad Kindle | Stand: 31.12.2011

Die fürstlich-liechtensteinische Hofkanzlei in Wien war die oberste Hofbehörde für die gesamten Agenden des fürstlichen Hauses Liechtenstein. In dieser Funktion war sie die vorgesetzte Stelle des Oberamts in Vaduz, bis mit der Verfassung von 1862 eine direkt dem Fürsten unterstellte liechtensteinische Regierung eingerichtet wurde. Ab 1862 gehörten staatliche Angelegenheiten aus dem Fürstentum formell nicht mehr zum Aufgabenbereich der Hofkanzlei; sie blieb aber Anlaufstelle für den Amtsverkehr zwischen der liechtensteinischen Regierung und dem Fürsten sowie Beratungsgremium des Fürsten. Zudem fungierte sie bis 1871 als politische Rekursinstanz (Verwaltungsgericht) und als Appellationsgericht des Fürstentums; danach waren diese beiden Stellen teilweise noch mit der Hofkanzlei personell identisch besetzt. Mit der Schaffung eines persönlichen Sekretariats des Fürsten 1914 bzw. der Kabinettskanzlei 1920 verlor die Hofkanzlei an Bedeutung. 1933 wurde sie offiziell aufgelöst.

Die Hofkanzlei war als zentrale, direkt dem Fürsten unterstellte Instanz besonders zuständig für Fideikommisse und Lehen, Stiftungen und Patronate, Rechtsfragen (Zirkularien, Gesetzgebung im Fürstentum), das Militärwesen des Landes Liechtenstein und Bundestagsangelegenheiten, Bauten, Personalfragen, Wirtschaftsführung und Finanzwesen aller liechtensteinischen Herrschaften. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Hofkanzlei wiederholt reorganisiert und auf 13–15 Beamte vergrössert, mit dem Ziel, die Verwaltung zu vereinheitlichen und zu rationalisieren. Die Anordnungen der Hofkanzlei waren bei Androhung von Sanktionen so auszuführen, als kämen sie vom Fürsten selbst. 1832 stand an ihrer Spitze ein «dirigierender Hofrath» (später «bevollmächtigter Hofrat» bzw. «Chef der Hofkanzlei»), der in dringenden Fällen allein entscheiden konnte. Normalerweise wurden die Beschlüsse kollegial von einem «Hofkanzleigremium», dem ausser dem Hofrat zwei Wirtschaftsräte und Sekretäre angehörten, gefasst oder beraten und dann dem Fürsten «ad mandatum Serenissimi» vorgelegt. Weitere Geschäfte mussten vorschriftsgemäss dem Fürsten zur persönlichen Entscheidung vorgelegt werden.

Archive

  • Hausarchiv des Regierenden Fürsten von Liechtenstein, Wien (HALW).

Literatur

  • Evelin Oberhammer: Das Hausarchiv der Regierenden Fürsten von Liechtenstein, in: Veröffentlichungen des liechtensteinischen Landesarchivs, Bd. 1 (2001), S. 15–38.
  • Paul Vogt: Verwaltungsstruktur und Verwaltungsreformen im Fürstentum Liechtenstein in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 92 (1994), S. 37–148.
  • Thomas Winkelbauer: Haklich und der Korruption unterworfen. Die Verwaltung der liechtensteinischen Herrschaften und Güter im 17. und 18. Jahrhundert, in: Der ganzen Welt ein Lob und Spiegel. Das Fürstenhaus Liechtenstein in der frühen Neuzeit, hg. von Evelin Oberhammer, Wien 1990, S. 86–114.
  • Hannes Stekl: Österreichs Aristokratie im Vormärz. Herrschaftsstil und Lebensformen der Fürstenhäuser Liechtenstein und Schwarzenberg, München 1973.
  • Peter Geiger: Geschichte des Fürstentums Liechtenstein 1848 bis 1866, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 70 (1970), S. 5–418, hier S. 298.
  • Franz Kraetzl: Das Fürstentum Liechtenstein und der gesamte Fürst Johann von und zu Liechtensteinsche Güterbesitz, Brünn 1914.

Zitierweise

<<Autor>>, «Hofkanzlei», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 9.2.2025.