
Kapelle St. Florin
Autorin: Judith Niederklopfer-Würtinger | Stand: 31.12.2011
1872/74 abgebrochene katholische Kapelle unmittelbar nördlich der heutigen Pfarrkirche St. Florin, Gemeinde Vaduz, 460 m ü.M. Ein archäologisch nachweisbarer, einfacher Rechteckbau mit Krypta dürfte ins 10. Jahrhundert datieren. Fundamentreste der romanischen Kapelle weisen auf eine Verlängerung nach Osten und einen quadratischen Turm hin. Ursprünglich wohl eine herrschaftliche Eigenkirche, behielt St. Florin den Charakter als Herrschaftskapelle nach dem Ende des Eigenkirchenwesens im 11./12. Jahrhundert bei. Neben dem Hauptalter St. Florin errichteten Graf Heinrich V. von Werdenberg-Sargans-Vaduz 1395 eine zweite Pfründe am Marienaltar und die Brüder Wolfhart VI., Sigmund I. und Ulrich von Brandis 1476 eine dritte Kaplaneipfründe am St. Katharinenaltar. Die Nebenaltäre wurden im 16. Jahrhundert vereinigt. Die Patronatsrechte an der Kapelle St. Florin standen den Herren von Vaduz zu (in besonderen Fällen dem Domkapitel Chur); die Kapläne trugen den Titel «Hofkaplan».
Die Kapelle St. Florin gehörte keiner Pfarrei an und verfügte über keinen Seelsorgesprengel, jedoch über das Begräbnisrecht. Im Kapelleninnern wurde bis 1780 bestattet; u.a. erhielten die Grafen Hartmann III. (†1354) und Heinrich V. (†1397) von Werdenberg-Sargans-Vaduz sowie Freiherr Wolfhart V. von Brandis († nach 1459) hier ihre letzte Ruhestätte. Auch Geistliche (u.a. Hofkapläne) und gegen Zahlung eines Opfergelds Leute der Pfarreien Schaan und Triesen durften beerdigt werden.
Ein Neubau aus der Zeit um 1500 mit rechteckigem Schiff und polygonalem Chor übernahm den Turm und die Krypta des Vorgängerbaus. Um 1600 erhielt die Kapelle St. Florin ein barockes Erscheinungsbild mit Stuckausstattung. 1602 erfolgte die Neuweihe des St.-Florin-Altars. Zwischen 1666 und 1685 wurde das Schiff nach Westen erweitert und eine Sakristei angebaut, Ende 18. Jahrhundert eine Vorhalle angefügt und zwischen 1821 und 1827 dem Turm anstelle des bisherigen Spitzhelms eine Zwiebelhaube aufgesetzt. Im 19. Jahrhundert hatte die Kapelle St. Florin einen Grundriss von rund 7 m auf 7,6 m. Der Chor verfügte über ein Rippen-, das Schiff über ein Tonnengewölbe.
Bei der Errichtung der Seelsorge-Kuratie Vaduz 1842 übergab Fürst Alois II. die Kapelle St. Florin der Gemeinde Vaduz. Da Vaduz 1873 zur Pfarrei wurde und 1869–73 die neue Pfarrkirche St. Florin erhielt, wurden 1872 der Turm und die Sakristei der Kapelle St. Florin abgerissen, 1874 die restlichen Gebäudeteile.
Literatur
- Cornelia Herrmann: Die Kunstdenkmäler des Fürstentums Liechtenstein, hg. von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bd. 2: Das Oberland, Bern 2007 (= Die Kunstdenkmäler der Schweiz, Neue Ausgabe, Bd. 112), S. 228–232.
- 100 Jahre Pfarrkirche Vaduz 1873–1973, hg. vom Kulturreferat der Gemeinde Vaduz, Vaduz 1973.
- Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Fürstentums Liechtenstein, hg. von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Basel 1950 (= Die Kunstdenkmäler der Schweiz, Sonderband), S. 157–171.
Zitierweise
<<Autor>>, «Kapelle St. Florin», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 8.2.2025.