Metallverarbeitung

Autor: Patrick Sele | Stand: 31.12.2011

Wegen des geringen Vorkommens von Eisenerz spielten die der Metallverarbeitung vorgelagerten Prozesse des Bergbaus und der Metallgewinnung (zum Beispiel Eisenverhüttung) in der liechtensteinischen Wirtschaftsgeschichte keine Rolle. Der Metallbereich in Liechtenstein beschränkt sich somit auf verarbeitende Handwerks- und Industriebetriebe, wobei im Folgenden der Maschinen- und Apparatebau mit einbezogen wird.

Neben einigen grösseren Industriebetrieben sind in Liechtenstein in der Metallverarbeitung viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) tätig. Die Beschäftigungsstatistik 2008 wies in den Bereichen «Metallerzeugung und -bearbeitung» und «Herstellung von Metallerzeugnissen» 62 Arbeitsstätten mit 1169 Arbeitsplätzen aus, im Bereich «Maschinenbau» 35 Arbeitsstätten mit 3488 Arbeitsplätzen, der Fahrzeugbau bot zusätzlich 1384 Arbeitsplätze in sieben Arbeitsstätten. Zusammen stellten diese Bereiche 2,6 % aller Arbeitsstätten und 17,7 % aller Arbeitsplätze in Liechtenstein.

Metall verarbeitendes Handwerk

Hinweise auf handwerkliche Metallverarbeitung sind im Gebiet Liechtensteins in Form archäologischer Funde seit prähistorischer Zeit bezeugt. Zu diesen vorwiegend aus Bronze und Eisen bestehenden Funden gehören Nadeln, Fibeln, Messer, Dolche, Schwerter, Gefässe, Schmuck oder Kultgegenstände wie die Gutenberger Votivstatuetten. Das um 842 entstandene churrätische Reichsgutsurbar erwähnt einen vermutlich in Mäls (oder Mels, SG) ansässigen «faber» (Schmied). Das Schmiedegewerbe war in der bäuerlichen Lebenswelt sehr wichtig; es stellte Arbeits- und Haushaltsgegenstände für den bäuerlichen Bedarf her. Im frühen 17. Jahrhundert ist im Mühleholz eine Hammerschmiede erwähnt. Als mit Wasserkraft betriebene Arbeitsstätte gehörte sie zu den Regalien und war deshalb ein Monopolbetrieb des Landesherrn. Kleinere Schmieden bestanden jedoch in den meisten Dörfern. Für gewisse Gewerbezweige der Metallverarbeitung wie das Schleifergewerbe, das Klampferergewerbe (d.h. das Flicken von Kupfer- und Blechwaren) und das Schärfen von Holzsägen brauchte es eine obrigkeitliche Konzession, welche das fürstliche Rentamt für einen bestimmten Zeitraum an den Meistbietenden versteigerte.

1848 wurden die meisten landesherrlichen Regalien aufgehoben. Auch Private konnten nun Wasserrechte erwerben und Hammerschmieden errichten. Das Schmiedegewerbe in seinen verschiedenen Ausprägungen (Hammer-, Zeug-, Huf-, Wagen- oder Kupferschmieden) blieb bis weit ins 20. Jahrhundert hinein der bedeutendste Gewerbezweig der Metallverarbeitung.

Von grosser Bedeutung für das Gewerbe der Metallverarbeitung war die in Liechtenstein in den 1860er Jahren aufkommende Textilindustrie. Die Herstellung und Reparatur von Maschinen der Textilfabriken und der Sticker eröffnete neue Erwerbsmöglichkeiten für Schlosser. Neuartige Gewerbebetriebe der Metallverarbeitung waren in dieser Zeit eine Werkstätte in Balzers, die in den 1860er Jahren Kochherde produzierte, und (spätestens ab 1872) eine mechanische Werkstätte in Vaduz. Im Zusammenhang mit der Erschliessung der liechtensteinischen Gemeinden mit Gas-, Wasser- und Elektrizitätsleitungen seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert kam um 1910 verstärkt der Beruf des Monteurs und Installateurs auf.

Mit dem wirtschaftlichen Strukturwandel im 20. Jahrhundert sank das stark im bäuerlichen Milieu verwurzelte Schmiedegewerbe zur Bedeutungslosigkeit ab. Besser behaupten konnten sich das Schlosserei-, das Spenglerei- und das Installationsgewerbe. Hierbei spielt auch die enge Verbindung dieser Gewerbezweige zum florierenden Baugewerbe eine Rolle. Ein starkes Wachstum erfuhr das von der Motorisierung profitierende Autoreparaturgewerbe. Eine Erscheinung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind vereinzelte Goldschmiede.

Metall-, Maschinen- und Apparateindustrie

1898 begann der Schweizer Fabrikant Hermann Stäubli in Vaduz in den Räumen der oben erwähnten mechanischen Werkstätte mit der Produktion von Textilmaschinenbestandteilen. 1904 wurde der Betrieb nach Landau in Böhmen verlegt. Ein zweiter Metall verarbeitender Industriebetrieb fabrizierte von 1912 bis gegen Ende des Ersten Weltkriegs in Schaan elektronische Schalter und Isolationsteile, Zündkerzen für Motoren und einen noch in der Entwicklung befindlichen «Waschapparat», der zugleich als «Badeofen» verwendet werden konnte. Die ab 1923 tätige Elektrochemie AG in Vaduz erzeugte elektronische Trockenelemente und Batterien, wurde aber bereits 1926 liquidiert. Diese frühen Industriebetriebe bewegten sich in sehr bescheidenem Rahmen: keiner hatte mehr als zehn Beschäftigte. Auch in den 1930er Jahren hatte die Metallindustrie Mühe, sich zu etablieren; einige vielversprechende Projekte scheiterten oder gingen nach kurzer Zeit wieder ein.

Der Durchbruch gelang diesem Industriezweig in den 1940er Jahren. Damals wurden Unternehmen gegründet, die bis heute in diesem Bereich führend sind, so 1941 die Hilti Aktiengesellschaft, die PAV Präzisions-Apparatebau Vaduz AG und die heutige ThyssenKrupp Presta AG sowie 1946 die Gerätebau-Anstalt Balzers (heute OC Oerlikon Balzers AG). Die 1868 als Schlosserei gegründete heutige Hovalwerk AG wurde 1942 dem eidgenössischen Fabrikgesetz unterstellt. In dieser Zeit löste die Industrie der Metallverarbeitung die Textilindustrie als bedeutendsten liechtensteinischen Industriezweig ab.

In den folgenden Jahrzehnten konnte die Metall verarbeitende Industrie ihre bedeutende Stellung ausbauen; die Zahl der Beschäftigten nahm stark zu. Deren Anteil an der Gesamtzahl der in der Industrie Beschäftigten wuchs von 2 % 1937 auf 53 % 1957, 71 % 1970 und 73 % 1990. Ab 1946 kamen als grössere Unternehmen unter anderem die Contina AG, die Perkin-Elmer Censor AG, die Ludwig Elkuch AG, die Kaiser AG und die Neutrik AG hinzu.

1957 errichtete die Gerätebau-Anstalt Balzers eine Niederlassung im benachbarten schweizerischen Trübbach. Eine verstärkte Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland durch Metall verarbeitende Industriebetriebe setzte in den 1960er Jahren ein, zunächst in das europäische Ausland, ab den 1970er Jahren auch nach Übersee.

Die Produktionspalette der liechtensteinischen Metall-, Maschinen- und Apparateindustrie zeichnet sich durch eine grosse Vielfalt aus. Dazu gehören nebst anderem Metallteile nach Mass, Maschinen und Apparate verschiedenster Art, Komponenten für die Fein-, Hoch- und Ultrahochvakuumtechnik, Behälter für die Lagerung flüssiger, fester und gasförmiger Medien, Befestigungssysteme und Nutzfahrzeuge. Dominierend sind kapital-, forschungs- und entwicklungsintensive Spezialprodukte.

Gesetzliche Regelungen

Die Polizeiordnung von 1843 enthielt Vorschriften über das Verzinnen von Kupfergeschirr. Gemäss der Gewerbeordnung von 1910 war für die Ausübung des Hufbeschlags sowie die Erstellung von Beleuchtungsanlagen und Wasserleitungen eine behördliche Konzession nötig. Diese durfte nur bei Nachweis einer geeigneten beruflichen Ausbildung erteilt werden. Die im frühen 20. Jahrhundert vom Gesetzgeber beschlossenen besonderen Antrittsvoraussetzungen für einige Gewerbezweige der Metallverarbeitung bestehen weiterhin. Namentlich werden solche nach geltendem Gewerberecht für die Gas-, Wasserleitungs- und Heizungsinstallateure sowie für die Elektroinstallateure und -monteure verlangt.

Der 1995 vollzogene Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum wirkte sich für die exportorientierte Metall-, Maschinen- und Apparateindustrie positiv aus. Als wichtigste Vorteile sind erleichterte Grenzformalitäten, gegenseitige Anerkennung von Prüfverfahren, die Liberalisierung des Arbeitsmarkts und einheitliche technische Vorschriften zu nennen.

Quellen

Literatur

  • Christoph Maria Merki: Wirtschaftswunder Liechtenstein. Die rasche Modernisierung einer kleinen Volkswirtschaft im 20. Jahrhundert, Zürich/Triesen 2007, S. 70, 74–83, 86f., 93f., 110f.
  • Anna Merz: Eschen-Malanser. Bronzezeitliche Siedlung im Fürstentum liechtenstein. Befunde - Keramik - Metallfunde, Redaktion: Hansjörg Frommelt und Ulrike Mayr, Triesen 2007, S. 105–107.
  • Matthias Gurtner: Balzers - Runda Böchel, ein Bestattungs- und Siedlungsplatz des 1. Jahrtausends v. Chr. im Alpenrheintal, Redaktion: Hansjörg Frommelt, 1. Bd. Vaduz 2004, S. 30-39.
  • Heiko Prange: Liechtenstein im Europäischen Wirtschaftsraum, Vaduz 2000 (= Liechtenstein Politische Schriften, Bd. 29), S. 104.
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  • Hanswerner Schnetzler: Beiträge zur Abklärung der Wirtschaftsstruktur des Fürstentums Liechtenstein, Winterthur 1966, S. 105f., 200–202.
  • Eugen Schafhauser: Liechtensteins Eschnerberg im Schatten von fünf Jahrtausenden. Eine Landschaftsgeschichte. Ein Heomatbuch, 1959, S. 147–149, 160–164, 173.

Zitierweise

<<Autor>>, «Metallverarbeitung», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 16.2.2025.

Medien

Schmied Albert Netzer in der von 1868 bis 1944 betriebenen Hammerschmiede der Familie Frommelt am Triesner Dorfbach, um 1928 (Kanonikus Frommelt Stiftung, Schaan, Foto: Anton Frommelt).