
Lotterien
Autor: Lukas Ospelt | Stand: 9.9.2021
Bei einer Lotterie handelt es sich um ein Glücksspiel, bei dem Geld- oder Sachgewinne nach einem Ziehungsplan ausgespielt werden, wobei der Zufall über Gewinn oder Verlust des Einsatzes entscheidet (Klassenlotterie, Zahlenlotto, Toto, Tombola).
Den ersten Versuch einer Lotteriegründung in Liechtenstein unternahm Christian Heinrich Natasse aus Dresden 1812. 1843 bemühte sich Vincent Masson aus dem Kanton Waadt, Liechtenstein zum Sitz einer Lotteriegesellschaft zu machen. Beide Gesuche wurden vom Fürsten abschlägig beschieden. Mit Verordnung der fürstlichen Hofkanzlei vom 5.3.1847 wurde die Errichtung von Lottos, Lotterien und Spielbanken verboten und das Sammeln für auswärtige Lottos und Lotterien untersagt. Jedoch waren mit Bewilligung des Oberamtes Lotterien für wohltätige Zwecke oder zur Unterstützung Verunglückter zulässig.
Aufgrund des Zollvertrages mit dem Kaisertum Österreich von 1852 (→Zollwesen) fanden in Liechtenstein die österreichische Zoll- und Staatsmonopolordnung sowie das Gefälls-Strafgesetz vom 11.7.1835 Anwendung, wobei letzteres Strafbestimmungen für die Übertretung der österreichischen Lotterievorschriften enthielt. Es knüpfte an die österreichischen Lotto-Patente vom 21.10.1787 und 13.3.1813 an, durch die sich der österreichische Staat das ausschliessliche Recht zur Abhaltung von Lotterien vorbehalten hatte (Lottoregal). Aufgrund dessen fanden in den staatlichen Lottoämtern in Österreich periodisch öffentliche Ziehungen statt, unter anderem in Innsbruck. Solche Lose konnten auch im k.k. Postamt in Vaduz erstanden werden. Das österreichische Reichsgesetz vom 28.3.1889 erklärte die öffentliche Ankündigung verbotener Lotterien sowie die Veröffentlichung solcher Ziehungslisten zur schweren Gefällsübertretung. In Liechtenstein waren zudem nach dem Hausiergesetz von 1870 Lotterielose vom Hausierhandel ausgeschlossen.
Da mit der Kündigung des Zollvertrags 1919 das österreichische Lotterierecht für Liechtenstein weggefallen war, legte die Regierung dem Landtag 1923 den Entwurf eines Lotteriegesetzes vor, welches jedoch nicht verabschiedet wurde. Erst das Personen- und Gesellschaftsrecht von 1926 bestimmte, dass die Errichtung und der Betrieb von Lotterieunternehmen und der Vertrieb von ausländischen Losen der Bewilligung und Überwachung seitens der Regierung bedurften. Schon im September 1925 hatte die Regierung – bereits unter dem Regime des Zollanschlussvertrags mit der Schweiz – eine Konzession für eine Klassenlotterie in Liechtenstein gewährt, trotz Bedenken wegen des schweizerischen Lotteriegesetzes von 1923, das Lotterien für nicht-wohltätige Zwecke verbot. Im selben Jahr 1925 wurde in Vaduz die Duggan-Lotterie (auch Mutual Club) gegründet. Aufgrund deren Tätigkeit beschloss der schweizerische Bundesrat im April 1933 ohne vorherige Verständigung der liechtensteinischen Regierung, dass das schweizerische Lotteriegesetz ab 1.1.1934 im Rahmen des Zollvertrages auch auf Liechtenstein anzuwenden sei. Angesichts der drohenden Kündigung des Zollvertrages durch die Schweiz musste sich der Landtag am 28.12.1933 der Anwendbarkeit der eidgenössischen Lotteriegesetzgebung beugen. Von da an enthielten die Bekanntmachungen der Regierung über die in Liechtenstein anwendbaren schweizerischen Rechtsvorschriften bis 2010 das eidgenössische Lotterierecht.
Seit 1940 führt die schweizerische Interkantonale Landeslotterie (seit 2003 Swisslos) auch in Liechtenstein Lotterien und Sportwetten durch, gestützt auf einen Vertrag. Zwei Drittel des liechtensteinischen Gewinnanteils fliessen seit 1987 an die Stiftung «Pro Liechtenstein» bzw. seit 2007 an die Kulturstiftung Liechtenstein (→Kulturförderung). Das übrige Drittel aus diesem Topf und der liechtensteinische Gewinnanteil am Ertrag der schweizerischen Sport-Toto-Gesellschaft bezog die Stiftung «Liechtensteinischer Sportfonds», welche im April 2000 aufgehoben wurde. Seither fällt dieses Drittel in die allgemeine Staatskasse.
Mit dem Inkrafttreten des liechtensteinischen Geldspielgesetzes Anfang 2011 gilt das eidgenössische Lotterierecht in Liechtenstein im Sinne des Zollvertrages nur noch für schweizerische Grossveranstalter von Lotterien und Sportwetten. Darunter fällt nur die Swisslos, die 2020 einen Gewinnanteil von 2,27 Mio. Franken an Liechtenstein ablieferte. Kleinveranstalter, die im Laufe des Kalenderjahres Einsätze von weniger als 25 000 Franken für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke generieren, sind gemäss der Lotterie- und Wettverordnung von 2010 von der Bewilligungspflicht befreit. Sie müssen jedoch dem Amt für Volkswirtschaft vorgängig die Durchführung einer Lotterie melden.
Von 1995 bis 2012 bestand mit der «Internationalen Lotterie in Liechtenstein Stiftung» (ILLF) ein frühes Internet-Glücksspielunternehmen. 2011 regelte die Regierung die Durchführung von Online-Gelspielen per Verordnung. Ein auf Ende 2023 befristetes Moratorium für die Konzessionserteilung von Online-Geldspielen gilt auch für Lotterien.
Quellen
- Tätigkeitsberichte des Amtes für Volkswirtschaft/Abteilung Geldspielaufsicht 2017–, Vaduz 2018–.
- Geldspielgesetz (GSG) vom 30. Juni 2010, LGBl. 2010, Nr. 235, in der geltenden Fassung.
- Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein betreffend die Schaffung eines Geldspielgesetzes (GSG) sowie die Abänderung weiterer Gesetze (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb; Fernabsatzgesetz; Strafgesetzbuch; Steuergesetz; Gewerbegesetz; Konsumentenschutzgesetz; Sorgfaltspflichtgesetz), Vaduz 3.2.2010 (= Bericht und Antrag Nr. 3/2010).
- Landtag, Regierung und Gerichte. Bericht des Landtages, Rechenschaftsbericht der Regierung an den Hohen Landtag, Berichte der Gerichte, Landesrechnung 2009–, hg. von der Regierung des Fürstentums Liechtenstein, Vaduz 2010–.
- Vertrag vom 1./5. April 1940 zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Interkantonalen Landeslotterie-Genossenschaft in Aarau betreffend die Durchführung der Interkantonalen Landeslotterie im Fürstentum Liechtenstein (Liechtensteinisches Landesarchiv, Vaduz), ediert in: e-archiv.li. Publikationsplattform des Liechtensteinischen Landesarchivs.
- Verbot über Errichtung von Lottos, Lotterien und Spielbanken, Verordnung vom 5. März 1847 (Liechtensteinisches Landesarchiv, Vaduz), ediert in: e-archiv.li. Publikationsplattform des Liechtensteinischen Landesarchivs.
- Lotto-Patent vom 13. März 1813, in: Sr. k.k. Maiestät Franz des Ersten politische Gesetze und Verordnungen für die Oesterreichischen, Böhmischen und Galizischen Erbländer, Bd. 40, Wien 1815, S. 41–60, Politische Gesetzessammlung (PGS) 1813, Nr. 27.
- Lotteriepatent vom 21. Oktober 1787, in: Handbuch aller unter der Regierung des Kaisers Joseph des II für die KK Erbländer ergangenen Verordnungen und Gesetze, Bd. 13, Wien 1789, S. 411–414.
Literatur
- Krieg, Souveränität und Demokratisierung. Dokumente zur liechtensteinischen Geschichte zwischen 1900 und 1930, bearbeitet von Lukas Ospelt und Paul Vogt, Vaduz/Zürich 2015, S. 101–104.
- Rupert Quaderer-Vogt: Bewegte Zeiten in Liechtenstein 1914 bis 1926, Band 3, Vaduz/Zürich 2013, S. 240–261.
- Peter Geiger: Krisenzeit. Liechtenstein in den Dreissigerjahren 1928–1939, Bd. 2, Vaduz/Zürich 1997, S. 28f.
- Alois Ospelt: Wirtschaftsgeschichte des Fürstentums Liechtenstein im 19. Jahrhundert. Von den napoleonischen Kriegen bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 72 (1972), S. 5–423, hier S. 325f.
- Franz von Myrbach: Lotto, in: Österreichisches Staatswörterbuch. Handbuch des gesammten österreichischen Öffentlichen Rechtes, hg. von Ernst Mischler und Josef Ulbrich, Wien 1896, S. 669–672, hier S. 669.
Zitierweise
<<Autor>>, «Lotterien», Stand: 9.9.2021, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 17.2.2025.