Liechtenstein, Josef Wenzel Lorenz von

Autor: Herbert Haupt | Stand: 31.12.2011

Landesfürst. *9.8.1696 Prag, †10.2.1772 Wien, // Wranau. Sohn des Fürsten Philipp Erasmus und der Christina Theresia Gräfin von Löwenstein-Wertheim-Rochefort, zwei Brüder.  1.5.1718 Maria Anna (*1699, †20.1.1753), Tochter des Anton Florian, ein Sohn.

Josef Wenzel Lorenz’ Vater Philipp Erasmus (1664–1704), ein jüngerer Bruder des Fürsten Anton Florian, hatte mit grossem Erfolg die militärische Laufbahn eingeschlagen. Nach dessen Tod – er fiel im Rang eines Generalfeldmarschallleutnants 1704 in der Schlacht bei Castelnuovo di Lombardia – wuchs Josef Wenzel Lorenz unter der Vormundschaft des Fürsten Walter von Dietrichstein und des Grafen Maximilian Ulrich von Kaunitz in Prag auf, wo er auch das Gymnasium besuchte. Volljährig geworden, folgte Josef Wenzel Lorenz dem Vorbild des Vaters und wählte die militärische Laufbahn. Seine hochadelige Herkunft, strategisches Talent und persönlicher Mut bildeten im Verein mit der steten Förderung durch den väterlichen Freund Prinz Eugen von Savoyen die Basis für eine rasche und steile militärische Karriere: 1716 Leutnant im Dragonerregiment Graf Vehlen, 1717 Hauptmann, Teilnahme am Feldzug des Prinzen Eugen gegen die Türken (Schlacht bei Peterwardein, Eroberung Belgrads), 1718 Oberstleutnant, 1725 Übernahme des Dragonerregiments St. Amour, 1730 Oberst, 1733 Oberst-Feldwachtmeister, 1734 Generalmajor und Feldmarschallleutnant. Wenig später begann eine Phase diplomatischer Tätigkeiten, die den Fürsten 1735–36 als ausserordentlichen Gesandten Kaiser Karls VI. an den Berliner Hof Friedrich Wilhelms I. führte. In diese Zeit fällt auch die Freundschaft mit dem späteren Preussenkönig und militärischen Gegner Friedrich II. dem Grossen. 1737–41 war Josef Wenzel Lorenz als kaiserlicher Botschafter am französischen Königshof in Versailles tätig. Sein festlicher Einzug in Paris am 21.12.1738 wurde zu einem gesellschaftlichen Ereignis ersten Rangs. Der Kaiserhof honorierte die militärischen und diplomatischen Verdienste von Josef Wenzel Lorenz mit der Verleihung des Ordens vom Goldenen Vlies (12.12.1739). 1740 kehrte er zum Militär zurück. Der Österreichische Erbfolgekrieg 1741–48 sah Josef Wenzel Lorenz auf der Seite der in Bedrängnis geratenen jungen Landesfürstin Maria Theresia. Ihr unbedingtes Vertrauen in die militärische Fähigkeit des Fürsten machte Josef Wenzel Lorenz 1744 zum Kommandierenden in Mähren und zum Generaldirektor der gesamten österreichischen Artillerie. Weitere Höhepunkte der militärischen Laufbahn waren die Ernennung zum Feldmarschall am 12.5.1745 und zum Generalissimus über die kaiserliche Armee in Italien am 8.9.1745. In dieser Eigenschaft erfocht Josef Wenzel Lorenz am 16.6.1746 bei Piacenza einen Sieg über Franzosen und Spanier. Am 27.11.1753 wurde er Generalkommandierender in Ungarn. Die Feuerkraft der im Auftrag des Fürsten und unter dem militärischen Druck Preussens erfolgten qualitativen wie quantitativen Verbesserung der kaiserlichen Artillerie bewährte sich im Siebenjährigen Krieg erstmals am 18.6.1757 in der siegreichen Schlacht bei Kolin über König Friedrich II.

Josef Wenzel Lorenz genoss das besondere Ansehen der kaiserlichen Familie. Auf ausdrücklichen Wunsch Maria Theresias übernahm er 1760 die Mission der Abholung Isabellas von Parma, der Braut des Thronfolgers Erzherzog Joseph. Die prunkvollen Einzüge in Parma und Wien waren kostspielige Höhepunkte glanzvoller Repräsentation im Dienst des Kaiserhauses. Noch ein letztes Mal stand Josef Wenzel Lorenz der kaiserlichen Familie zur Verfügung, als es galt als «Erster Kaiserlicher Kommissär» die Wahl Josephs II. zum römischen König 1764 in Frankfurt am Main vorzubereiten. In seinem Gefolge befand sich auch der liechtensteinische «Hausoffizier» Angelo Soliman. Der durch Intelligenz und Gewandtheit ausgezeichnete Sohn eines afrikanischen Stammesfürsten avancierte schon bald zum Liebling der Wiener Gesellschaft. In Anerkennung seiner Verdienste erhielt Josef Wenzel Lorenz als einer der ersten Hochadeligen am 5.11.1765 aus der Hand Maria Theresias das Grosskreuz des 1764 gegründeten Stefansordens.

Josef Wenzel Lorenz war 1712 durch die testamentarische Bevorzugung durch Fürst Johann Adam I. Andreas in eine finanziell sehr günstige Lage versetzt worden, die ihm Handlungsfreiheit bot und gleichzeitig die Basis für politische Repräsentation darstellte. Zudem hatte er 1712 mit den reichsunmittelbaren Herrschaften Vaduz und Schellenberg jene Herrschaftsgebiete geerbt, die für die Anerkennung der Reichsfürstenwürde entscheidend waren. Der sich daraus ergebende Konflikt mit seinem Onkel und Majoratsherrn Anton Florian wurde durch den 1718 vorgenommenen Tausch von Vaduz und Schellenberg mit der Herrschaft Rumburg gelöst. Auch die Verehelichung mit Anton Florians Tochter Anna Maria trug zur Aussöhnung innerhalb der Familie bei. Nach dem Ableben von Fürst Josef Johann Adam 1732 übernahm Josef Wenzel Lorenz bis 1745 die Vormundschaft für dessen minderjährigen Sohn Johann Nepomuk Karl. Mit dem frühen Tod des kränklichen Johann Nepomuk Karl, der im Dezember 1748 ohne männlichen Erben starb, ging nach den Bestimmungen des Familienvertrags von 1606 das Majorat auf Josef Wenzel Lorenz über, der nun schon zum dritten Mal die Herrschaft über die liechtensteinischen Besitzungen am Alpenrhein antrat und diese bis zu seinem Tod 1772 innehatte.

Wie seine Truppen regierte der Fürst auch die Familie im Geist des Absolutismus. Dies galt auch für das ferne Fürstentum Liechtenstein. Nachdem der bei der Bevölkerung verhasste Landvogt Stephan Christoph Harpprecht von Harpprechtstein schon von Fürst Josef Johann Adam 1722 abgesetzt worden war, gestattete Josef Wenzel Lorenz 1733 die zumindest teilweise und mehr formale Wiedereinführung der alten Rechte der Landschaften Vaduz und Schellenberg, wobei er sich die wesentlichen Entscheidungen aber vorbehielt (→ Verfassung). Der Bau der Kirche und des Pfarrhauses der 1768 gegründeten Pfarrei Triesenberg sicherte dem Landesfürsten bei seinen Untertanen eine gewisse Popularität.

Josef Wenzel Lorenz hatte 1712 von Fürst Johann Adam I. Andreas jene insgesamt 632 Bilder geerbt, die sich im liechtensteinischen Haus in der Herrengasse in Wien befunden hatten. Er vermehrte diese Sammlung durch Ankäufe, die er jeweils am Ort seines militärischen oder diplomatischen Wirkens tätigte. Für seinen prächtigen Einzug als Botschafter am Königshof in Versailles im Dezember 1738 liess der Fürst fünf Prunkkarossen bauen, von denen eine, der «Goldene Wagen», noch heute erhalten und ein Hauptstück der liechtensteinischen Kunstsammlungen ist. Als Ausdruck des Danks für seine Verdienste um die österreichische Artillerie entstand 1757 die von Balthasar Ferdinand Moll (1717–1785) gemeinsam mit Johann Georg Dorfmeister angefertigte vergoldete Bronzebüste von Josef Wenzel Lorenz. Als Gegenleistung beauftragte der Fürst 1760 Franz Xaver Messerschmidt (1736–1783) mit der Anfertigung von Büsten der Kaiserin und des Kaisers, die er im Wiener Zeughaus aufstellen liess. 1767 erschien der von Vincenzio Fanti verfasste Katalog der Majoratsgalerie. Dieses erste erhalten gebliebene Gesamtverzeichnis der liechtensteinischen Galerie war zugleich der erste gedruckte Galeriekatalog in Wien überhaupt. In die Regierungszeit von Josef Wenzel Lorenz fällt 1745 die Fertigstellung des Schlosses Feldsberg nach den Plänen des Architekten Anton Johann Ospel. Der seit Langem kränkelnde Fürst starb 1772 im Alter von 76 Jahren in Wien. Da sein einziger Sohn Philipp Anton 1723 noch im Kindesalter verstorben war, trat Franz Josef I. als ältester Sohn von Josef Wenzel Lorenz’ Bruder Emanuel (1700–1771) die Regentschaft im Haus an.

Literatur

  • Samuel C. Dotson: Genealogie des Fürstlichen Hauses Liechtenstein seit Hartmann II. (1544–1585), Falköping 2003, S. 28, 33.
  • Gerald Schöpfer: Klar und fest: Geschichte des Hauses Liechtenstein, 1996, S. 72–80.
  • Harald Wanger: Die Regierenden Fürsten von Liechtenstein, Triesen 1995, S. 97–109.
  • Reinhold Baumstark: Joseph Wenzel von Liechtenstein: Fürst und Diplomat im Europa des 18. Jahrhunderts, Ausstellungskatalog, Vaduz 1990.
  • Manfred Rudersdorf: Josef Wenzel von Liechtenstein (1696–1772), in: Fürstliches Haus und staatliche Ordnung. Geschichtliche Grundlagen und moderne Perspektiven, hg. von Volker Press und Dietmar Willoweit, 1987, S. 347–381.
  • Gustav Wilhelm: Die Fürsten von Liechtenstein und ihre Beziehungen zu Kunst und Wissenschaft, in: Jahrbuch der Liechtensteinischen Kunstgesellschaft 1976, S. 9–180, bes. S. 116–130.
  • Alfons Feger: Fürst Josef Wenzel Liechtenstein.Seine Stellung in der Geschichte seiner Zeit und seine Regierung im Fürstentum Liechtenstein, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd.21 (1921), S. 57–132.
  • Jacob von Falke: Geschichte des fürstlichen Hauses Liechtenstein, Bd. 3, Wien 1882, S. 81–89.
  • Constant von Wurzbach: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, Bd. 15, Wien 1866, S. 127f.

Abbildungen

Sammlungen des Regierenden Fürsten von Liechtenstein.

Zitierweise

<<Autor>>, «Liechtenstein, Josef Wenzel Lorenz von», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 16.2.2025.

Normdaten

GND: 101097409

Medien

Josef Wenzel Lorenz von Liechtenstein, 1740. Ölgemälde von Hyacinthe Rigaud (1659–1743). © LIECHTENSTEIN, The Princely Collections, Vaduz–Vienna.