
Menzinger, Johann Michael
Autor: Karl Heinz Burmeister | Stand: 31.12.2011
Landvogt. *2.12.1792 Vaduz, †5.9.1877 Überlingen (D). Sohn des liechtensteinischen Landvogts Franz Xaver und der Maria Theresia von Stubenrauch (†20.10.1805). ⚭ 1831 Luise Schreiber, Tochter des k.k. österreichischen Oberarztes Johann Baptist Schreiber, neun Kinder, unter anderem der Künstler Moriz.
Menzinger wuchs in Vaduz auf und war ein Jugendfreund von Ludwig Grass. Zusammen mit Peter Kaiser und Franz Josef Oehri besuchte Menzinger das Gymnasium in Feldkirch (1805–08). Danach studierte er Rechtswissenschaften in Freiburg i.Br. sowie in Tübingen. In Freiburg trat er 1814 in das Korps (Studentenverbindung) Rhenania ein, in Tübingen gehörte er dem Korps Suevia an. Ab 1821 war Menzinger Oberleutnant-Auditor (Militärjurist) in der k.k. Armee in Karánsebes (heute: Rumänien). Am 22.3.1833 wurde er zum Landvogt in Vaduz ernannt, wo er nach einer Krankheit am 5.9.1833 eintraf. Während die fürstlich-liechtensteinischen Beamten in Liechtenstein in der Regel ein Exil sahen, das sie möglichst bald verlassen wollten, hatte Menzinger, der vorher nicht in liechtensteinischen Diensten gestanden hatte, im März 1833 bei Fürst Johann I. um das Amt des liechtensteinischen Landvogts angesucht.
Unter Menzinger begannen ab 1834 erste Entwässerungen der liechtensteinischen Talebene, um Acker- und Kulturland zu gewinnen. Im Gemeindegesetz 1842 wurden die Aufgaben und Rechte der Gemeinden erstmals schriftlich festgehalten. 1843 erfolgte der Erlass einer neuen Polizeiverordnung, 1844 die Aufhebung des Atzungsrechts auf privatem Boden, was die Weidewirtschaft verbesserte, und 1848 die Aufhebung des Auswanderungsverbots. Bedeutende Reformen fanden im Sozialwesen (Schaffung eines Waisenamts 1836 und eines landschaftlichen Armenfonds 1845) sowie im Schulwesen (Eröffnung der ersten Realschule 1858 und Schulgesetz 1859) statt. Der 1852 mit Österreich geschlossene Zollvertrag, für den sich Menzinger schon 1848 beim Fürsten eingesetzt hatte, war eine wesentliche Voraussetzung für die ab 1861 in Liechtenstein beginnende Industrialisierung. Die 1854–58 von der fürstlichen Hofkanzlei und Menzinger durchgeführte Reorganisation des Regierungsamts bildete die Grundlage für den Aufbau einer modernen Verwaltung. 1855 erfolgte der Umbau der ehemaligen fürstlichen Taverne «Adler» zu einem Kanzleigebäude. 1859 wurden die Grund- und Erblehenzinse für ablösbar erklärt und eine Strafrechtsreform wurde durchgeführt. Grosse Probleme gab es mit der Rheinregulierung. Durch die katastrophalen Rheineinbrüche von 1846 und 1855 geriet die ohnehin ärmliche Bevölkerung auf Jahre in noch grössere Not. 1848 gelang es, mit dem Kanton St. Gallen einen Vertrag über die Rheingrenze und die Wuhrbauten zu schliessen.
Während der europäischen Revolution 1848 kam auch in Liechtenstein eine gespannte Atmosphäre auf. Mehrere Beamte verliessen das Land, zum Teil unter Druck. Auch gegen Menzinger, der im Mai 1848 um seine Versetzung bat, wurden Drohungen laut. Mit seinem klugen und diplomatischen Verhalten trug Menzinger aber mit dazu bei, dass die Revolution in Liechtenstein unblutig verlief. Er ermunterte die Gemeinden im März 1848, Ausschüsse zu wählen, und versprach, er werde die gefassten Beschlüsse an den Fürsten weiterleiten. Menzinger nahm an den Beratungen des Rats zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung teil. Als Grundlage diente ein Entwurf von Peter Kaiser, den Menzinger als republikanisch ablehnte und dessen Autor er für einen «Demagogen» hielt. Menzinger hatte Kaisers «Geschichte des Fürstenthums Liechtenstein» sofort nach dem Erscheinen 1847 beschlagnahmen lassen. Er beauftragte seinen Freund Franz Josef Oehri damit, Kaisers Verfassungsentwurf zu kommentieren, doch zeigte er sich kompromissbereit, als der Verfassungsrat Kaisers Ideen grösstenteils übernahm. Gemeinsam mit Karl Schädler leistete Menzinger die Hauptarbeit bei der Erstellung des Verfassungsentwurfs und war zudem für die Schlussredaktion zuständig. Dem Fürsten Alois II. riet er zu weiteren Änderungen am Entwurf, aber auch zum Erlass der Verfassung. Menzinger arbeitete 1849–50 gut mit dem Landrat zusammen. Nach dem Scheitern der Revolution und der Verfassungspläne 1849 stand er den ab 1856 vom Volk erneut geäusserten Wünschen nach einer konstitutionellen Verfassung positiv gegenüber. 1859 legte Menzinger einen neuen Verfassungsentwurf vor, der hinter den Forderungen der Revolution von 1848 und den Übergangsbestimmungen von 1849 zurückblieb und in der weiteren Diskussion keine Rolle spielte.
Wegen Abrechnungsfehlern des Rentmeisters Johann Peter Rheinberger, der die Ausstände der fürstlichen Domänenkasse teils verspätet, teils gar nicht einziehen konnte, wurden Menzinger und Rheinberger zum Ersatz verurteilt und auf Gehalts- bzw. Pensionsabzug gesetzt. Am 15.3.1861 wurde Menzinger pensioniert. Er verliess im Mai 1861 Vaduz, zog zunächst nach München und übersiedelte im Mai 1864 nach Überlingen am Bodensee.
Menzinger, der letzte Landvogt und erste Landesverweser – 1848 war als Zugeständnis an die Bevölkerung das Amt umbenannt worden –, verwaltete Liechtenstein während 28 Jahren gewissenhaft und unter teilweise schwierigen Umständen. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern zeigte er Verständnis für die Anliegen des Volks. Menzinger war von seinem Werdegang her durchaus offen für liberales Gedankengut und eine konstitutionelle Verfassung, revolutionäre Ideen lehnte er jedoch ab. Dass viele der dringenden Reformen, vor allem jene der Verfassung, erst unter seinem Nachfolger Karl Haus von Hausen durchgeführt wurden, lag nicht an Menzinger, sondern an der reaktionären Entwicklung im Deutschen Bund und an Fürst Alois II., welcher der Entwicklung in Österreich nicht vorgreifen wollte.
Literatur
- Paul Vogt: Verwaltungsstruktur und Verwaltungsreformen im Fürstentum Liechtenstein in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 92 (1994), S. 132f.
- Peter Geiger: Geschichte des Fürstentums Liechtenstein 1848 bis 1866, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 70 (1970).
- Rupert Quaderer: Politische Geschichte des Fürstentums Liechtenstein von 1815 bis 1848, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 69 (1969).
- Moritz Menzinger: Die Menzinger in Liechtenstein, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 13 (1913), S. 31–53.
Zitierweise
<<Autor>>, «Menzinger, Johann Michael», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 8.2.2025.