Liechtenstein (Fürstentum)

Autor: Heinz Dopsch | Stand: 31.12.2011

Seit 1719 ist das Gebiet der ehemaligen Grafschaft Vaduz und der ehemaligen Herrschaft Schellenberg ein nach den Fürsten von Liechtenstein benanntes Fürstentum. 1633–47 hatte das Gebiet der Herrschaft Mährisch-Kromau und der Herrschaft Ungarisch-Ostra den Namen «Fürstentum Liechtenstein» getragen.

Karl I. von Liechtenstein, seit 1606 Obersthofmeister Kaiser Rudolfs II., sollte von diesem unter Überspringung des Grafenstands zum Reichsfürsten erhoben werden. Der Kaiser unterzeichnete am 8.8.1607 das Fürstendiplom, kassierte es aber vor der Aushändigung, da Karl zu Rudolfs Bruder Matthias übergegangen war. Dieser erhob als König von Ungarn und Erzherzog von Österreich unter Berufung auf das kaiserliche Diplom am 20.12.1608 Karl erneut in den Fürstenstand und verlieh ihm «den Namen eines Herzogs oder Fürsten». 1614 und 1622 erhielt Karl ausserdem die Herzogtümer Troppau (Opava) und Jägerndorf (Krnov) in Schlesien. Kaiser Ferdinand II. erhob am 23.6.1620 Karl I. erneut und 1623 auch dessen Brüder Maximilian und Gundaker in den erblichen Reichsfürstenstand. Auf Bitten Gundakers vereinigte der Kaiser am 20.9.1633 die Herrschaften Mährisch-Kromau und Ungarisch-Ostra zum Fürstentum Liechtenstein, wobei die Stadt Kromau in Liechtenstein umbenannt wurde. Der Versuch Gundakers, den Namen Liechtenstein auf seine Residenz Ungarisch-Ostra zu übertragen, scheiterte, und schon 1647 fand das «erbländische Titularfürstentum» Liechtenstein mit der Trennung von Mährisch-Kromau und Ungarisch-Ostra ein Ende.

Sitz und Stimme auf der weltlichen Fürstenbank des Reichstags konnte das Haus Liechtenstein – ähnlich wie die Häuser Schwarzenberg und Windischgrätz – mit seinem Fürstentum in Mähren, mit den schlesischen Herzogtümern und mit einer Vielzahl von Herrschaften in Böhmen, Mähren und Österreich nicht erlangen, da diese nicht unmittelbar Kaiser und Reich, sondern den Habsburgern als Königen von Böhmen beziehungsweise Herzögen von Österreich und Schlesien unterstanden. Dazu war es erforderlich, ein Fürstentum innerhalb des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation zu erwerben, das direkt vom Kaiser verliehen wurde. Diesem Zweck diente der Kauf der Herrschaft Schellenberg (1699) von den hoch verschuldeten Grafen von Hohenems. Aber nicht der Besitz dieser Herrschaft, sondern die Gewährung eines hohen unverzinslichen Darlehens (250 000 Gulden) führten 1707 zur Zulassung des Fürsten Johann Adam Andreas von Liechtenstein (†1712) auf der weltlichen Fürstenbank des Schwäbischen Kreises. 1712 gelang dem Fürsten auch der Kauf der Grafschaft Vaduz von den Hohenemsern.

Fürst Anton Florian von Liechtenstein, der Erzieher und Obersthofmeister Kaiser Karls VI., der für seine Person bereits 1713 Sitz und Stimme im Reichsfürstenrat erhalten hatte, tauschte Vaduz und Schellenberg 1718 von seinem Neffen Josef Wenzel Lorenz gegen die Herrschaft Rumburg in Böhmen ein. Am 23.1.1719 erhob Kaiser Karl VI. auf Bitte Anton Florians Vaduz und Schellenberg unter Bezugnahme auf das einstige Fürstentum Liechtenstein in Mähren zum Reichsfürstentum Liechtenstein. Die Umbenennung von Vaduz in Markt Hohenliechtenstein 1719 konnte sich auf die Dauer ebenso wenig durchsetzen wie einst in Mährisch-Kromau. 1723 erfolgte die formelle Einführung (Introduktion) von Anton Florians Sohn, Josef Johann Adam, auf der weltlichen Fürstenbank des Reichstags. Die Fürstenwürde des Hauses Liechtenstein und die Erhebung zum Fürstentum 1719 waren wesentliche Faktoren für das spätere eigenstaatliche Fortbestehen (→ Souveränität) über das Ende des alten Reichs (1806) und auch des 1815 geschaffenen Deutschen Bunds (1866) hinaus. Die einzige Parallele dazu ist das Grossherzogtum Luxemburg.

Quellen

  • Rudolph Jenne (Hg.): Documenta Liechtensteiniana. Cura Alfredi principis a Liechtenstein, o.O., o.J. [III, 1910].

Literatur

  • Thomas Winkelbauer: Fürst und Fürstendiener. Gundaker von Liechtenstein, ein österreichischer Aristokrat des konfessionellen Zeitalters, Wien 1999, S. 321–353.
  • Michael Hörrmann: Fürst Anton Florian von Liechtenstein (1656–1721). Bedingungen und Grenzen adeliger Familienpolitik im Zeitalter Kaiser Karls VI., in: Liechtenstein – Fürstliches Haus und staatliche Ordnung. Geschichtliche Grundlagen und moderne Perspektiven, hg. von Volker Press und Dietmar Willoweit, Vaduz/München/Wien 1987, 21988, S. 189–209.
  • Harry Schlip: Die neuen Fürsten. Zur Erhebung in den Reichsfürstenstand und zur Aufnahme in den Reichsfürstenrat im 17. und 18. Jahrhundert, in: Liechtenstein – Fürstliches Haus und staatliche Ordnung. Geschichtliche Grundlagen und moderne Perspektiven, hg. von Volker Press und Dietmar Willoweit, Vaduz/München/Wien 1987, 21988, S. 249–292.
  • Thomas Schulz: Liechtenstein im Schwäbischen Kreis, in: Liechtenstein - Fürstliches Haus und staatliche Ordnung. Geschichtliche Grundlagen und moderne Perspektiven, hg. von Volker Press und Dietmar Willoweit, Vaduz/München/Wien 1987, 21988, S. 311–328.
  • Thomas Klein: Die Erhebungen in den weltlichen Reichsfürstenstand 1550–1806, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 122 (1986), S. 137–192.
  • Volker Press: Die Entstehung des Fürstentums Liechtenstein, in: Das Fürstentum Liechtenstein. Ein landeskundliches Portrait, hg. von Wolfgang Müller, Bühl/Baden 1981, S. 63–91.

Von der Redaktion nachträglich ergänzt

  • Katharina Arnegger: Das Fürstentum Liechtenstein. Session und Votum im Reichsfürstenrat, Münster 2019.

Zitierweise

<<Autor>>, «Liechtenstein (Fürstentum)», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 16.2.2025.

Medien

Erhebung der Grafschaft Vaduz und der Herrschaft Schellenberg zum Reichsfürstentum Liechtenstein durch Kaiser Karl VI., Urkunde vom 23. Januar 1719 mit dem goldenen Siegel des Kaisers (Goldene Bulle). © LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna.