Nahrungsmittelproduktion

Autor: Patrick Sele | Stand: 31.12.2011

Die Nahrungsmittelproduktion fand in Liechtenstein lange Zeit hauptsächlich in der Landwirtschaft statt. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf die ausserlandwirtschaftliche Nahrungsmittelproduktion ohne die Getränkeproduktion.

Gewerbe der Nahrungsmittelproduktion

Die weitgehende Selbstversorgung der überwiegend bäuerlichen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln bot der gewerblichen Nahrungsmittelproduktion lange Zeit kaum eine Existenzgrundlage. Eine Ausnahme bildet hierbei das Müllergewerbe. Die mit Wasserkraft betriebenen Mühlen waren für die Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Produkte von grosser Bedeutung. In der gewerblichen Nahrungsmittelproduktion tätig waren neben den Müllern auch die Bäcker (die aufgrund der häuslichen Eigenproduktion von Brot allerdings einen schweren Stand hatten) und die Metzger. 1701 stellte zum Beispiel ein Metzgermeister in Konstanz für Christian Büchel von Ruggell einen vom «Obherr» des dortigen Metzgerhandwerks mit dem Zunftsiegel versehenen Lehrbrief aus. Ab dem frühen 19. Jahrhundert stand im Möliholz in Vaduz eine mit Wasserkraft betriebene Ölpresse zur Verfügung, spätestens ab 1866 die erste Dreschmaschine Liechtensteins. 1872–1918 gab es im Oberland bis zu drei solcher Dreschmaschinen.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stieg der Anteil derjenigen, die sich nicht mehr selbst versorgten, was dem Gewerbe der Nahrungsmittelproduktion verbesserte Existenzgrundlagen bot. Dennoch blieben die Erweiterungsmöglichkeiten für diesen Gewerbezweig sehr beschränkt. Dies zeigt sich auch daran, dass in diesem Zeitraum die Zahl der Gewerbetreibenden in diesem Bereich bis zum Ersten Weltkrieg mehr oder weniger konstant blieb. Die immer noch dominierende bäuerliche Selbstversorgung veranschaulicht der Umstand, dass die meisten im Metzgereigewerbe Tätigen Hausmetzger waren. Als solche hatten sie keine Verkaufslokale, sondern führten im Auftrag von Bauern Hausschlachtungen durch.

Trotz dieser Situation erschienen gegen Ende des 19. Jahrhunderts die ersten Anzeichen für eine Erweiterung des Gewerbes der Nahrungsmittelproduktion: 1891–1917 gab es in Schaan einen Betrieb für die Produktion von Fettwaren, 1898 wurde in Vaduz die erste Gärtnerei Liechtensteins errichtet, und kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs versuchte sich in Schaan ein Gewerbetreibender mit der Kaffeerösterei.

Die 1930er Jahre waren von einer wirtschaftlichen Krise geprägt, unter der auch das Gewerbe der Nahrungsmittelproduktion litt. Dies führte unter anderem dazu, dass Vertreter des Bäckereigewerbes 1936 die Einführung einer Bedürfnisklausel für Bäckereien forderten. Regierung und Landtag lehnten dies wegen fehlender gesetzlicher Grundlagen ab.

Die Nachkriegszeit brachte für das Gewerbe der Nahrungsmittelproduktion einige Veränderungen mit sich: Das Bäckereigewerbe konnte sich an die neuen wirtschaftlichen Bedingungen sehr gut anpassen, indem das Warenangebot erweitert oder als Nebenbetriebe Cafés eröffnet wurden. Eine Erweiterung des Warenangebots lässt sich auch beim Metzgereigewerbe feststellen. Zu den herkömmlichen Fleisch- und Wurstwaren kamen Produkte wie Konserven, Tiefkühlgeflügel oder -fische dazu. Des Weiteren verschwand die Tätigkeit der Hausmetzger immer mehr. Der Grund hierfür war der Strukturwandel in der Landwirtschaft. Letzterer war auch dafür verantwortlich, dass die Zahl der Mühlen zurückging.

Nahrungsmittelindustrie

Ab 1924 stellte eine kleine Fabrik in Schaan mit zwei Angestellten Teigwaren her. Grössere Ausmasse nahm die 1935 gegründete Konservenfabrik Scana AG, die heutige Hilcona AG, an. Wie diese beiden Betriebe wurde auch die Fleischwaren produzierende Herbert Ospelt Anstalt in Bendern von einem Einheimischen gegründet; sie geht auf eine 1960 in Vaduz entstandene Wurstfabrik zurück. Die 1934 in Eschen gegründete und auf Bouillonprodukte spezialisierte Bouifix AG, die spätere Loma AG, stellte die Produktion in den 1970er Jahren ein. Von 1953 bis ca. 1957 betrieb die IBA Industrie-Anstalt in Schaan eine Fabrik für die Herstellung von Kakaobutter, Kakaopulver, Schokolade und Sesambutter sowie zur Verarbeitung von Sesam. Die 1948 gegründete Elastin-Werk AG in Triesen produzierte bis 1984 Hautfaserdärme für die Wurstherstellung.

Die beiden grössten und bis heute bestehenden Industriebetriebe der Nahrungsmittelproduktion, die Hilcona AG und die Herbert Ospelt Anstalt, produzierten lange Zeit hauptsächlich für den liechtensteinisch-schweizerischen Heimmarkt. Ab Ende der 1980er Jahre wuchsen die beiden Firmen durch den Kauf fremder Betriebe, die sich vorab in Deutschland und der Schweiz befanden.

Gesetzliche Bestimmungen

Die Mühlen waren aufgrund der herrschaftlichen Regalien bis ins 19. Jahrhundert Monopolbetriebe des Landesherrn, welche dieser gegen die Bezahlung eines Zinses als Erblehen verlieh. 1789 befasste sich das Oberamt mit der Einführung einer «Beckenordnung», welche Grösse, Gewicht und Mehlmischung für die verschiedenen Brotsorten vorschrieb. 1819 erreichten die liechtensteinischen Untertanen mit einem Bittgesuch, dass das Gewicht des Brots künftig nach der Feldkircher Taxskala bestimmt wurde. Die Polizeiordnung von 1843 enthielt lebensmittel- und hygienepolizeiliche Vorschriften, die das Bäckereigewerbe, das Metzgereigewerbe, den Verkauf von Gemüse, die Getränkeherstellung und das Mühlwesen betrafen. 1876 wurden die Vorschriften über das Bäckereigewerbe aufgehoben, wobei es jedoch 1912 wieder zu einer gesetzlichen Regelung dieses Bereichs kam. Demgegenüber wurden die diesbezüglichen Vorschriften zum Metzgereigewerbe 1878 republiziert und mit einigen Weiterungen versehen. Einer das ganze Gewerbe der Nahrungsmittelproduktion umfassenden Lebensmittelkontrolle diente ein 1910 zwischen der Regierung und dem Vorarlberger Landesausschuss getroffenes Übereinkommen, das die «Landes-Lebensmittel-Untersuchungsanstalt» in Bregenz mit dieser Aufgabe betraute. Der 1923 mit der Schweiz geschlossene Zollanschlussvertrag verpflichtete Liechtenstein zur Übernahme einer grossen Zahl schweizerischer bundesrechtlicher Erlasse, die unter anderem die Lebensmittelkontrolle betrafen. Die heute gültigen Gesetze und Verordnungen befassen sich mit der Lebensmittelkontrolle und der Aufrechterhaltung von qualitativen und hygienischen Standards bei der Nahrungsmittelproduktion.

Quellen

Literatur

  • Albert Schädler: Regesten zu meiner Sammlung liechtensteinischer Urkunden (1395-1859), in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 7 (1907), S. 130.
  • Eugen Schafhauser: Liechtensteins Eschnerberg im Schatten von fünf Jahrtausenden, 1959. 175f.
  • Hanswerner Schnetzler: Beiträge zur Abklärung der Wirtschaftsstruktur des Fürstentums Liechtenstein, Winterthur, 1966, hier S. 194f.
  • Alois Ospelt: Wirtschaftsgeschichte des Fürstentums Liechtenstein im 19. Jahrhundert, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 72 (1972), S. 236–242.
  • Peter Geiger: Krisenzeit, Liechtenstein in den Dreissigerjahren 1928-1939, Vaduz/Zürich 2000, Bd. 1, S. 269, 270, 271, 275.
  • Emanuel Wenaweser, Harald Wanger: «... so müssen die Industrien vermehrt werden ...». Industrie in Schaan von den Anfängen bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, Schaan 2000, S. 27–29, 41, 69–73, 83.
  • Christoph Maria Merki: Wirtschaftswunder Liechtenstein. Die rasche Modernisierung einer kleinen Volkswirtschaft im 20. Jahrhundert, Zürich/Triesen 2007, S. 83–85, 92, 97f., 110.

Zitierweise

<<Autor>>, «Nahrungsmittelproduktion», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 16.2.2025.

Medien

Hausmetzgete, Anfang 20. Jahrhundert (Liechtensteinisches Landesarchiv).
Metzgermeister Rupert Bühler (links) mit Sohn Gebhard, Mauren, erste Hälfte 1930er Jahre (Tschugmell-Fotoarchiv, Gemeindearchiv Mauren, Foto: Fridolin Tschugmell).
Gewerbebetriebe in verschiedenen Bereichen der Nahrungsmittelproduktion, 1861-1995