NSDAP Ortsgruppe Liechtenstein

Autor: Martin J. Bucher | Stand: 16.9.2024

Rund vier Monate nach dem Machtantritt Adolf Hitlers in Deutschland wurde im Juni 1933 die Ortsgruppe Liechtenstein der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) gegründet. Mitglieder konnten in Liechtenstein wohnhafte Deutsche und – bereits ab 1933 – auch Österreicher werden. Organisatorisch gehörte die Ortsgruppe Liechtenstein zur 1932 geschaffenen Landesgruppe Schweiz der NSDAP, die von Wilhelm Gustloff und nach dessen Ermordung 1936 von Sigismund von Bibra, ab 1943 von Wilhelm Stengel geleitet wurde. Diese war Teil der Auslandsorganisation der NSDAP (NSDAP/AO). Die liechtensteinische Regierung erwog ein Verbot der Ortsgruppe, beschloss aber, die Gründung zu tolerieren, um eine illegale NSDAP zu verhindern. Der Ortsgruppenleiter Georg Grünewald versicherte der Regierung, dass die Ortsgruppe die liechtensteinischen Gesetze achten und das Gastrecht nicht missbrauchen werde.

In den ersten Jahren ihres Bestehens war die Ortsgruppe nicht sehr aktiv. Sie hatte bei ihrer Gründung 15 Mitglieder und erreichte 1942 mit 39 Mitgliedern und vier Parteianwärtern ihren Höhepunkt. Die Mitglieder der Ortsgruppe gehörten überwiegend gesellschaftlich höher gestellten Kreisen an. Nach dem «Anschluss» Österreichs 1938 gewannen die Veranstaltungen der NSDAP-Ortsgruppe an Zulauf.

Die NSDAP-Ortsgruppe war ähnlich aufgebaut wie die Partei in Deutschland. Es gab einen Ortsgruppenleiter und seinen Stellvertreter, einen Kassenleiter, einen Schulungsleiter, einen Propagandaleiter und je einen Blockleiter für die fünf Blocks, in die das Land eingeteilt war. Neben der NSDAP-Ortsgruppe bestanden in Liechtenstein die folgenden Unterorganisationen: die Deutsche Kolonie (DK), die Deutsche Arbeitsfront (DAF), die Reichsdeutsche Jugend (RDJ), bis 1939 die Sportabteilung (SA), die Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Frau, die Reichsdeutschenhilfe und ein Opferring. Ziel war es, möglichst alle Deutschen in Liechtenstein in einer nationalsozialistischen Organisation zu erfassen und im Sinne des Nationalsozialismus zu beeinflussen. Dazu wurde auch Druck ausgeübt. Die Unterorganisationen hatten mehr Mitglieder als die NSDAP-Ortsgruppe selbst. Von den rund 700 erwachsenen Reichsdeutschen in Liechtenstein gehörten 1942 etwa 120 der DAF an. Die RDJ zählte zur selben Zeit knapp 70 Mitglieder, was der Hälfte der reichsdeutschen Kinder und Jugendlichen entsprach.

Feiern wie der Tag der Machtübernahme, der Geburtstag des «Führers», der Tag der nationalen Arbeit, das Erntedankfest oder die Weihnachtsfeiern waren fixe Aktivitäten im Jahreskalender der NSDAP-Ortsgruppe Liechtenstein. Sie wurden in der Regel gemeinsam mit den Mitgliedern der DAF und der RDJ im Restaurant Adler in Vaduz begangen.

Die NSDAP-Ortsgruppe hielt sich aus der liechtensteinischen Innenpolitik weitgehend heraus. Es bestanden zwar Verbindungen zu liechtensteinischen Nationalsozialisten (→ Volksdeutsche Bewegung in Liechtenstein), diese waren aber weitgehend persönlicher Natur.

Am 9. Mai 1945 verbot die liechtensteinische Regierung die NSDAP-Ortsgruppe und ihre Unterorganisationen. Im Zuge der sogenannten «Säuberung» wies sie 13 eifrige Funktionäre aus, zum Teil mit Frauen und Kindern. Unter den Ausgewiesenen befand sich auch der Ortsgruppenleiter Friedrich Bock. Unauffällig agierende Nationalsozialisten und die meisten Mitläufer der nationalsozialistischen Organisationen blieben verschont.

Quellen

Literatur

  • Martin J. Bucher: «Was wir tun, tun wir für Deutschland und unseren Führer». Die Hitler-Jugend im Fürstentum Liechtenstein, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 122 (2023), S. 185–208.
  • Peter Geiger: Kriegszeit. Liechtenstein 1939 bis 1945, Vaduz/Zürich 2010, Bd. 2, S. 503–506.
  • Hanspeter Lussy, Rodrigo López: Liechtensteinische Finanzbeziehungen zur Zeit des Nationalsozialismus, Studie im Auftrag der Unabhängigen Historikerkommission Liechtenstein Zweiter Weltkrieg, 2 Teilbände., Zürich/Vaduz 2005.
  • Peter Geiger: Krisenzeit. Liechtenstein in den Dreissigerjahren 1928–1939, Band 2, Vaduz/Zürich 1997, 22000, besonders S. 69–80.

Medien

Erntedankfeier der NSDAP Ortsgruppe Liechtenstein im Rathaussaal in Vaduz, vermutlich im Oktober 1940 (Liechtensteinisches Landesarchiv, Vaduz, N 3186).

Ortsgruppenführer der NSDAP Liechtenstein, 1933–1945

Amtszeit Name Beruf
1933–1934 Georg Grünewald Spanisch-Korrespondent, Ramco AG
1934–1935 Friedrich Bock Direktor Ramco AG
1935 Hans Karl Dörsam Geschäftsführer
1935–1936 Erich Jobst Oberstleutnant a.D.
1936–1937 Karl Vormbrock Ingenieur
1937–1939 Karl Hohmeier Buchhalter, Ramco AG
1939–1944 Friedrich Bock Direktor Ramco AG
1944–1945 Ernst Hipp (kommiss.) Bankangestellter

Zitierweise

<<Autor>>, «NSDAP Ortsgruppe Liechtenstein», Stand: 16.9.2024, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 10.2.2025.