Marxer (-Kaiser), Melitta

Autorin: Claudia Heeb-Fleck | Stand: 27.6.2024

Frauenrechtsaktivistin.*8.9.1923 Schaanwald, †13.2.2015 Vaduz, von Mauren. Tochter des Automonteurs und Erfinders Josef Kaiser und der Lydia, geb. Matt, vier Geschwister. 25.4.1949 Felix Marxer (*28.5.1922, †29.11.1997), Sekundarlehrer und Museumsleiter, drei Töchter, darunter Regina Marxer.

Marxer-Kaiser wuchs in Schaanwald auf. Sie besuchte als eines der wenigen Mädchen die Realschule Eschen. Der Wunsch, Lehrerin zu werden, blieb ihr verwehrt. Bis zur Heirat 1949 war sie als Keramikmalerin und Zahnarzthelferin erwerbstätig. Danach arbeitete sie als Familienfrau, machte den Haushalt, betreute die Kinder und verpflegte über viele Jahre zusätzlich Kostgänger. Später war sie zudem als Teilzeitangestellte im Liechtensteinischen Landesmuseum tätig.

Marxer-Kaiser förderte als Korpskommissärin der liechtensteinischen Pfadfinderinnen (1961 bis 1970) die Gleichberechtigung der Mädchen und Frauen innerhalb der heimischen Pfadfinderbewegung. Sie organisierte unter anderem 1966 den Liechtenstein-Besuch von Lady Olave Baden-Powell, der Frau des Gründers der Pfadfinderbewegung. Von 1971 bis 1984 engagierte sie sich für die Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts in Liechtenstein und gehörte als einzige Frau ihrer Generation der Arbeitsgruppe für die Frau (1971 bis 1973) und der Aktion Dornröschen (1981 bis 1984) an. Sie war 1982 Mitinitiantin der abgelehnten Verfassungsklage, die darauf abzielte, das Frauenstimmrecht auf Grundlage von Artikel 31 der Verfassung auf gerichtlichem Weg einzuführen, und gehörte 1983 zu den zwölf Frauen, die nach Strassburg reisten, um bei der parlamentarischen Versammlung des Europarates auf das fehlende Frauenstimmrecht in Liechtenstein hinzuweisen. 1985 war sie Mitgründerin des Initiativkomitees «Gleiche Rechte für Mann und Frau», dessen Anliegen 1985 an der Stimmurne scheiterte und erst 1992 Eingang in die Verfassung fand (→ Gleichstellung).

Nach der Ablehnung der Initiative kam es zu einer Verlagerung des Engagements Marxer-Kaisers hin zur Friedens- und «Dritte-Welt-Bewegung». Sie gründete eine Friedensgruppe und organisierte zum Internationalen Jahr des Friedens 1986 eine Ausstellung mit 250 Zeichnungen von Kindern und Jugendlichen. 1987 nahm sie am Weltfriedenskongress der Frauen in Moskau teil. Von 1990 bis 1999 arbeitete sie im Vorstand des Vereins Welt und Heimat mit, der einen «Welt- und Naturlada» führte und sich für fairen Handel und partnerschaftliche Entwicklungszusammenarbeit einsetzte. Von 1997 bis 2001 war sie Mitarbeiterin im Senioren-Presseteam.

Marxer-Kaiser kann als erste Archivarin der liechtensteinischen Frauenstimmrechtsbewegung gelten. Ihr Nachlass wurde zu einem wichtigen Teil des 2018 initiierten Frauenarchivs Liechtenstein. Marxer-Kaiser wusste um das weitgehende Fehlen der Frauen in der liechtensteinischen Geschichtsschreibung. Sie verfasste Kurzbiografien von Frauen und thematisierte die Rolle der Frau in Leserbriefen in der liechtensteinischen Presse. In ihrem Nachlass im Frauenarchiv finden sich viele Texte und Dokumente zur weiblichen Geschichte und Biografik sowie zu verschiedenen gesellschaftspolitischen Fragestellungen.

Mit ihrem von 1961 bis ins hohe Alter fortgeführten ehrenamtlichen, zivilgesellschaftlichen Engagement zählt Marxer-Kaiser zu den Pionierinnen der Gleichberechtigung und Chancengleichheit sowie der Friedens- und Entwicklungszusammenarbeit in Liechtenstein.

Archive

Werkauswahl

  • Melitta Marxer: Potztausig an Buab – Potzhundert a Matle!, in: Inventur. Zur Situation der Frauen in Liechtenstein, hg. vom Frauenprojekt Liechtenstein, Bern/Dortmund 1994, S. 18–20.
  • Felix Marxer, Melitta Marxer: «… erfüll froh deine Pflicht», in: Fabriklerleben. Industriearchäologie und Anthropologie, Publikation zur Ausstellung, hg. von Hansjörg Frommelt im Auftrag des Liechtensteinischen Landesmuseums, Redaktion: Robert Allgäuer, Hansjörg Frommelt, Hanspeter Gassner, Triesen/Zürich/Vaduz 1994, S. 409–414.

Literatur

  • Claudia Heeb-Fleck: Melitta Marxer-Kaiser, Pionierin der Gleichberechtigung, politische Denkerin und Visionärin, in: Jahrbuch Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 123 (2024), S. 179–202.
  • Claudia Heeb-Fleck: Eine Pionierin der Gleichberechtigung, in: Liechtensteiner Vaterland, 7.9.2023, S. 9.
  • Die andere Hälfte. Ein Film von Isolde Marxer [Dokumentarfilm], Teil 1: Der Weg zum Frauenstimmrecht in Liechtenstein, Teil 2: Der Weg zur Gleichstellung in Liechtenstein, Produktion: Verein Bildungsarbeit für Frauen, Vaduz 2002.
  • Patricia Büchel: Ungerechtigkeit hab‘ ich nie ertragen. Rückblicke engagierter Frauen, Bern 1994, S. 102–121.

Medien

Melitta Marxer-Kaiser, Standbild aus dem Film «Die andere Hälfte» von Isolde Marxer aus dem Jahr 2002 (Privatbesitz Claudia Heeb-Fleck).

Zitierweise

<<Autor>>, «Marxer (-Kaiser), Melitta», Stand: 27.6.2024, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 6.2.2025.