
Landesherrschaft
Autor: Dieter Stievermann | Stand: 31.12.2011
Landesherrschaft ist ein moderner, wissenschaftlicher Kunstbegriff für komplexe, zeitliche und regional unterschiedliche Entwicklungen, an deren Ende die Herrschaft über einen mehr oder weniger geschlossenen Raum, das «Land», stand. Dafür entscheidend waren erfolgreiche Dynastien («Landesherren»), denen in enger Zusammenarbeit mit dem ihnen Gefolgschaft leistenden «Landesadel» die Anhäufung und die Intensivierung älterer, vielfach personenbezogener Herrschaftsrechte (Regalien, Gerichtsrechte, Vogteien, Grundherrschaft, Leibherrschaft, Lehensrechte usw.) gelang. Eine wichtige Rolle spielte die Verdrängung beziehungsweise Unterordnung konkurrierender Herrschaftsträger. Seit dem Spätmittelalter kam es zur deutlicheren Herausbildung von Grenzen und zu flächenhafter Geschlossenheit, vor allem aber zu einer qualitativen Steigerung der Herrschaft. Die jüngere «Landeshoheit» erlaubte die Ableitung neuer Einzelrechte gegenüber dem Land beziehungsweise seinen durch die Landstände (→ Landschaft) vertretenen Einwohnern (Untertanen): etwa Besteuerungsrecht und Religionshoheit (→ Hoheitsrechte). In der Forschung besteht keine einheitliche Auffassung über eine Abgrenzung von Landesherrschaft und Landeshoheit, ebenso wenig über Entstehung, Inhalt, Zeitstufen und so weiter. Die frühneuzeitliche Landeshoheit der grossen und kleinen Reichsglieder des römisch-deutschen Reichs ist eine Sonderentwicklung, die nicht mit der Souveränität gleichgesetzt werden kann.
Da es in Vaduz und Schellenberg erst mit der Errichtung des Fürstentums Liechtenstein 1719 zum Abschluss der Landesbildung kam, ist der Terminus Landesherrschaft für die vorherigen Verhältnisse problematisch (→ Land). Der Begriff «Landesherr» wurde jedoch ab dem 16. Jahrhundert in zeitgenössischen Quellen verwendet und findet in der landeskundlichen Literatur Anwendung für die Grafen von Montfort (bis Mitte 13. Jahrhundert) und von Werdenberg (bis 1416), die Freiherren von Brandis (1416–1510), die Grafen von Sulz (1510–1613) und von Hohenems (1613–1699/1712) sowie die Fürsten von Liechtenstein (ab 1699/1712).
Literatur
- Ernst Schubert: Fürstliche Herrschaft und Territorium im späten Mittelalter, München 1996.
- Dieter Stievermann: Zur Landeshoheit der Grafschaft und Herrschaft am nordwestlichen Alpenrand, in: Landeshoheit, Hg. Erwin Riedenauer, 1994, S. 161–175.
- Otto Brunner: Land und Herrschaft: Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter, Wien 51965.
- Ernst Schubert: Landesherrschaft, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5 (1991), Sp. 1653–1656.
Zitierweise
<<Autor>>, «Landesherrschaft», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 16.2.2025.