
Hoheitsrechte
Autor: Heinz Dopsch | Stand: 31.12.2011
Unter diesem künstlichen Begriff fasst man jene Rechte zusammen, die über den Rahmen der Grundherrschaft hinausgingen und in ihrer Summe die Grundlage der Landeshoheit (→ Landesherrschaft) bildeten. In Liechtenstein waren die gräflichen Hoheitsrechte, die von den Grafen von Montfort und Werdenberg zunächst im Auftrag des Königs wahrgenommen wurden, die Basis für die weitere Entwicklung: Hochgericht, Wehrhoheit und Polizeigewalt, Einhebung von Abgaben, Zoll- und Geleitrecht. Mit der im Hochmittelalter einsetzenden Allodifizierung nahm jedes Mitglied der Familie gräfliche Hoheitsrechte, die ursprünglich nur mit dem Grafenamt verbunden waren, in Anspruch. Die Grafen von Werdenberg-Sargans und ihre Nachfolger handhabten diese Hoheitsrechte auch in der mit dem Teilungsvertrag 1342 gebildeten Herrschaft Vaduz, die damit den Rang einer Grafschaft erhielt. Die Belehnung Graf Heinrichs V. von Werdenberg-Sargans-Vaduz durch König Wenzel 1396 mit der Grafschaft Vaduz und allen seinen «Herrschaften und Landen und Leuten» bedeutete die reichsrechtliche Anerkennung dieser Entwicklung. Als wichtigste Hoheitsrechte bestätigte König Sigismund wohl schon 1413 und erneut 1430 in den Brandisischen Freiheiten den Bann, über das Blut zu richten, und die Befreiung von fremden Gerichten. Mit der Verlegung des Hochgerichts für den Eschnerberg von Vaduz nach Rofaberg in Eschen wurde die Herrschaft Schellenberg in ihren Hoheitsrechten der Grafschaft Vaduz angeglichen. Kaiser Friedrich III. gestattete 1492 den Freiherren von Brandis, die Blutgerichtsbarkeit an geeignete Männer (Landammänner) zu übertragen und bestätigte ihnen ihre Hoheitsrechte wie Mauten und Zölle, das Bergregal und den Mühlenbann. Die Grafen von Sulz nahmen mit der Erbordnung von 1531 und der Kodifikation des Landsbrauchs (nach 1577) auch das Hoheitsrecht der Rechtssetzung in Anspruch. Die Ausübung dieser Hoheitsrechte, zu denen noch Lehens-, Steuer-, Münz- und Religionshoheit, Kirchenvogtei und Patronat usw. zählten, erfolgte bis in die Neuzeit aufgrund persönlicher Bindungen und nicht über ein geschlossenes Hoheitsgebiet. Bei der Bildung des Fürstentums Liechtenstein 1719 wurden die von der Reichsgewalt wiederholt bestätigten und erweiterten Hoheitsrechte übernommen; nach 1806 bildeten sie eine wesentliche Komponente der Souveränität.
Quellen
- Liechtensteinisches Urkundenbuch, Teil I: Von den Anfängen bis zum Tod Bischof Hartmanns von Werdenberg-Sargans-Vaduz 1416, 6 Bände, bearb. von Franz Perret, Benedikt Bilgeri, Georg Malin und Otto P. Clavadetscher, Vaduz 1948–1996 (LUB I/1–6).
- Liechtensteinisches Urkundenbuch, Teil II: Die Herrschaftszeit der Freiherren von Brandis, 1416–1510, bearb. von Claudius Gurt (LUB II digital).
Literatur
- Anne-Marie Dubler: «Herrschaftsrechte», in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 09.11.2006.
- Karin Schamberger-Rogl: Landts Brauch oder Erbrecht in der Vaduzischen Grafschaft üblichen. Ein Dokument aus dem Jahr 1667 als Grundlage für landschaftliche Rechtsprechung, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 101 (2002), S. 1–128.
- Fabian Frommelt: «... darauf hab ich ylenz ain Gemaindt jn der herrschafft Schellennberg zusamenn beruefft ...». Zu den Gerichtsgemeinden Vaduz und Schellenberg 1350–1550, unpublizierte Lizentiatsarbeit Universität Zürich, Triesen 2000.
- Roger Sablonier: Graf Hartmann sol ze tail werden Vadutz. Der Werdenberger Teilungsvertrag von 1342, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 92 (1994), S. 1–36.
- Dieter Stievermann: Zur Landeshoheit der Grafschaften und Herrschaften am nordwestlichen Alpenrand, in: Landeshoheit. Beiträge zur Entstehung, Ausformung und Typologie eines Verfassungselements des römisch-deutschen Reiches, hg. von Erwin Riedenauer, Kallmünz 1994, S. 161–175.
- Alois Niederstätter: Aspekte des Landesausbaus und der Herrschaftsverdichtung zwischen Bodensee und Alpen im 11. bis 14. Jahrhundert, in: Montfort. Vierteljahresschrift für Geschichte und Gegenwart Vorarlbergs, Jg. 44 (1992), S. 48–62.
- Ernst Schubert: Landesherrschaft und -hoheit, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5 (1991), Sp. 1653–1656.
- Dieter Stievermann: Geschichte der Herrschaften Vaduz und Schellenberg zwischen Mittelalter und Neuzeit, in: Liechtenstein – Fürstliches Haus und staatliche Ordnung. Geschichtliche Grundlagen und moderne Perspektiven, hg. von Volker Press und Dietmar Willoweit, Vaduz/München/Wien 1987, 21988, S. 87–128.
- Wolfgang Sellert: Landeshoheit, in: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 2 (1978), Sp. 1388–1394.
Von der Redaktion nachträglich ergänzt
- Steffen Schlinker: Landeshoheit, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Bd. 3 (2016), Sp. 438–445.
Zitierweise
<<Autor>>, «Hoheitsrechte», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 14.2.2025.