Liechtenstein, Johann Adam I. Andreas von

Autor: Herbert Haupt | Stand: 31.12.2011

Landesfürst. *30.11.1657 Brünn, †16.6.1712 Wien, // Wranau. Sohn des Karl Eusebius von Liechtenstein und der Johanna Beatrix Gräfin von Dietrichstein, zehn Geschwister.  16.2.1681 Erdmunda Maria Theresia von Dietrichstein (*17.4.1662, †16.3.1737), zwölf Kinder, unter anderem Gabriele von Liechtenstein.

Johann Adam I. übernahm nach dem Tod von Karl Eusebius 1684 den Familienbesitz zwar ungeschmälert, doch war der Preis, den der Vater für den Erhalt der Herrschaften bezahlt hatte, hoch gewesen. Die aufgelaufenen Schulden beliefen sich auf mehr als 800 000 Gulden, ein Betrag, der das Fürstenhaus trotz guter Einkünfte schwer belastete. Die von Johann Adam I. durchgeführte Reorganisation der Verwaltung der Familiengüter zeichnete sich durch einschneidende personelle und wirtschaftliche Veränderungen aus. Der Erfolg gab den rigorosen Massnahmen recht. Die Ausstände wurden in kurzer Zeit beglichen und darüber hinaus ein so ansehnlicher Gewinn erwirtschaftet, dass der Fürst schon bald die Beinamen «der Reiche» und «der österreichische Krösus» erhielt. Das aussergewöhnliche wirtschaftliche Talent des Fürsten blieb auch Kaiser Leopold I. nicht verborgen. Johann Adam I. wurde zunächst zum Konferenz- und 1687 zum Geheimen Rat ernannt und am 17.3.1694 mit dem Orden vom Goldenen Vlies ausgezeichnet. Mehrmals stellte der Liechtensteiner dem stets an Finanznöten leidenden Kaiserhof namhafte Kredite zur Verfügung. Die Übernahme der Präsidentschaft in der von Kaiser Leopold I. eingesetzten «Kommission zur Reorganisierung des Kaiserlichen Vizedom-Amts» durch Johann Adam I. 1698 war mit dem Auftrag verbunden, die zerrütteten kaiserlichen Finanzen nach liechtensteinischem Vorbild in Ordnung zu bringen und die habsburgischen Domänen zu reorganisieren. Das Bemühen des Fürsten scheiterte letztlich am Widerstand der um ihre Existenz besorgten kaiserlichen Beamten. Enttäuscht legte Johann Adam I. den Auftrag nieder. Noch einmal übernahm der Fürst 1703–05 eine wirtschaftspolitische Schlüsselposition in der Monarchie: Er wurde erster Präsident der nach dem Konkurs des Finanzhauses Oppenheimer 1703 gegründeten «Banca del Giro» in Wien. Die nach dem Vorbild der oberitalienischen «Montes pietatis» entstandene Staatsbank sollte vor allem die Finanzierung der kaiserlichen Heerzüge sichern. Ähnliche Einrichtungen hatten sich bereits in Hamburg, Amsterdam und Nürnberg bewährt. Die Berufung Johann Adam I. stärkte das Vertrauen in die neue Bank. Sein Ansehen sollte andere Mitglieder des Hochadels zu grosszügiger Investition bewegen. Versuche, den Wirkungsbereich des Präsidiums zu verringern und die angestrebte Loslösung vom kaiserlichen Hof veranlassten Johann Adam I., das Amt 1705 niederzulegen. 1707 vertrat der Liechtensteiner Kaiser Josef I. beim ungarischen Landtag in Pressburg. Als Kaiser Karl VI. den Fürsten 1711 ersuchte, als Gesandter bei den Wahltagen der Kurfürsten in Frankfurt am Main teilzunehmen, lehnte Johann Adam I. dies aus gesundheitlichen Gründen ab.

Johann Adam I. vereinte in seiner Person wirtschaftliches Denken und die barocke Freude an den schönen Künsten, allen voran an Architektur und Malerei. Eine erste Möglichkeit, sich als Bauherr zu betätigen, bot das Schloss Plumenau (Plumlov), das ihm der Vater anlässlich der Hochzeit als Wohnsitz abgetreten hatte und das der Sohn im Wesentlichen nach den Plänen von Fürst Karl Eusebius fertigstellte. Die erhalten gebliebene Korrespondenz zwischen Vater und Sohn bietet Einblick in den Stilwandel der Architektur seit den 1680er Jahren. Die in der Folge berufenen Baumeister und Architekten erneuerten das Schloss Feldsberg und die mährisch-böhmischen Schlösser in Mährisch-Aussee (Úsov), Landskron (Lanškroun) und Kollodej bei Prag nach den architektonischen Idealen Italiens. Johann Adam I. liess vor den Toren Wiens die Siedlung «Lichtental» errichten. Der neue, planmässig angelegte Vorort – heute Teil des 9. Gemeindebezirks – trug den Charakter einer Mustersiedlung mit der von den Serviten betreuten Pfarrkirche «Zu den vierzehn Nothelfern». Die im Auftrag des Fürsten von Domenico Martinelli errichteten Wiener Palaisbauten haben die Stürme der Zeit bis auf den heutigen Tag überdauert und geben Zeugnis vom Kunstsinn ihres Erbauers. Unmittelbar nach der zweiten Türkenbelagerung 1683 gab Johann Adam I. den Auftrag zum Bau eines Gartenpalais in der Rossau. Nach Unterbrechungen wurde die Bautätigkeit 1698 wiederaufgenommen. Der 1704 vollendete Rohbau wurde von namhaften Künstlern wie Michael Rottmayr, Andrea Pozzo und Marcantonio Franceschini mit Fresken und Deckengemälden ausgestattet. Der auf zwei Gemälden von Bernardo Bellotto um 1760 dargestellte Barockgarten galt im 18. Jahrhundert als einer der schönsten Gärten Wiens. Ein Teil des Palais beherbergte die von Fürst Karl Eusebius geerbte und von Johann Adam I. systematisch erweiterte Gemäldegalerie. Zu ihren Höhepunkten zählten neben grossformatigen Gemälden italienischer Barockmaler (Carracci, Reni, Gessi u. a.) vor allem die 1692–96 zum Preis von insgesamt 11 000 Gulden erworbene, aus acht Bildern bestehende Decius-Mus-Serie von Peter Paul Rubens. Das Stadtpalais in der Wiener Innenstadt Ecke Bankgasse und Minoritenplatz diente als liechtensteinisches Majoratshaus. Der von Dominik Andreas Graf Kaunitz 1694 übernommene Bau wurde wie das Sommerpalais in der Rossau nach Plänen von Domenico Martinelli fertiggestellt. Das prunkvolle Seitenportal am Minoritenplatz scheint 1700–05 nach Entwürfen von Johann Bernhard Fischer von Erlach erbaut worden zu sein. Der Sammelleidenschaft von Johann Adam I. ist auch jene Fülle von qualitativ hochwertigen Skulpturen, Gewehren und kunsthandwerklichen Meisterstücken zu verdanken, die den Ruhm der Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein bis heute mit begründen.

Johann Adam I. blieb es vorbehalten, die erfolglosen Bemühungen seiner Vorfahren um die Erlangung der Reichsfürstenwürde in die Tat umzusetzen. Voraussetzung war der Erwerb von reichsunmittelbarem Grund und Boden. Die Gelegenheit dazu ergab sich 1696, als die durch Kriege und die Misswirtschaft der Grafen von Hohenems schwer verschuldete reichsfreie Herrschaft Schellenberg zum Kauf angeboten wurde. Johann Adam I. überbot die Mitbewerber und unterzeichnete am 18.1.1699 den Kaufvertrag. Der ohne Zweifel stark überhöhte Preis von 115 000 Gulden enthielt auch das Vorkaufsrecht auf die gleichfalls den Grafen von Hohenems gehörende Reichsgrafschaft Vaduz. Tatsächlich verzögerte sich die Aufnahme Johann Adam I. in den Reichsfürstenrat wegen der Kleinheit des Territoriums so lange, bis der Fürst dem Schwäbischen Kreis, zu dem Schellenberg gehörte, 1707 ein zinsenloses Darlehen von 250 000 Gulden für die Anerkennung der Reichsfreiheit anbot. Nun endlich erhielt das Haus Liechtenstein Sitz und Stimme im Reichsfürstenrat, wenn auch mit der Auflage, weiterhin nach einer fürstenmässigen Herrschaft Ausschau zu halten. Im Fall des Erfolgs wollte der Schwäbische Kreis Johann Adam I. die Darlehen zurückerstatten. 13 Jahre nach dem Kauf von Schellenberg sah sich Graf Jakob Hannibal von Hohenems auf Druck seiner Gläubiger genötigt, auch die Reichsgrafschaft Vaduz zu verkaufen. Der Kaufvertrag wurde am 22.2.1712 unterzeichnet und von Kaiser Karl VI. am 7.3.1712 bestätigt. Mit 290 000 Gulden überstieg der Betrag den Wert des Kaufobjekts um ein Vielfaches. Da sich der Schwäbische Kreis aus Geldmangel ausserstande sah, das von Johann Adam I. 1707 gewährte Darlehen zurückzuzahlen, erhöhte sich der tatsächliche Kaufpreis fast auf das Doppelte. Was noch fehlte, war die Erhebung der Herrschaften Schellenberg und Vaduz zum Reichsfürstentum und der damit verbundene Eintritt der Fürsten von Liechtenstein in den Reichsrat. Dies zu erleben, war Joann Adam I. nicht mehr vergönnt. Die letzten Lebensjahre des Fürsten waren von Krankheit und der Sorge um die Nachfolge überschattet. Die dynastischen Hoffnungen von Johann Adam I. ruhten auf seinen Söhnen Karl Josef und Franz Dominik. Nach dem frühen Tod Karl Josefs – er starb 1704 im Alter von 19 Jahren an den Blattern – ruhte die ganze Hoffnung des Vaters auf dem Erbprinzen Franz Dominik (1689–1711). Nach dem Abschluss der Länderreise, die Franz Dominik unter anderem durch Italien, die Niederlande und das Reich geführt hatte, richtete ihm Johann Adam I. eine eigene Hofhaltung ein, deren Kosten der junge Fürst aus den Einnahmen der ihm überwiesenen Herrschaft Hohenstadt (Zábřeh) bestritt. Der unerwartete, frühe Tod Franz Dominiks am 19.3.1711 traf den Vater doppelt, da mit leiblichen Nachkommen von seiner Frau Erdmunda Maria Theresia nicht mehr gerechnet werden konnte. Die Trauer um den Verlust des einzigen Erben mag den Tod Johann Adam I. Tod am 16.6.1712 beschleunigt haben. Das vom Fürsten nur kurze Zeit nach dem Ableben seines Sohns verfasste Testament offenbart, wie gespannt sein Verhältnis zum präsumptiven Nachfolger Anton Florian war. Er vermachte dem ungeliebten Vetter nicht mehr, als er ihm aufgrund des Familienvertrags von 1606 zu geben schuldig war. Es konnte nur als Affront aufgefasst werden, dass Johann Adam I. das noch immer über die Grenzen des Reichs hinaus bekannte fürstliche Gestüt, die Häuser in der Wiener Herrengasse, vor allem aber die eben erst gekauften Besitzungen im Reich, Vaduz und Schellenberg, nicht Anton Florian, sondern seinem damals erst 15-jährigen Vetter Josef Wenzel Lorenz, einem Sohn von Anton Florians jüngerem Bruder Fürst Philipp Erasmus (1664– 1704), testamentarisch überliess.

Literatur

  • Gerald Schöpfer: Klar und fest: Geschichte des Hauses Liechtenstein, 1996, S. 53–62.
  • Harald Wanger: Die Regierenden Fürsten von Liechtenstein, Triesen 1995, S. 65–75.
  • Dwight C. Miller: Marcantonio Franceschini and the Liechtensteins. Prince Johann Adam Andreas and the Decoration of the Liechtenstein Palace at Rossau-Vienna, Cambridge 1991.
  • Hellmut Lorenz: Domenico Martinelli und die österreichischen Barockarchitektur, 1991, S. 34–39, 42–47, 227–235, 248–257.
  • Hellmut Lorenz: Liechtenstein Palaces in Vienna from the Age of the Baroque, 1985.
  • Herbert Haupt: «Liechtenstein, Johann Adam I. Andreas von», in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 14 (1985), S. 517.
  • Volker Press: Die Entstehung des Fürstentums Liechtenstein, in: Das Fürstentum Liechtenstein. Ein landeskundliches Portrait, hg. von Wolfgang Müller, Bühl/Baden 1981, S. 63–91.
  • Gustav Wilhelm: Die Fürsten von Liechtenstein und ihre Beziehungen zu Kunst und Wissenschaft, in: Jahrbuch der Liechtensteinischen Kunstgesellschaft 1976, S. 9–180, bes. S. 59–97.
  • Jacob von Falke: Geschichte des fürstlichen Hauses Liechtenstein, Bd. 2, Wien 1877, S. 325–355.
  • Constant von Wurzbach: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, Bd. 15, Wien 1866, S. 127.

Von der Redaktion nachträglich ergänzt

  • Herbert Haupt: Ein Herr von Stand und Würde. Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein (1657–1712). Mosaiksteine eines Lebens, hg. von Johann Kräftner, Wien/Köln/Weimar 2016.

Abbildungen

  • Sammlungen des Regierenden Fürsten von Liechtenstein; Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums, Wien.

Normdaten

GND: 119053977

Zitierweise

<<Autor>>, «Liechtenstein, Johann Adam I. Andreas von», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 8.2.2025.

Medien

Goldmedaille zur Verleihung des Goldenen Vlieses,1694 (Bildarchiv LLM). Die Goldmedaille mit dem geharnischten Brustbild des Fürsten Johann Adam I. Andreas wurde vom Augsburger Stempelschneider Philipp Heinrich Müller gefertigt. Die Inschrift lautet: «IOANNES AD.D.G.DVX.OPPA.ET CAR.PRINC.ET GVBER.DOMVS DE LICHTENSTEIN+», verso ein Fels in bewegtem Meer, darüber ein achteckiger Stern und die Devise: «DOMINVS ILLUMINATIO MEA+».