
Landesversorgung
Autor: Alfred Vogt | Stand: 31.12.2011
Unter wirtschaftlicher Landesversorgung (ursprünglich «Kriegsvorsorge») ist die Versorgung von Bevölkerung und Wirtschaft mit lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen zu verstehen, besonders mit Nahrungsmitteln, Futtermitteln, Wasser, Medikamenten, Rohstoffen für Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe, Energie, Transportkapazitäten und Kommunikationsmitteln. Die Landesversorgung kann bei Mangellagen massiv durch den Staat kontrolliert, gesteuert oder eingeschränkt werden.
Die staatlichen Landesversorgungsaktivitäten in Liechtenstein vor 1800 sind schlecht erforscht. Oberamtliche Massnahmen zur Sicherung der Versorgung mit Salz sind seit dem späten 18. Jahrhundert bekannt, ab 1830 bestanden Salzlieferungsverträge mit Österreich. Für die Hungersnöte von 1805/06 und 1817 sind obrigkeitliche Bemühungen um den Kartoffel- und Getreideimport belegt. Besonders schlecht war die Versorgungslage im Ersten Weltkrieg. 1914–20 kontrollierten staatliche und kommunale Notstandskommissionen den Import, den Export und die Verteilung der Lebensmittel und Rohstoffe und legten die Höchstpreise fest. Beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ermächtigte der Landtag die Regierung per Verfassungsgesetz vom 2.9.1939, alle Massnahmen zur Ordnung der liechtensteinischen Wirtschaft und zur Sicherung der Deckung der Lebensbedürfnisse zu treffen, besonders schweizerische Gesetze und Verordnungen auf Liechtenstein für anwendbar zu erklären. Liechtenstein war von September 1939 bis Juli 1948 in das kriegsbedingte Versorgungssystem der Schweiz einbezogen (Rationierung, Kontingentierung, Mehranbau etc.). Für die Durchführung der Rationierung bestand eine Landeszentralstelle für Kriegswirtschaft mit Zweigstellen in den Gemeinden, die Rationierung der Kraftstoffe unterstand der Polizei.
Heute fällt die Landesversorgung in den Aufgabenbereich des 1972 gegründeten Amts für Bevölkerungsschutz. Sie wird im Wesentlichen über die Protokolle zum 1995 revidierten Zollanschlussvertrag mit der Schweiz geregelt. Die Bewirtschaftung beschränkt sich auf Pflichtlager der benötigten Roh- und Treibstoffe, des Heizöls und einiger Endprodukte (zum Beispiel Medikamente). Bei der Vorbereitung wird von länger dauernden Krisen mit tief greifenden Auswirkungen auf Handel und Produktion ausgegangen. Um dem zu begegnen, stützen sich die Vorsorgemassnahmen vor allem auf drei Säulen: Sicherstellungsmassnahmen (Lieferverträge, Möglichkeit für die Anbausteuerung), Vorratshaltung (Pflichtlager) und Verbrauchslenkung (Kontingentierung, Rationierung). Es wird mit circa sechs Monaten gerechnet, bis die vorbereiteten Massnahmen umgesetzt sind und greifen.
Quellen
- Rechenschafts-Bericht der fürstlichen Regierung an den hohen Landtag 1922–.
Literatur
- Rupert Quaderer-Vogt: Bewegte Zeiten in Liechtenstein 1914 bis 1926, 3 Bände, Vaduz/Zürich 2014.
- Peter Geiger: Kriegszeit. Liechtenstein 1939 bis 1945, 2 Bände, Vaduz/Zürich 2010.
- Peter Geiger: «Eier-, Milch- und Seifenpunkte, Anbaupflicht und Einmachkurs», in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 109 (2010), S. 141–170.
- Peter Geiger: «Am Rande der Brandung». Kriegsende 1945 in Liechtenstein, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 95 (1998), S. 49–74.
- Alois Ospelt: Wirtschaftsgeschichte des Fürstentums Liechtenstein im 19. Jahrhundert. Von den napoleonischen Kriegen bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 72 (1972), S. 386–388.
Zitierweise
<<Autor>>, «Landesversorgung», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 10.2.2025.