Nägele, Rainer

Autorin: Margrit Vogt | Stand: 26.5.2023

Literaturwissenschaftler, Professor. *2.8.1943 Triesen, † 12.5.2022 Bern, von Triesen. Sohn der Fabrikarbeiter Alwin und Irma, geb. Sele, eine Schwester. ⚭ 31.3.1971 Trina Broad (*17.5.1944), Scheidung 1985.

Nägele besuchte von 1956 bis 1964 das Gymnasium in Mörschwil (SG) und in Balzers (Lyzeum Gutenberg). Ab 1964 studierte er Germanistik in Innsbruck und Göttingen (D), ab 1967 in Santa Barbara (Kalifornien). 1971 promovierte er an der University of Santa Barbara mit einer Studie zu «Formen der Utopie bei Friedrich Hölderlin», die er 1978 in überarbeiteter Form unter dem Titel «Literatur und Utopie, Versuche zu Hölderlin» in Heidelberg veröffentlichte.

Von 1971 bis 1979 dozierte Nägele als Assistant Professor und später als Associate Professor of German an den Universitäten in Iowa City, Columbus (Ohio) und Baltimore (Maryland). Von 1979 bis 2005 hatte er eine Germanistikprofessur, von 1987 bis 1993 auch das Amt des Chairmans (geschäftsführender Studiengangdirektor) an der Johns Hopkins University in Baltimore inne. 2006 wurde er Professor für Deutsche und Vergleichende Literaturwissenschaften an der Yale University (New Haven, Connecticut), wo er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2016 lehrte. Daneben forschte, dozierte und publizierte er auch in Paris. Ausserdem war er verantwortlicher Herausgeber der literaturwissenschaftlichen und komparatistischen Zeitschriften New German Critique, The German Quarterly, Studies in 20th Century Literature, MLN (vormals Modern Language Notes) sowie Comparatio und Berater für die Herausgeberschaft des Hölderlin Jahrbuchs.

Forschungsschwerpunkte Nägeles waren die Neuere deutsche Literatur und die Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft. Er legte zahlreiche Publikationen vor, die zeitlich von der Antike bis zur Moderne reichten und formal betrachtet von der Literaturtheorie und Literaturgeschichte über die Prosa, Prosakleinformen und Essays bis zur Lyrik und Poetik, zu Dramen und zur Dramentheorie, auch zu Hörspielen und Filmen. Inhaltlich befassten sich seine Arbeiten mit Fragen der Ästhetik, der Philosophie und der Psychoanalyse oder widmeten sich dem Kulturtransfer, Übersetzungsphänomenen und der Intertextualität. Dabei konzentrierte sich Nägele unter anderem auf Werke von Pindar, Sophokles, Friedrich Hölderlin, Johann Wolfgang Goethe, Gottfried Keller, Friedrich Nietzsche, Stefan George, Rainer Maria Rilke, Charles Baudelaire, Arthur Rimbaud, Bertold Brecht, Georg Trakl, Franz Kafka, Paul Celan, Antonin Artaud, Heinrich Böll, Peter Handke, Heiner Müller, Martin Walser, Sigmund Freud, Jacques Lacan und Walter Benjamin.

1988 wurde Nägele zum Guggenheim Fellow und 1990 zum Distinguished Visiting Scholar an der Ohio State University gewählt. Es folgten Gastprofessuren an den Universitäten Aarhus (DK) und Hamburg (D). Für sein akademisches Schaffen wurde er mit der prestigeträchtigen Alfred C. und Martha Mohr Professur für Deutsche Sprache und Literatur an der Yale University ausgezeichnet.

Nägele betätigte sich auch als Schriftsteller und veröffentlichte unter anderem Aufsätze und Essays zu liechtensteinischen Themen. Von 1994 bis 2007 gab er zusammen mit Hans-Jörg Rheinberger und Norbert Haas die «Liechtensteiner Exkurse» heraus.

Werkauswahl

  • Rainer Nägele: Der andere Schauplatz. Büchner, Brecht, Artaud, Heiner Müller, Frankfurt a. M. 2013.
  • Rainer Nägele: Darstellbarkeit. Das Erscheinen des Verschwindens, Basel 2008.
  • Norbert Haas, Rainer Nägele, Hans-Jörg Rheinberger (Hg.): Virtuosität, Eggingen 2007 (= Liechtensteiner Exkurse VI).
  • Norbert Haas, Rainer Nägele, Hans-Jörg Rheinberger (Hg.): Das wilde Denken, Eggingen 2004 (= Liechtensteiner Exkurse V).
  • Rainer Nägele: Literarische Vexierbilder. Drei Versuche zu einer Figur. Essays, Eggingen 2001.
  • Norbert Haas, Rainer Nägele, Hans-Jörg Rheinberger (Hg.): Kontamination, Eggingen 2001 (= Liechtensteiner Exkurse IV).
  • Rainer Nägele: Lesarten der Moderne. Essays, Eggingen 1998.
  • Norbert Haas, Rainer Nägele, Hans-Jörg Rheinberger (Hg.): Aufmerksamkeit, Eggingen 1998 (= Liechtensteiner Exkurse III).
  • Rainer Nägele: Echoes of Translation. Reading between texts, Baltimore 1997 (deutsch: Echos: Über-setzen. Lesen zwischen Texten, Basel 2002).
  • Rainer Nägele: Fort – Da. Gibt es eine liechtensteinische Identität? In: NZZ-Folio August 1996. S. 46–52.
  • Norbert Haas, Rainer Nägele, Hans-Jörg Rheinberger (Hg.): Was wäre Natur?, Eggingen 1995 (= Liechtensteiner Exkurse II).
  • Norbert Haas, Rainer Nägele, Hans-Jörg Rheinberger (Hg.): Im Zug der Schrift, München 1994 (= Liechtensteiner Exkurse I).
  • Rainer Nägele: Theater, Theory, Speculation. Walter Benjamin and the Scenes of Modernity, Baltimore 1991.
  • Rainer Nägele (Hg.): Benjamin’s ground. New readings of Walter Benjamin, Detroit 1988.
  • Rainer Nägele: Reading after Freud. Essays on Goethe, Hölderlin, Habermas, Nietzsche, Brecht, Celan and Freud, New York 1987.
  • Rainer Nägele (Hg.): Special Issue on Walter Benjamin, 1986 (= Studies in 20th Century Literature, Vol. 11/1).
  • Nägele, Rainer: Benjamin's Ground, in: Studies in 20th Century Literature, Vol. 11/1 (1986), S. 5–20.
  • Rainer Nägele: Text, Geschichte und Subjektivität in Hölderlins Dichtung. «Uneßbarer Schrift gleich», Stuttgart 1985.
  • Rainer Nägele: Literatur und Utopie. Versuche zu Hölderlin, Heidelberg 1978.
  • Rainer Nägele, Renate Voris: Peter Handke, München 1978.
  • Rainer Nägele: Heinrich Böll. Einführung in das Werk und in die Forschung, Frankfurt a. M 1976.
  • Rainer Nägele: Friedrich Hölderlin, 1975.

Literatur

  • fort/schreiben. In memoriam Rainer Nägele, hg. von Roman Banzer, Peter Gilgen, Edith Anna Kunz und Hansjörg Quaderer, Schaan 2023 (= Jahrbuch Literaturhaus Liechtenstein, Bd. 17).
  • Rainer Nägele: Permanent Alien, in: Nach Amerika!, Bd. 2: Biographisches und persönliche Beiträge, hg. von Norbert Jansen und Pio Schurti, Vaduz/Zürich 1998, S. 274–280 .
  • Rainer Nägele: fort/da. Topobiographien, Bozen 2005.
  • Rainer Nägele: Pfabregg, in: Fabriklerleben. Industriearchäologie und Anthropologie, Publikation zur Ausstellung, hg. von Hansjörg Frommelt im Auftrag des Liechtensteinischen Landesmuseums, Redaktion: Robert Allgäuer, Hansjörg Frommelt, Hanspeter Gassner, Triesen/Zürich/Vaduz 1994, S. 175–181.

Nachruf

  • Johannes Anderegg: † Rainer Nägele, in: Liechtensteiner Vaterland, 14.6.2022, S. 12.

Normdaten

GND: 121062031

Zitierweise

<<Autor>>, «Nägele, Rainer», Stand: 26.5.2023, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 7.2.2025.

Medien

Rainer Nägele in Bern, Mai 2020 (Foto: Privatbesitz).