
Jenny, Spoerry & Cie.
Autor: Hubert Weitensfelder | Stand: 31.12.2011
Textilunternehmen. 1863 errichteten Franz Anton Kirchthaler und Heinrich Dürst in Triesen eine Baumwollweberei. Diese kam 1869 in den Besitz der in Ziegelbrücke (GL) ansässigen Textilfirma «Enderlin & Jenny». Deren Mitinhaber Caspar Jenny liess die 1866 zu einem grossen Teil abgebrannte Weberei in Triesen wiederaufbauen. Hier wurden Garne aus dem Mutterbetrieb in Ziegelbrücke verarbeitet. Um 1870 entstand ein kleines Gaswerk bei der Fabrik, 1873 kam ein Wohnhaus für 16 Arbeiterfamilien dazu. 1874 betrug der Personalbestand 125, die Zahl der Webstühle 220. 1887 waren 484 Webstühle aufgestellt. 1902 war der Personalbestand auf 310 angewachsen.
1882 errichtete Johann Jakob Spoerry eine Baumwollspinnerei im Vaduzer Ebaholz. Spoerry versuchte wie Jenny, als Schweizer Fabrikant mit einer Betriebsgründung in Liechtenstein die österreichischen Schutzzölle zu umgehen. 1883 hatte die Fabrik 69 Beschäftigte, 1902 waren es 210. 1886–1910 wurden 16 fabrikeigene Arbeiterwohnhäuser errichtet. 1890 gab es in der Fabrik 15 712 Spindeln.
1885 beteiligte sich Jenny – seit 1880 Alleinbesitzer der Weberei in Triesen – an der Vaduzer Spinnerei. 1887 wurden die beiden Betriebe mit der ersten Telefonanlage Liechtensteins verbunden. In der zweiten Generation gestaltete sich die Verbindung der beiden Firmen immer enger, bis sie 1905 unter dem Namen Jenny, Spoerry & Cie. fusionierten.
Während des Ersten Weltkriegs erzwang die Rohstoffknappheit zunächst eine Drosselung der Produktion und 1917 die Stilllegung der Fabriken; diese dauerte bis 1921. 1926 erreichte der Personalbestand mit 483 Beschäftigten beinahe wieder denjenigen von 1912 mit 490 Beschäftigten. In den 1930er Jahren hatte die Weltwirtschaftskrise u.a. einen Rückgang der Beschäftigtenzahl (1929: 423; 1937: 210) und die Einführung von Kurzarbeit zur Folge. Während des Zweiten Weltkriegs erzwangen Einstellungen der Baumwolllieferungen Betriebsstilllegungen.
Nach 1945 entwickelte sich der Geschäftsgang zunächst positiv. Ab etwa 1960 wechselten sich Krisen und wirtschaftliche Erholungsphasen ab. Da viele Einheimische in anderen Industriebetrieben Arbeit fanden, beschäftigte Jenny, Spoerry & Cie. ab 1961/62 zusehends Personen aus dem Ausland, besonders aus Südeuropa. Hohe Löhne und Zölle, ein Rückgang der Exporte und die Konkurrenz durch Textilprodukte aus Billiglohnländern, besonders aus dem fernen Osten, verunmöglichten der Weberei in Triesen notwendige Investitionen, worauf die Firma 1982 diese Weberei stilllegte; sie hatte zuletzt 38 Beschäftigte. Die Spinnerei in Vaduz erhielt damals noch grössere Aufträge, daher wurde hier zwischen 1973 und 1986 weiterhin in Gebäude und Maschinen investiert. Der Preiszerfall bei den Garnen erzwang 1992 die Schliessung dieses Betriebs.
Archive
- Liechtensteinisches Landesarchiv, Vaduz (LI LA).
Literatur
- Alois Ospelt: «Am 30. Juli wurde das erste Garn gesponnen», in: Fabriklerleben. Industriearchäologie und Anthropologie. Publikation zur Ausstellung, hg. von Hansjörg Frommelt im Auftrag des Liechtensteinischen Landesmuseums, Vaduz/Zürich 1994, S. 69–99.
- Norbert Jansen: «Ich selbst habe mich immer als Mühlehölzler gefühlt». Im Gespräch mit Rolf Spoerry, in: Fabriklerleben. Industriearchäologie und Anthropologie. Publikation zur Ausstellung, hg. von Hansjörg Frommelt im Auftrag des Liechtensteinischen Landesmuseums, Vaduz/Zürich 1994, S. 415–422.
- Josef Büchel: Geschichte der Gemeinde Triesen, hg. durch die Gemeinde Triesen, Bd. 1, Triesen 1989, S. 263–269.
- Alois Ospelt: Wirtschaftsgeschichte des Fürstentums Liechtenstein im 19. Jahrhundert. Von den napoleonischen Kriegen bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 72 (1972), S. 5–423, hier S. 270–276.
Zitierweise
<<Autor>>, «Jenny, Spoerry & Cie.», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 16.2.2025.