Liechtenstein, von

Autor: Heinz Dopsch, Arthur Stögmann | Stand: 31.12.2011

Ursprünglich österreichisches, seit 1608 fürstliches Adelsgeschlecht. Es erwarb 1699 die Herrschaft Schellenberg und 1712 die Grafschaft Vaduz und erreichte 1719 bei Kaiser Karl VI. deren Vereinigung und Erhebung zu dem nach ihm benannten Fürstentum Liechtenstein, in dem es seither das Staatsoberhaupt stellt.

Bis Ende des 16. Jahrhunderts

Den Namen Liechtenstein, der auf einen hellen Felsen oder Burgberg hindeutet, führten in Mitteleuropa mehrere bedeutende Adelsgeschlechter. Vom fürstlichen Haus Liechtenstein zu unterscheiden sind vor allem die Herren von Liechtenstein in der Steiermark, deren Geschlecht der Minnesänger Ulrich von Liechtenstein (1200/10–1275) entstammte, sowie die Herren von Liechtenstein-Castelcorno (bei Leifers in Südtirol). Zwischen den österreichischen und den steirischen Herren von Liechtenstein kam es seit dem 13. Jahrhundert mehrfach zu Heiratsverbindungen, eine Stammverwandtschaft bestand aber nicht.

Die Ahnherren des liechtensteinischen Fürstenhauses kamen gegen Ende des 11. Jahrhunderts als Gefolgsleute der Ratpotonen-Diepoldinger, der bayerischen Markgrafen von Cham und Vohburg, nach Österreich, um das Grenzgebiet an Donau und Leitha bei Petronell gegen Ungarn zu sichern. Als Markgraf Diepold III. im frühen 12. Jahrhundert seine österreichischen Positionen aufgab, trat Hugo I. von Liechtenstein in den Dienst der Babenberger, der Markgrafen von Österreich. Diese ermöglichten ihm den Bau der Burg Liechtenstein bei Mödling (südlich von Wien), nach der sich Hugo und seine Nachkommen nannten. 1142 erhielt Hugo den Ort Petronell an der Donau von König Konrad III. als freies Eigen. Neben Liechtenstein und Petronell bildete das Gebiet an der Zaya (im nordöstlichen Niederösterreich), wo die Liechtensteins die Burgen Alt- und Neuliechtenwart errichteten, einen dritten Besitzkomplex.

Im späten 12. Jahrhundert teilte sich das Geschlecht in die drei Linien Petronell, Rohrau an der Leitha (südlich von Petronell) und Liechtenstein. Da alle drei Burgen und Herrschaften auf dem Erbweg an andere Familien übergingen, musste Heinrich I. von Liechtenstein (†1266) von Liechtenwart aus eine neue Position aufbauen. Er führte 1246 in der Schlacht an der Leitha, in der Herzog Friedrich II. als letzter Babenberger fiel, das österreichische Heer zum Sieg über die Ungarn. Bald darauf ging er zum böhmischen Thronfolger Přemysl Otakar II. über, der 1251 die Macht in Österreich übernahm. Von diesem erhielt Heinrich I. 1249 Dorf und Herrschaft Nikolsburg in Mähren zu freiem Eigen geschenkt. Bis 1560 blieb Nikolsburg der Sitz des Geschlechts, das sich seither «von Liechtenstein von Nikolsburg» nannte. Heinrich I. hinterliess seinen Nachkommen sechs Burgen, deren Grenzlage dem Geschlecht bis ins 16. Jahrhundert ein geschicktes Lavieren zwischen Österreich, Mähren und Böhmen ermöglichte. Seine Söhne gingen von König Přemysl Otakar II. zu dessen Gegner, König Rudolf von Habsburg, über. Heinrich II. von Liechtenstein spielte 1278 eine wichtige Rolle in der Schlacht bei Dürnkrut, in der Otakar II. den Tod fand. Obwohl sich Heinrich II. gegen Rudolfs Sohn, den Herzog und späteren König Albrecht I. stellte, konnten die Liechtenstein ihre Position behaupten und erhielten 1305 das Schloss Maidenburg an der Thaya als böhmisches Lehen sowie die unmittelbare Unterstellung unter das Gericht des böhmischen Königs.

Johann I. (†1397), der 1368 Hofmeister Herzog Albrechts III. von Österreich wurde, gelang eine enorme Vermehrung des Familienbesitzes. Er schloss mit seinen Brüdern und Neffen einen Familienvertrag, in dem die Unteilbarkeit der zentralen Herrschaften um Nikolsburg festgelegt wurde, und brachte unter rücksichtsloser Ausnützung der Finanznöte Herzog Albrechts III. nicht weniger als 30 bedeutende Burgen, Städte und Herrschaften vom mährischen Grenzgebiet bis nach Tirol in seine Hand. Dazu kamen weitere Burgen und Herrschaften in der Nähe von Nikolsburg als Lehen des Markgrafen Jost von Mähren. 1394 setzte jedoch Herzog Albrecht III. «aus Ungnade» fast alle Mitglieder des Hauses Liechtenstein gefangen, ein Schiedsgericht unter seinem Vorsitz verfügte die Rückgabe aller südlich der Donau gelegenen Städte und Märkte, Burgen und Herrschaften an ihn. Auch Bischof Georg III. von Trient, der einzige Kirchenfürst aus dem Haus Liechtenstein, vermochte daran nichts zu ändern. Trotz diesem Rückschlag blieb eine wesentliche Erweiterung der Besitzungen um Nikolsburg, vor allem mit den Burgen und Herrschaften Feldsberg, Rabensburg, Ringelsdorf, Mistelbach und Ulrichskirchen.

Das 15. Jahrhundert sah die Liechtenstein zunächst im Lager der Luxemburger als Könige von Böhmen und Ungarn. In den Familienstreitigkeiten der Habsburger nahmen sie gegen Kaiser Friedrich III. Stellung. Trotz mehrfacher Auseinandersetzungen mit dem Kaiser konnten sie ihre Position am Hof behaupten. Mit Friedrichs Nachfolger, Kaiser Maximilian I., ergab sich ein konfliktfreies Zusammenwirken.

Mit der Erbeinigung von 1504 teilte sich das Haus in die drei Linien Nikolsburg (bis 1691), Steyregg an der Donau (östlich von Linz), das Christoph II. 1407 erworben hatte, und Feldsberg, wobei eine Belehnung zu gesamter Hand die Einheit des Familienbesitzes sichern sollte. Zur Reformationszeit entschied sich das Haus Liechtenstein wie die Mehrheit des österreichischen Adels für den evangelischen Glauben. Leonhard I. von Liechtenstein (†1534) gewährte in Nikolsburg Vertretern der radikalen Täuferbewegung aus ganz Europa Zuflucht, darunter dem prominenten Führer Balthasar Hubmaier, musste diesen aber auf Druck König Ferdinands I. 1528 ausliefern und die Täufer des Landes verweisen.

Durch die unglückliche Finanzpolitik Christophs IV. von Liechtenstein wurde 1560 Nikolsburg an den ungarischen Adeligen Ladislaus von Kerecsin verkauft, auch das benachbarte Eisgrub in Mähren, das die Liechtenstein ab 1370 erworben hatten, ging für kurze Zeit verloren. In dieser Situation übernahm die Feldsberger Linie die Führung des Hauses, während der Nikolsburger Zweig bis zu seinem Ende 1691 nur mehr eine geringe Rolle spielte. Obwohl Mitglieder der Familie unter Kaiser Rudolf II. wichtige Ämter bekleideten, blieb ihnen als Protestanten entscheidender Einfluss versagt. Hartmann II. (1544–1585) gewährte auf seinen Gütern Angehörigen verschiedener religiöser Sekten wie Flaccianern, Mährischen Brüdern und Hutterern Zuflucht.

Heinz Dopsch

17. und 18. Jahrhundert

Die Voraussetzungen für den Aufstieg des Hauses Liechtenstein in die Gruppe der reichsten Adelsfamilien der Habsburgermonarchie (gemeinsam mit den Fürsten Esterházy und Schwarzenberg) schuf Karl I. (1569–1627). Stets stellte er seine politischen Fähigkeiten in den Dienst des Hauses Habsburg, vernachlässigte aber nie seine eigenen Interessen und die seiner Familie. Seit 1596 «Senior und Chef» des Hauses Liechtenstein, erfolgte 1599 sein überraschender Übertritt zum Katholizismus; bis 1602 konvertierten auch seine Brüder Maximilian (1578– 1643) und Gundaker (1580–1658). Karl erntete bald die ersten politischen Früchte seiner Konversion. Im Jahr 1600 erlangte er die nur wenigen Adeligen gewährte Würde eines Geheimen Rats, erhielt von Kaiser Rudolf II. das Amt des Obersthofmeisters und den Vorsitz im Geheimen Rat und übersiedelte nach Prag.

Bereits 1595–97 war es Karl gelungen, parallel zu seinem politischen Aufstieg seinen Besitz durch Erbschaft, Schenkungen und Ankäufe so zu vergrössern, dass er zu einem der reichsten Adeligen Mährens aufstieg. Nach der Doppelheirat Karls und Maximilians mit der mährischen Herrenfamilie der Boskowitz fielen 1597 die Herrschaften Černahora (Černá Hora) und Mährisch-Aussee (Úsov) an Karl, Butschowitz, Nowihrad (Novy Hrad) und Posořitz (Posořice) an Maximilian.

Durch den umfangreichen Besitzzuwachs sahen sich die Brüder Karl, Maximilian und Gundaker 1606 veranlasst, eine Revision der Erbeinigung von 1504 vorzunehmen und ein verbessertes Hausgesetz zu schaffen (unterzeichnet am 29.9.1606 in Feldsberg). Um den Fortbestand des Hauses Liechtenstein in ökonomischer wie auch in familialer Hinsicht «für alle Zeiten» sicherzustellen, wurde die Unteilbarkeit der Hausgüter durch Errichtung eines Familienfideikommisses verfügt. Die Brüder unterwarfen alle ihre Güter dem Fideikommiss. Die Möglichkeit der Veräusserung von Dominien wurde auf ein Minimum beschränkt. Maximilian und Gundaker setzten Karl in die Rechte der Primogenitur ein und traten ihm alle hierzu erforderlichen Rechte für sich und ihre Linien ab. Zur Finanzierung seiner Amtstätigkeit sollte dem Primogenitus die Nutzniessung der sogenannten Erstgeburtsgüter zustehen, namentlich Feldsberg, Eisgrub, Herrnbaumgarten, Plumenau (Plumlov) und Prossnitz (Prostějov). Er allein durfte die Lehen empfangen, übte die Patronate und alle Vormundschaften im Haus aus, war der Schiedsrichter in allen internen Konflikten und der Vertreter des Hauses nach aussen. Aus der bisherigen Seniorats- war eine Majoratsverfassung geworden. Diese Erbeinigung bildet bis heute die Grundlage des fürstlichen Hausrechts.

Im «habsburgischen Bruderzwist» stellte sich Karl auf die Seite des Erzherzogs und späteren Kaisers Matthias und verhalf ihm im Einvernehmen mit den protestantischen Teilen des Adels zur Erringung der Herrschaft in Mähren. Ein halbes Jahr später empfing er den Lohn für die dem Erzherzog geleisteten Dienste: Unter Hinweis auf den schon 1606 verliehenen Titel «Hoch- und Wohlgeboren» erhob Matthias Karl von Liechtenstein am 20.12.1608 unter Überspringung der Grafenwürde in den erblichen, erbländischen Fürstenstand. Karl war damit der erste «Neufürst» des 17. Jahrhunderts. 1612 erhielt das Haus Liechtenstein die Präzedenz vor allen anderen Häusern im Herrenstand beider Länder Österreich und Mähren – daraus leitete sich jener Anspruch ab, aus dem in Konkurrenz zu den nachdrängenden Familien der Hocharistokratie der spätere Erwerb eines Fürstentums am jungen Rhein erwuchs (1719).

Ausdruck von Karls starker Position war der Erwerb des alten schlesischen Piastenherzogtums Troppau (Opava) von der Hofkammer 1614. Er besass nun auch die Herzogswürde und war ausserdem mit Sitz und Stimme am schlesischen Fürstentag vertreten.

Wie schon im «habsburgischen Bruderzwist» verstand es Karl auch später, sich für die letztlich siegreiche Partei zu entscheiden, als er 1617 bei der Krönung des habsburgischen Thronerben Ferdinand von der Steiermark zum König von Böhmen massgeblich mitwirkte. Als 1618 der böhmische Ständeaufstand losbrach, hielt Karl strikt an seinem habsburgtreuen Kurs fest. Als Vertreter Kaiser Ferdinands II. sass er dem «Prager Blutgericht» vor, bei dem am 21.6.1621 27 Aufständische hingerichtet wurden. 1622 wurde er zum Statthalter von Böhmen bestellt, um weitere Prozesse gegen die «Rebellen» durchzuführen und gemeinsam mit kaiserlichen Kommissaren eine absolutistische Verfassung auszuarbeiten: «Die Verneuerte Landesordnung für Böhmen», die nach langen Vorarbeiten – erst nach Karls Tod – am 10.5.1627 erlassen wurde.

Die Niederschlagung der Rebellion zog eine Enteignungswelle nach sich, von der auch Karl und seine Brüder profitierten. Durch umfangreiche Schenkungen und Ankäufe aus dem Bestand der «heimgefallenen» Rebellengüter verfügte das Haus Liechtenstein um die Jahrhundertmitte bereits über rund 18 % Mährens. Am bedeutendsten war die 1622 erfolgte Schenkung der nordmährischen Güter Mährisch-Trübau (Moravská Třebová), Hohenstadt (Zábřeh), Eisenberg (Ruda), Goldenstein (Koldštýn), und der ebenfalls in Nordmähren gelegenen Städte Neustadt (Uničov) und Schönberg (Šumperk). Ebenfalls 1622 erfolgte die Belehnung mit dem schlesischen Herzogtum Jägerndorf (Krnov) durch Kaiser Ferdinand II. Dazu kamen finanzielle Gewinne aus der Beteiligung Karls an der planmässigen Münzverschlechterung durch das sogenannte Prager Münzkonsortium 1622. Auch Karls Brüder Maximilian und Gundaker trugen zur liechtensteinischen Güterakkumulation in jenen Jahren bei. Beide wurden 1623 ebenfalls in den erblichen Reichsfürstenstand erhoben.

Bis 1945 blieben fast alle in den Jahren nach 1620 erworbenen Besitzungen kontinuierlich im Besitz des Hauses Liechtenstein, allerdings durch die tschechoslowakische Bodenreform der 1920er Jahre um etwa die Hälfte verkleinert. Lediglich die Stadt Mährisch-Neustadt wurde 1632 wieder verkauft.

Als Fürst Karl 1627 starb, hatte sein Haus einen ungeheuren Aufstieg genommen. Kein anderer Aristokrat der Erblande hatte für sein Haus so viele Vorteile aus den Umwälzungen der ersten Phase des Dreissigjährigen Kriegs gezogen wie er. Karl und seine Brüder – Maximilian als kaiserlicher Militär und Gundaker als «Höfling» – setzten mit ihren Laufbahnen Akzente, die für die weitere Geschichte des Hauses Liechtenstein bestimmend blieben.

Nachfolger Karls als Primogenitus und Regierer des Gesamthauses war sein einziger Sohn Karl Eusebius (1611–1684). Karl Eusebius nahm die ihm seitens des Hofs angetragenen Ämter nur sehr zögernd wahr. Er setzte vor allem kulturelle Schwerpunkte, etwa durch die Gründung der fürstlichen Galerie (→ Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein). Im ökonomischen Bereich kommt Karl Eusebius das Verdienst zu, die im Dreissigjährigen Krieg weitgehend verwüsteten liechtensteinischen Herrschaften wieder aufgebaut zu haben.

Dritter Regierer des Hauses wurde 1684 Karl Eusebius’ einziger Sohn Johann Adam Andreas (1657–1712). Politisch trat er kaum in Erscheinung. In seiner Person vereinigten sich vielmehr wirtschaftliches Denken, Sammlerleidenschaft und Mäzenatentum. Seit 1684 konzentrierte er sich auf eine Rationalisierung der Ökonomie, mit der er seinen reichen Besitz gewinnfähig machte und Schulden tilgte. Er setzte die Expansionspolitik von Grossvater und Vater mit weiteren Güterankäufen vor allem in den böhmischen Ländern fort und investierte in den Bau neuer → Palais in und um Wien.

Aus Prestigegründen war Johann Adam Andreas bestrebt, Sitz und Stimme am Reichstag zu erlangen. Ihm gelang es, vom Haus Hohenems 1699 die reichsunmittelbare Herrschaft Schellenberg und 1712 die Grafschaft Vaduz, beide im Schwäbischen Reichskreis gelegen, zu erwerben. Damit schien es möglich, das lang angestrebte Ziel – die Zulassung zum Reichsfürstenrat – zu erreichen. Doch bevor es so weit war, starb Johann Adam Andreas.

Sein Nachfolger Anton Florian (1656–1721) vereinigte in seiner Hand mehr Macht als alle seine Vorgänger: 1711 fiel mit dem Tod seines Neffen Max Anton das Gundakarische Fideikommiss an ihn, ein Jahr später durch den Tod Johann Adam Andreas’ das Karolinische zusammen mit der Primogenitur des Hauses Liechtenstein. 1713 erwarb er Sitz und Stimme im Reichsfürstenrat. Die Zulassung erfolgte allerdings nur «ad personam», weshalb Anton Florian danach trachtete, die reichsunmittelbaren Herrschaften Vaduz und Schellenberg, die Fürst Johann Adam testamentarisch Josef Wenzel (1696–1772), einem Neffen Anton Florians, vermacht hatte, in seinen Besitz zu bringen. 1718 tauschte er mit Josef Wenzel Vaduz und Schellenberg gegen die böhmische Herrschaft Rumburg (Rumburk). Auf sein Bitten erhob Kaiser Karl VI. die Herrschaften Vaduz und Schellenberg am 23.1.1719 zum Reichsfürstentum Liechtenstein, dessen erster regierender Fürst Anton Florian bis zu seinem Tod 1721 war. Allerdings dauerte es bis 1723, bis der Sohn Anton Florians, Fürst Josef Johann Adam (1690–1732), nicht nur für sich und seine direkten Nachkommen, sondern für alle Agnaten des Hauses Liechtenstein, endgültige Aufnahme in den Reichsfürstenrat fand. Damit war das Haus Liechtenstein endlich in die Spitzengruppe der Reichsaristokratie aufgestiegen.

Von den weiteren Fürsten des 18. Jahrhunderts regierte der früh verstorbene Johann Nepomuk Karl (1724– 1748) nur drei Jahre. Franz Josef I. (1726–1781) und sein Sohn Alois I. (1759–1805) widmeten sich vor allem wirtschaftlichen Reformen auf den Familiengütern und dem kulturellen Leben. Der bedeutendste Regierer des Hauses Liechtenstein im 18. Jahrhundert war der zwischen Johann Nepomuk Karl und Franz Josef I. regierende Fürst Josef Wenzel. 1735–40 vertrat er als Gesandter beziehungsweise Botschafter das Kaiserhaus in Berlin und Paris. Höhepunkt seiner erfolgreichen militärischen Laufbahn war die Ernennung zum General-Direktor der gesamten kaiserlichen Artillerie (1744). Kaiser Franz I. verlieh ihm und seinen Nachfolgern als Anerkennung für seine Verdienste 1760 den Titel «Durchlaucht».

19. bis 21. Jahrhundert

Militärische und diplomatische Begabung führte auch Johann I. (1760–1836) schnell nach oben. Er bewährte sich vielfach in den fortgesetzten Kriegen gegen die Französische Revolution und ihren Erben Napoleon. 1809 wurde er in den Rang eines Feldmarschalls erhoben. Seine militärischen Fähigkeiten trugen Johann I. auch den Respekt Napoleons ein. Dies dürfte der Grund dafür gewesen sein, dass das Fürstentum Liechtenstein nicht wie andere kleinere Reichsterritorien den Mediatisierungen zum Opfer fiel, sondern 1806 als souveräner Staat in den Rheinbund aufgenommen wurde. Der Gewinn aus dem temporären Zusammenspiel mit Napoleon war hoch – der Fürst sicherte seinem Fürstentum die Souveränität und seiner Dynastie ihren Rang. Der Wiener Kongress bestätigte die Souveränität des Fürstentums, 1815 erfolgte dessen Eintritt in den Deutschen Bund. In Liechtenstein vertrat Johann I. einen reformerischen Spätabsolutismus, woran sich auch durch die landständische Verfassung von 1818 nichts änderte.

In dynastischer Hinsicht hatte Johann I. den Aufstieg des Hauses seit dem frühen 17. Jahrhundert gleichsam vollendet. Das Haus Liechtenstein überholte eine ganze Reihe reichsgräflicher und vor allem neufürstlicher Häuser, die bis dahin eine prominentere Stellung innegehabt hatten.

Johanns Nachfolger Alois II. von Liechtenstein (1796–1858) stellte das Selbstverständnis des Hauses Liechtenstein auf eine neue Grundlage. Hatte Johann I. das Fürstentum noch aus der Perspektive des mit dem Wiener Hof eng verbundenen Aristokraten gesehen, so betrachtete Alois die Souveränität des Fürstentums Liechtenstein bereits als Hauptfundament der Stellung des Hauses Liechtenstein. Alois besuchte 1842 als erster regierender Fürst überhaupt Liechtenstein und erliess sein Familienstatut im selben Jahr in Vaduz. Das geltende Erbfolgerecht ergänzte er darin durch eine kognatische Nachfolgeregelung, die beim Fehlen eines männlichen Erben einer Frau (Erbtochter) das Fürstenamt ermöglichen sollte.

Sein Sohn Fürst Johann II. (1840–1929) regierte während sieben Jahrzehnten, von 1858 bis 1929, überliess jedoch 1859–60 die Ausübung der Regierungsgeschäfte seiner Mutter, Fürstin Franziska (1813– 1881). Obwohl er sich vom politischen Leben weitgehend fernhielt, kam es unter Johann II. zu zwei für das Fürstenhaus und den Staat bedeutenden politischen Umbrüchen: Nachdem in der Revolution 1848 der Übergang zum Konstitutionalismus noch gescheitert war, setzte sich unter ihm mit der Verfassung von 1862 ein konstitutionelles Verständnis der Monarchenrolle durch. Nach dem Ersten Weltkrieg erfolgte die aussenpolitische Umorientierung von Österreich zur Schweiz. Innenpolitisch machte die liechtensteinische Verfassung von 1921 den Schritt zur parlamentarischen Regierungsform. Wie viele seiner Vorfahren war Johann II. ein Förderer von Kunst und Wissenschaft. Die Traditionen des Hauses Liechtenstein setzte er durch eine ausgeprägte Sammeltätigkeit fort. Ein grosses Anliegen war ihm die Pflege der historischen Wissenschaften. Die dreibändige Geschichte des Hauses Liechtenstein von Jacob von Falke ist nur ein Beispiel dafür.

Ein Gipfelpunkt in der Geschichte des Aufstiegs des Hauses Liechtenstein war die 1903 geschlossene Ehe von Prinz Alois (1869–1955) mit der Nichte Kaiser Franz Josefs, Erzherzogin Elisabeth Amalie von Österreich (1878–1960). Der Eheschliessung waren lange Verhandlungen bezüglich des Status des Hauses Liechtenstein vorausgegangen. Dem Kaiser selbst war daran gelegen, dessen Stellung als eigene Dynastie zu betonen, um es von den anderen Hochadelsgeschlechtern der Habsburgermonarchie abzugrenzen.

Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts brachte für das Haus Liechtenstein schwere Erschütterungen. Die erste Zäsur erfolgte 1918 durch den Zusammenbruch der Habsburgermonarchie. Die neu gegründete tschechoslowakische Republik verweigerte dem Fürstentum Liechtenstein die diplomatische Anerkennung. Durch eine Bodenreform wurde der Familienbesitz in Böhmen und Mähren stark reduziert. Die hohen Erbschaftssteuern in der Tschechoslowakei waren das Motiv, in der Fürstennachfolge eine ganze Generation zu überspringen. Nach dem kinderlosen Brüderpaar Johann II. und Franz (1853–1938), der 1929–38 als Fürst Franz I. regierte, waren die Söhne des Prinzen Alfred (1842–1907) erbberechtigt. Doch 1923 verzichteten Prinz Franz (1868–1929) und Prinz Alois, der Gemahl der Erzherzogin Elisabeth Amalie, auf die fürstliche Majoratsanwartschaft und auf die Thronfolge im Fürstentum Liechtenstein. Die Sukzession ging damit auf Alois’ ältesten Sohn Franz Josef (1906–1989), das Patenkind des Kaisers, über. Franz Josef II. verlegte 1938 – nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich – als erster Regent des Hauses Liechtenstein seinen ständigen Wohnsitz auf das Schloss Vaduz.

Die zweite Zäsur erfolgte 1945 durch die Konfiskation des gesamten Besitzes auf dem Gebiet der Tschechoslowakei. Damit waren nicht nur die materiellen Grundlagen des Hauses Liechtenstein bedroht, sondern auch dessen jahrhundertelange Verbundenheit mit den böhmischen Ländern. Die kritische Situation konnte jedoch bewältigt werden. Die fürstliche Gemäldegalerie wurde 1944/45 nach Vaduz gerettet. Das Haus Liechtenstein beteiligte sich durch zahlreiche Initiativen am wirtschaftlichen Aufschwung, den das Fürstentum Liechtenstein nach 1945 nahm, besonders auch durch die 1930 vom Fürstenhaus erworbene LGT Bank in Liechtenstein.

Seit 1984 regiert Franz Josefs ältester Sohn Hans-Adam, zunächst als Stellvertreter seines Vaters, seit dessen Tod 1989 als Fürst Hans-Adam II. Noch als Erbprinz hatte er in den 1960er–70er Jahren das Familienvermögen saniert und reorganisiert, wobei unter anderem am 3.1.1970 der Fideikommiss in die «Fürst von Liechtenstein Stiftung» umgewandelt worden war. 1993 regelte das Fürstenhaus die Familienverhältnisse in einem neuen Hausgesetz. Die Stellung des Fürstenhauses wurde aussenpolitisch durch den liechtensteinischen Beitritt zur UNO (1990), innenpolitisch durch die Verfassungsrevision von 2003 abgesichert. Seit 2004 übt Erbprinz Alois als Stellvertreter Hans-Adams II. die fürstlichen Hoheitsrechte aus, Letzterer blieb jedoch Staatsoberhaupt.

In der Verbindung zwischen Haus und Staat Liechtenstein hat der Letztere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts an Gewicht gewonnen. Dennoch ist auch die heutige Bedeutung des Fürstentums Liechtenstein von der Geschichte des Hauses Liechtenstein nicht zu trennen.

Arthur Stögmann

Archive

  • Hausarchiv des Regierenden Fürsten von Liechtenstein Vaduz (HALV).
  • Hausarchiv des Regierenden Fürsten von Liechtenstein Wien (HALW).
  • Liechtensteinisches Landesarchiv.

Literatur

  • Samuel C. Dotson: Genealogie des Fürstlichen Hauses Liechtenstein seit Hartmann II. (1544–1585), Falköping 2003.
  • Jean-Paul Divo: Die Münzen und Medaillen der Fürsten von Liechtenstein, 2000.
  • Heinz Dopsch: Liechtenstein – Herkunft und Aufstieg eines Fürstenhauses, in: Bausteine zur liechtensteinischen Geschichte. Studien und studentische Forschungsbeiträge, hg. von Arthur Brunhart, Bd. 2: Neuzeit: Land und Leute, Zürich 1999 , S. 7–67.
  • Thomas Winkelbauer: Fürst und Fürstendiener. Gundaker von Liechtenstein, ein österreichischer Aristokrat des konfessionellen Zeitalters, Wien 1999.
  • Gerald Schöpfer: Klar und fest: Geschichte des Hauses Liechtenstein, 1996.
  • Harald Wanger: Die regierenden Fürsten von Liechtenstein, Triesen 1995.
  • Thomas Winkelbauer: Haklich und der Korruption unterworfen. Die Verwaltung der liechtensteinischen Herrschaften und Güter im 17. und 18. Jahrhundert, in: Der ganzen Welt ein Lob und Spiegel. Das Fürstenhaus Liechtenstein in der frühen Neuzeit, hg. von Evelin Oberhammer, Wien 1990, S. 86–114.
  • Volker Press: Das Haus Liechtenstein in der europäischen Geschichte, in: Liechtenstein - fürstliches Haus und staatliche Ordnung. Geschichtliche Grundlagen und moderne Perspektiven, Vaduz 1987, 21988, S. 15–85.
  • Gustav Wilhelm: Stammtafeln des fürstlichen Hauses Liechtenstein, o.J. [1980].
  • Georg Schmid: Das Hausrecht der Fürsten von Liechtenstein, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 78 (1978), S. 1–181.
  • Hannes Stekl: Österreichs Aristokratie im Vormärz. Herrschaftsstil und Lebensformen der Fürstenhäuser Liechtenstein und Schwarzenberg, München 1973.
  • Jacob von Falke: Geschichte des fürstlichen Hauses Liechtenstein, 3 Bände, 1868–82 (Nachdruck 1984).

Von der Redaktion nachträglich ergänzt

Zitierweise

<<Autor>>, «Liechtenstein, von», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 17.2.2025.

Medien

Herzogshut der Fürsten von Liechtenstein, nach 1614 (Bildarchiv LLM). Fürst Karl I. wurde 1614 Herzog von Troppau und 1623 Herzog von Jägerndorf. Als Zeichen seines neuen Stands liess er sich einen mit Rubinen, Diamanten und Perlen besetzten Herzogshut anfertigen. Das Original ist verloren. Im Liechtensteinischen Landesmuseum befindet sich diese Nachbildung.

Liechtenstein von Das Wappen.jpg

Besitzungen des Hauses Liechtenstein in Böhmen, Mähren und Österreich, in Auswahl (erstellt von Heinz Dopsch, Seekirchen, Kartografie: Andreas Bachmayr, Uttendorf). Die Besitzungen auf den Gebieten der heutigen Tschechischen bzw. Slowakischen Republik wurden teils nach dem Ersten Weltkrieg, teils aufgrund der Beneš-Dekrete nach dem Zweiten Weltkrieg enteignet.
Vereinfachte Stammtafel des Hauses Liechtenstein bis Hartmann II.
Vereinfachte Stammtafel des Hauses Liechtenstein von Hartmann II. bis Johann I. Josef
Vereinfachte Stammtafel des Hauses Liechtenstein seit Alois II.
Farben des Fürstenhauses Liechtenstein (Regierung des Fürstentums Liechtenstein).