Münzwirren

Autor: Donat Büchel | Stand: 31.12.2011

Die Münzwirren von 1874/75–78 bildeten die grösste innenpolitische Krise in Liechtenstein zwischen 1862 und 1914 und führten zur Einführung der beiden Wahlkreise Ober- und Unterland (→ Wahlsysteme).

1873–76 sank der Wert des österreichischen Silberguldens, der seit 1859 gesetzliches Zahlungsmittel in Liechtenstein war, um rund 10 % (→ Geld). Das führte zu Nachteilen im Handel mit der Schweiz, die über eine Goldwährung verfügte, weshalb vor allem im Oberland die Einführung der stabileren Goldwährung gefordert wurde. Die Unterländer, die vor allem mit Vorarlberg Handel trieben und dabei keine sichtbaren Verluste erlitten, sprachen sich grösstenteils für den Beibehalt des bisherigen Systems aus, unter anderem in Petitionen an den Fürsten (1875) und den Landtag (1876). Über die Währungsfrage wurde in der «Liechtensteinischen Wochenzeitung» und in der «Feldkircher Zeitung» sowie ab 1874 im Landtag gestritten.

Nachdem die Erneuerung des Zollvertrags mit Österreich 1876 Liechtenstein die Währungshoheit gebracht hatte, führte der Landtag am 23.12.1876 die Goldwährung und damit faktisch den Schweizer Franken als gesetzliches Zahlungsmittel ein. Die vier Landtagsabgeordneten aus dem Unterland hatten im Vorfeld der Sitzung aus Protest ihre Mandate niedergelegt. Am 13.1.1877 fand in Vaduz eine Demonstration von – je nach Quelle – 300 oder 600 Unterländern statt. Sie verlangten von Landesverweser Karl Haus von Hausen die Auflösung des Landtags sowie die Ausserkraftsetzung des Münzgesetzes und drohten, im Fall der Nichtannahme ihrer Forderungen das Unterland an Österreich anzuschliessen. Die elf verbliebenen Abgeordneten gaben dem Druck nach und legten am 15.1.1877 ihre Mandate nieder. Am 18.1.1877 löste Fürst Johann II. das Parlament auf und setzte das Münzgesetz mittels Notverordnung ausser Kraft. Es sollte aber vom neu zu wählenden Landtag erneut behandelt werden.

Im ersten Wahlgang der Landtagswahlen vom 30.4.1877 wählten die Wahlmänner nur Oberländer, weshalb die Unterländer Wahlmänner nicht mehr zum zweiten Wahlgang erschienen. Da damit weniger als zwei Drittel der Wahlmänner anwesend waren, mussten die Wahlen abgebrochen werden. Nach monatelangen Verhandlungen einigten sich Vertreter von Ober- und Unterland auf einen Kompromiss: die Landtagswahlen wurden am 18.10.1877 fortgesetzt, worauf der neu gewählte Landtag die Bildung der beiden Wahlkreise Oberland (sieben Abgeordnete) und Unterland (fünf Abgeordnete) beschloss und danach wieder aufgelöst wurde. Am 15.5.1878 fanden erstmals Landtagswahlen nach dem neuen Modus statt. Das Parlament behandelte das Münzgesetz nicht mehr; Liechtenstein blieb beim österreichischen Silbergulden. Die Finanzkrise wurde erst durch den Übergang Österreichs zur Goldwährung (Krone) 1898 behoben.

Literatur


Von der Redaktion nachträglich ergänzt

  • Elias Quaderer: Von «Goldmännern» und «Österreichern». Die «Münzwirren» im Fürstentum Liechtenstein 1874–1878, in: Jahrbuch Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 120 (2021), S. 125–202.

Zitierweise

<<Autor>>, «Münzwirren», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 12.2.2025.