Homosexualität

Autor: Amos Kaufmann | Stand: 28.1.2025

Die Geschichte der Homosexualität in Liechtenstein ist, wie in vielen anderen Ländern, von einem langen Weg von der Diskriminierung und gesellschaftlichen Verurteilung hin zu einem zunehmenden Verständnis und einer verstärkten Akzeptanz geprägt. Liechtenstein war lange Zeit stark konservativ-katholisch und von ländlichen Strukturen geprägt, was sich auch in der Haltung gegenüber gleichgeschlechtlichen Sexualbeziehungen widerspiegelte. Bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein wurde Homosexualität in vielen Teilen der Gesellschaft als unmoralisch und sündhaft betrachtet. Dies spiegelt sich auch in der Gesetzgebung wider. Die rechtliche Diskriminierung stellte eine erhebliche Hürde für die Anerkennung und Akzeptanz homosexueller Menschen dar. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts zeigt sich auch in Liechtenstein verstärkt der westeuropäische Trend hin zu einer offeneren und toleranteren Haltung zur Homosexualität, etwa in der jüngeren Generation, aber auch in den Medien und in der öffentlichen Diskussion. Sozial- und mentalitätsgeschichtlich ist Homosexualität in Liechtenstein bislang kaum erforscht.

Strafrechtliche Entwicklung

Bis 1989 waren homosexuelle Handlungen zwischen erwachsenen Männern respektive zwischen erwachsenen Frauen in Liechtenstein kriminalisiert. Bereits die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532 (→ Carolina) ordnete an, wenn «mann mit mann, weib mit weib, vnkeusch treiben», die Todesstrafe zu verhängen. Ab Beginn des 19. Jahrhunderts beruhte die Gesetzgebung auf dem österreichischen Strafrecht, das in Liechtenstein rezipiert wurde.

Aufgrund der fürstlichen Verordnung vom 18.2.1812 wurde das österreichische Strafgesetz von 1803 übernommen. 1859 folgte die Rezeption des österreichischen Strafgesetzes von 1852 (→ Strafrecht). In beiden Gesetzen war für gleichgeschlechtliche Sexualbeziehungen unter dem Straftatbestand «Unzucht wider die Natur» eine Kerkerstrafe vorgesehen, gleich wie bei Sexualbeziehungen mit Tieren.

Österreich hob die Bestimmungen von 1852 mit der Strafrechtsreform von 1971 auf. Allerdings wurden 1974 neue Strafbestimmungen ins österreichische Strafgesetzbuch übernommen: Einerseits wurde eine Sondermindestaltersgrenze von 18 Jahren für männliche homosexuelle Handlungen eingeführt (§ 209 öStGB), die von den Bestimmungen für heterosexuelle Handlungen abwich, und andererseits wurden die männliche homosexuelle Prostitution (§ 210), die «Werbung für Unzucht mit Personen des gleichen Geschlechts […]» (§ 220) sowie «Verbindungen zur Begünstigung gleichgeschlechtlicher Unzucht» unter Strafe (§ 221) gestellt. Liechtenstein holte diese Entwicklung erst 1987 nach: Das Strafgesetzbuch vom 24.6.1987 hob das Totalverbot für «gleichgeschlechtliche Unzucht» zwischen Männern und zwischen Frauen auf (in Kraft getreten am 1.1.1989). Rezipiert wurden aber auch die vier österreichischen Sonderstrafbestimmungen von 1974 (zum Teil in anderer Paragrafenzählung). In der Schweiz erfolgte die Liberalisierung früher. In Kantonen, in denen der Code Napoléon Geltung erhielt, wurde Homosexualität bereits ab Anfang des 19. Jahrhunderts straffrei. Deutschschweizer Kantone ahndeten homosexuelle Handlungen weiterhin als Strafbestand. Die eidgenössische Strafrechtsreform entkriminalisierte Homosexualität im Jahr 1938 bundesweit, wobei das Schutzalter noch höher angesetzt wurde als für heterosexuelle Sexualbeziehungen.

Die in den Sonderstrafbestimmungen zum Ausdruck kommenden Grundsätze behielt sich Liechtenstein auch beim Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) im Jahr 1982 vor. Erst 1991 wurde dieser Vorbehalt zurückgenommen. Die Abschaffung der gesetzlichen Ungleichbehandlung aufgrund der Sonderstrafbestimmungen im Strafgesetzbuch erfolgte erst im Jahr 2001, indem die Artikel geschlechtsneutral umformuliert oder aufgehoben wurden.

2016 nahm Liechtenstein eine Antidiskriminierungsnorm in § 283 des Strafgesetzbuches auf. Seither ist es eine amtswegig zu verfolgende Straftat, wenn wegen der sexuellen Ausrichtung öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen zu Hass oder Diskriminierung aufgereizt wird. Die Schweiz führte eine solche Schutzbestimmung 2020 ebenfalls ein. In Österreich fehlt eine vergleichbare Bestimmung auf Bundesebene bis heute.

In Liechtenstein haben wegen homosexueller Handlungen verurteilte Personen keinen Anspruch auf Rehabilitierung und Entschädigung, im Gegensatz zu Österreich, das 2024 ein entsprechendes Gesetz schuf.

Zivilrechtliche Entwicklung

Im 21. Jahrhundert kam es in Liechtenstein neben der Aufhebung der letzten Sonderstrafbestimmungen 2001 auch zu Fortschritten bei der zivilrechtlichen Gleichstellung homosexueller Menschen. So erfolgte im Jahr 2011 die Einführung der eingetragenen Partnerschaft, die in einem Referendum von 68,8 % der Bevölkerung befürwortet wurde. Die eingetragene Partnerschaft ermöglichte gleichgeschlechtlichen Paaren eine rechtliche Anerkennung ihrer Beziehung, wobei bewusst rechtliche und zeremonielle Unterschiede zur zivilen Ehe bestanden. In den darauffolgenden Jahren wurden die bedeutendsten Unterschiede aufgehoben. So erfuhr beispielsweise das Namensrecht im Partnerschaftsgesetz eine Anpassung an jenes der zivilen Ehe (→ Eherecht).

2021 urteilte der Staatsgerichtshof, dass das Verbot der Stiefkindadoption für eingetragene Partnerschaften gegen Art. 31 der Verfassung (Gleichheit vor dem Gesetz) und gegen Art. 8 der EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) verstosse, worauf 2023 das Adoptionsrecht für gleich- und verschiedengeschlechtliche Paare einander angeglichen wurde.

Die nur noch marginalen Unterschiede zwischen den rechtlichen Institutionen der Ehe und der eingetragenen Partnerschaft führten am 21. September 2022 zur Einreichung einer Motion für die Öffnung der Ehe «für alle». In der Vernehmlassung gab es lediglich von Seiten des Erzbistums Vaduz Einwände. Der Landtag sprach sich 2024 grossmehrheitlich für den von der Regierung ausgearbeiteten Vorschlag aus. Somit wurde die zivilrechtliche Ehe ab dem 1. Januar 2025 auch für homosexuelle Paare ermöglicht. Eingetragene Partnerschaften können seither nicht mehr begründet werden.

LGBTIQ+-Bewegung in Liechtenstein

Parallel zu den rechtlichen Entwicklungen nahm auch die gesellschaftliche Akzeptanz von Homosexualität in Liechtenstein zu. Organisationen und Gruppen, die sich für die Rechte von LGBTIQ+-Personen (steht für englisch lesbian, gay, bisexual, transgender, intersexual und queer) einsetzen, gewannen an Sichtbarkeit und Einfluss. 1996 wurde eine Selbsthilfegruppe mit Unterstützung der Aids-Hilfe Liechtenstein gegründet. Daraus ging 1998 der Verein FLay hervor. Er setzte sich zum Ziel, einen Anlaufpunkt für homosexuelle Personen zu bieten. Gleichzeitig erhöhte er mit verschiedenen Veranstaltungen auch die Sichtbarkeit homosexueller Menschen in Liechtenstein und kommunizierte deren (politische) Bedürfnisse. Mit der Zeit erweiterte sich der Fokus des Vereins auf die Vertretung von Personen von sexuellen Minderheiten und verschiedenen Geschlechtsidentitäten allgemein. Ab 2022 organisierte er in Schaan eine Pride Parade.

Quellen

  • Verein Flay, Jahresberichte.

Literatur

Medien

Demonstrationszug in Schaan im Rahmen des zweiten Pride-Fests in Liechtenstein am 10.6.2023 (Vereinsarchiv Flay).
Demonstrationszug in Schaan im Rahmen des zweiten Pride-Fests in Liechtenstein am 10.6.2023 (Vereinsarchiv Flay).

Zitierweise

<<Autor>>, «Homosexualität», Stand: 28.1.2025, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 12.5.2025.