
Liechtenstein, Hans-Adam II. von
Autor: Redaktion | Stand: 31.12.2011
Landesfürst. *14.2.1945 (Johann Adam Pius) Zürich, von Vaduz, wohnhaft in Vaduz. Sohn Franz Josefs II. von Liechtenstein und der Georgine von Liechtenstein, geb. Gräfin Wilczek, vier Geschwister, darunter Botschafter Nikolaus von Liechtenstein. ⚭ 30.7.1967 Marie Aglaë Gräfin Kinsky von Wchinitz und Tettau von Liechtenstein, vier Kinder: Erbprinz Alois (*1968), Maximilian (*1969), Constantin (*1972) und Tatjana (*1973).
Hans-Adam, dessen Taufpate Papst Pius XII. war, verbrachte als erster Landesfürst seine Kindheit überwiegend in Liechtenstein; so ist er seit 1954 Mitglied der Pfadfinderabteilung Vaduz. 1951–56 Besuch der Volksschule in Vaduz, 1956–65 des Schottengymnasium in Wien und des Lyzeum Alpinum in Zuoz (GR). Nach einem Bankpraktikum in London 1965–69 Studium der Betriebs- und Volkswirtschaft an der Hochschule St. Gallen, 1969 lic. oec.
Während und nach dem Studium setzte sich Hans-Adam mit der Reorganisation des Familienvermögens auseinander. Am 3.1.1970 erfolgte die Umwandlung des alten Fideikommisses in die «Fürst von Liechtenstein Stiftung». Der Wiederaufbau des Familienvermögens und das rasche Wachstum der einzelnen Betriebe führten zur Gründung von zwei weiteren Stiftungen: Die «Fürst von Liechtenstein Stiftung» konzentriert sich im Wesentlichen auf den Finanzbereich, zu dem auch die LGT Bank in Liechtenstein gehört. Die «Stiftung Fürst Liechtenstein» betreut das Immobilienvermögen, zu dem auch verschiedene im Bereich der Land- und Forstwirtschaft tätige Unternehmen gehören. Die «Stiftung Fürst Liechtenstein II» betreut in erster Linie die Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein und hält Beteiligungen an verschiedenen Unternehmen. Die durch diese Aktivitäten erfolgte Sicherung und Vergrösserung des fürstlichen Vermögens erlaubte unter anderem 1976 die Wiederherstellung des barocken Treppenhauses im Stadtpalais Liechtenstein in Wien. Durch Ankäufe konnten ab Mitte der 1970er Jahre die fürstlichen Sammlungen ergänzt werden, nachdem vorher zur Deckung der Lebenskosten des Fürstenhauses Kunstwerke und Grundbesitz hatten veräussert werden müssen. 2004 eröffnete Hans-Adam das Liechtenstein Museum im Rossauerpalais in Wien, in dem Bilder und Objekte der fürstlichen Sammlung präsentiert werden.
Hans-Adam nahm bereits als Erbprinz in öffentlichen Ansprachen immer wieder Stellung zur liechtensteinischen Innen- und Aussenpolitik. In seiner «Rucksackrede» von 1970 beleuchtete er die Stellung Liechtensteins zur Schweiz kritisch und forderte, Liechtenstein müsse aus dem «Rucksack der Schweiz» aussteigen und die Aussenpolitik in die eigene Hand nehmen. Am 26.8.1984 setzte ihn Franz Josef II. als seinen Stellvertreter ein und übertrug ihm sämtliche Regierungsgeschäfte sowie die Ausübung der fürstlichen Hoheitsrechte, jedoch ohne ihm die Stellung als Staatsoberhaupt zu überlassen. Mit dem Tod seines Vaters am 13.11.1989 wurde Hans-Adam als Fürst Hans-Adam II. Landesfürst und Regierer des Hauses Liechtenstein.
Ein Schwerpunkt seiner Politik als Staatsoberhaupt war seither die Stärkung der Eigenständigkeit Liechtensteins durch eine selbständige Aussenpolitik. Hans-Adam II. war eine treibende Kraft hinter den Beitritten des Landes zu den Vereinten Nationen (UNO) 1990 und zum Europäischen Wirtschaftsraum EWR (1995). Hans-Adam II. und die Regierung führten ab 1990 mit der Tschechoslowakei beziehungsweise ihren Nachfolgestaaten verschiedene Verhandlungen zur Klärung der aufgrund der völkerrechtswidrigen Konfiskation liechtensteinischen Vermögens 1945 durch die tschechoslowakische Regierung entstandenen Differenzen. Ab 1991 versuchte Hans-Adam II. gerichtlich, ein von der Tschechoslowakei 1945 beschlagnahmtes und in Deutschland ausgestelltes Bild aus der fürstlichen Sammlung zurückzuerhalten. Da dies misslang, folgten Klagen Hans-Adams II. gegen Deutschland beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (1998) sowie der liechtensteinischen Regierung gegen Deutschland am Internationalen Gerichtshof (2001).
1992 führten unterschiedliche Ansichten Hans-Adams II., der Regierung und des Landtags über den Termin der Volksabstimmung betreffend das Abkommen über den EWR zu einer sogenannten Staatskrise. Hans-Adam II. drohte mit der Auflösung des Parlaments, der Entlassung der Regierung Hans Brunhart und einem Notverordnungsregime; es kam jedoch zu einem Kompromiss mit Regierung und Landtag. Die in diesem Konflikt offenbar gewordenen Unklarheiten über die Kompetenzen verschiedener Staatsorgane hatten eine rund zehnjährige Verfassungsdiskussion zur Folge. Darin betonte Hans-Adam II. die fürstlichen Rechte, was zu Differenzen zwischen ihm und Teilen des Landtags sowie Teilen der Bevölkerung führte. 2002 reichten Fürst Hans-Adam II. und Erbprinz Alois eine Initiative zur Abänderung der Verfassung ein, die im März 2003 in einer Volksabstimmung mit 64 % Jastimmen angenommen wurde. Im Vorfeld hatte Hans-Adam II. angekündigt, im Fall einer Niederlage seinen Wohnsitz nach Wien zu verlegen.
Hans-Adam II. drohte bei mehreren Gesetzesvorlagen mit einem Veto, weshalb diese nicht weiterbehandelt wurden. 1992 verweigerte er die Sanktion des revidierten Gesetzes über den Staatsgerichtshof. Im September 1993 löste Liechtenstein nach einem Misstrauensantrag des Landtags gegen Regierungschef Markus Büchel das Parlament auf und beliess den Regierungschef im Amt (Rücktritt der Regierung Büchel nach den Neuwahlen im Dezember 1993). Der von Hans-Adam II. ins Rollen gebrachte sogenannte Fall Herbert Wille führte 1999 zu einer Verurteilung des Staats Liechtenstein durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäusserung.
1993 nahm das Fürstenhaus auf Vorschlag Hans-Adams II. ein neues Hausgesetz an. 1996/97 erwarb er von Russland den von der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg erbeuteten Teil des fürstlichen Hausarchivs. 2000 gründete Hans-Adam II. das Liechtenstein-Institut für Selbstbestimmung an der Universität Princeton (New Jersey, USA). Am 15.8.2004 setzte Fürst Hans-Adam II. den Erbprinzen Alois als seinen Stellvertreter ein und übertrug ihm die Ausübung der fürstlichen Hoheitsrechte, blieb jedoch Staatsoberhaupt. Seither widmet er sich wieder der Verwaltung des Familienvermögens. 2009 publizierte er sein politisches Credo im Buch «The State in the Third Millennium». 1981 Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies, 1983 Grosskreuz des Ordens von Pius IX., 2001 Friedenspreis der Path to Peace Foundation, 2003 Dr. h.c. der Universität Salve Regina, Newport (Rhode Island, USA); Schumpeter-Preis 2007.
Literatur
- David Beattie: Liechtenstein. Geschichte & Gegenwart, Triesen 2005.
- Arno Waschkuhn: Politisches System Liechtensteins. Kontinuität und Wandel, Vaduz 1994 (=Liechtenstein Politische Schriften Bd. 18), S. 90–118.
- Harald Wanger: Die Regierenden Fürsten von Liechtenstein, Triesen 1995, S. 182–191.
Zitierweise
<<Autor>>, «Liechtenstein, Hans-Adam II. von», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 12.2.2025.
Normdaten
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