Naturschutz

Autor: Mario F. Broggi | Stand: 14.4.2023

Unter dem Begriff Naturschutz werden alle staatlichen, zivilgesellschaftlichen und privaten Massnahmen zur Erhaltung und Pflege der natürlichen Landschaften, Lebensräume (Ökosysteme) und Naturdenkmäler sowie der pflanzlichen (→Flora) und tierischen (→Fauna) Artenvielfalt subsumiert. Im engeren Sinne bezieht sich der Begriff auf die gesetzlichen Massnahmen. Darüberhinausgehend umfasst der Umweltschutz auch die technischen Massnahmen zum Gewässer-, Luft-, Klima- und Lärmschutz usw.

Anfänge

Erste Impulse erhielt der Naturschutz zu Beginn des 20. Jahrhunderts von der mitteleuropäischen Strömung gegen die Industrialisierung und die von ihr verursachte Bedrohung des Naturreichtums. Ziel war die Erhaltung natürlicher Zustände, vor allem der Schutz von Einzelobjekten. Diese «Zurück-zur-Natur»-Welle war auch im ländlichen Liechtenstein spürbar, was 1903 mit dem Schutz des Edelweiss und weiterer Alpenpflanzen zu ersten gesetzlichen Bestimmungen führte. 1912 setzte sich der Historische Verein für das Fürstentum Liechtenstein als erste liechtensteinische Vereinigung neben dem Heimatschutz auch den Naturschutz zum Ziel.

Das erste, damals durchaus moderne liechtensteinische Naturschutzgesetz von 1933 (Anpassungen 1966 und 1977) stellte eine lange Liste von Tier- und Pflanzenarten unter Schutz. Erhalten werden sollten auch Standorte seltener Pflanzen, «Naturgebilde» wie zum Beispiel Wasserfälle, Findlinge und geologische Einzelbildungen. Zur Unterstützung der Regierung wurde eine Naturschutzkommission geschaffen. Diese vom Ausland inspirierten Bemühungen hatten keinen Erfolg. Erst seit den 1950er Jahren fand der Naturschutz vermehrt Beachtung. Unter dem Einfluss des Liechtensteiner Alpenvereins wurde 1952 das Malbuntal zum Pflanzenschutzgebiet erklärt und zu dessen Beaufsichtigung eine Bergwacht geschaffen (seit 1991 Alpine Naturwacht). Der Schutz der Gebirgspflanzen wurde 1960 auf die Alp Sareis ausgedehnt und 1989 für den ganzen liechtensteinischen Alpenraum geregelt. Der langfristigen Erhaltung der Natur- und Kulturlandschaft im Berggebiet dient die 1968 eingeführte Berggebietssanierung.

Eine erste Naturschutzorganisation entstand 1958 mit dem Verein für Naturschutz und Landschaftspflege. Der von Landesforstmeister Eugen Bühler (1918–1996) initiierte Verein ging 1963 im Alpenverein auf. Sein grösster Erfolg war die Ausscheidung der ersten beiden Naturschutzgebiete 1961: des Flachmoors Schwabbrünnen-Äscher und des Gampriner Seeleins. Zwei weitere Unterschutzstellungen folgten noch in den 1960er Jahren.

Aufbruch der 1970er Jahre

Den stärksten Impuls für den liechtensteinischen Naturschutz brachte das durch den Europarat ausgerufene «Jahr der Natur» 1970, an dem sich Liechtenstein mit einem «Aktionskomitee zur Aktivierung des Natur- und Landschaftsschutzes» beteiligte. Im gleichen Jahr wurde die Botanisch-Zoologische Gesellschaft Liechtenstein-Sargans-Werdenberg (BZG) gegründet, die sich v.a. der naturkundlichen Forschung widmet. 1973 folgte die Liechtensteinische Gesellschaft für Umweltschutz (LGU), die sich stärker in den politischen Prozess einbringt und seit 1996 über das Verbandsbeschwerderecht verfügt.

In den 1970er Jahren wurden fünf weitere Naturschutzgebiete geschaffen, darunter das Ruggeller Riet als grösstes und bedeutendstes Reservat Liechtensteins. 1977 entstand im Auftrag der liechtensteinischen Regierung ein erstes Naturschutzgutachten, welches in einem «Inventar der geschützten und schützenswerten Naturgebiete» sechzig Objekte auflistete. Es folgten weitere Detailinventare der Gewässer (1983), der Magerwiesen (1983 und 1987), des Waldes (1988) und der Biotope (1991). Sie bildeten eine Grundlage für das umfassende Naturvorrangflächen-Inventar von 1992, welches in vier separaten Inventaren schützenswerte Biotope (1916 ha), Wälder (1460 ha) und Landschaften (1377 ha) sowie 149 Naturdenkmale auswies. In einer überarbeiteten Fassung des Jahres 2015 wurden die besonders schützenswerten Biotope auf 2480 ha ausgedehnt. Davon entfallen allerdings 1378 ha oder 56 % allein auf das alpine Grossraumbiotop Drei Schwestern-Garsälli-Zegerberg. In der Rheintalebene sind, ohne Berücksichtigung des Alpenrheins, nur knapp 6 % der Fläche mit schützenswerten Biotopen ausgestattet, wovon 38 % als Naturschutzgebiete ausgewiesen sind.

Ausbau und Modernisierung der Schutzbemühungen

Auf das Naturvorrangflächen-Inventar von 1992/2015 stützen sich bis heute die staatlichen Naturschutzbemühungen, insbesondere auch das 1996 erlassene Gesetz zum Schutz von Natur und Landschaft (abgeändert 2000, 2016 und 2019), welches das Naturschutzgesetz von 1933 ersetzte. Das neue Gesetz verpflichtete das Land, die Gemeinden und allgemein die Gesellschaft zum Natur- und Landschaftsschutz. Unterschieden wurde zwischen Naturschutz-, Landschaftsschutz- und Pflanzenschutzgebieten sowie Wildruhezonen. Ausserdem sollten auch Magerwiesen und Naturdenkmäler sowie bestimmte Pflanzen- und nicht jagdbare Tierarten geschützt werden. Die Unterschutzstellung hatte im Einzelnen durch die Regierung auf dem Verordnungsweg zu erfolgen, teils in Zusammenarbeit mit den Gemeinden. Der Schutz der Pilze war schon 1994 in einer eine Verordnung geregelt worden.

Auf Verwaltungsebene wurden die Naturschutzagenden dem 1996 geschaffenen Amt für Wald, Natur und Landschaft übertragen (seit 2013 Amt für Umwelt). Auch wurde ein Verbandsbeschwerderecht für private, von der Regierung bezeichnete Natur- und Landschaftsschutzvereinigungen eingeführt. Seit 1999 besteht zudem bei baulichen oder anderen Eingriffen in Natur und Landschaft ab einer bestimmten Projektgrösse die gesetzliche Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung.

Für den Naturschutz relevant ist auch das Umweltschutzgesetz von 2008, mit welchem Menschen, Tiere und Pflanzen sowie ihre Lebensgemeinschaften und Lebensräume gegen schädliche oder lästige Einwirkungen geschützt und die natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft erhalten werden sollen, insbesondere die biologische Vielfalt, die Bodenfruchtbarkeit sowie die Wasser- und Luftqualität (Art. 1).

2011 und 2012, nach 33 Jahren Stillstand, wurden erstmals wieder zwei Naturschutzgebiete ausgeschieden. Die insgesamt elf Naturschutzgebiete umfassen mit 176 ha Fläche etwas über ein Prozent der Landesfläche, was der hiesigen Strassenoberfläche entspricht. Günstiger ist die Situation beim Wald: Die im Jahr 2000 respektive 2007 geschaffenen neun Waldreservate und 22 Sonderwaldflächen umfassen zusammen rund 1753 ha, was knapp 26 % der liechtensteinischen Gesamtwaldfläche ausmacht. Allein das grösste Waldreservat Garsälli-Zegerberg im Saminatal erstreckt sich über 925 ha. 2013 und 2014 wurden zwei erste Landschaftsschutzgebiete zum Schutz traditioneller Kulturlandschaften im Umfang von rund 76 ha ausgewiesen. Die geschützten Flächen insgesamt beliefen sich somit 2023 auf rund 2005 ha oder 12,5 % der Landesfläche (ohne Pflanzen- und Pilzschutzgebiete).

Internationale Aspekte

Mit dem Ruggeller Riet befindet sich in Liechtenstein ein 1976 vom WWF International und der International Union for Conservation of Nature (IUCN) als Gebiet von internationaler Bedeutung anerkanntes Naturschutzgebiet, das seit 1991 auch als Ramsar-Konventions-Objekt anerkannt ist. Seit 1990 hat mit der Internationalen Alpenschutzkommission (CIPRA) auch eine internationale Naturschutzorganisation ihren Sitz in Liechtenstein.

Ausserdem wurden von Liechtenstein mehrere internationale Naturschutzabkommen unterzeichnet, als erstes 1980 das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen, 1982 das Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume, 1991 das Übereinkommen zum Schutz der Feuchtgebiete (Ramsar-Konvention), 1995 die Alpenkonvention und 1998 das Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten sowie das Übereinkommen über die biologische Vielfalt. 2022 verpflichtete sich Liechtenstein an der Biodiversitäts-Konferenz der Vereinten Nationen in Montreal, bis 2030 mindestens 30 % der Landesfläche unter Schutz zu stellen (Montreal-Abkommen).

Schutzgebiete in Liechtenstein

Landesfläche 16 047,7 ha
Naturschutzgebiete 176,0 ha
1961 Schwabbrünnen-Äscher Schaan, Eschen, Planken Flachmoor 53,8 ha
1961 Gampriner Seelein Gamprin Stillgewässer 2,3 ha
1966 Äulehäg Balzers Feuchtgebiet 2,8 ha
1969 Hälos Triesen Teichlandschaft 3,1 ha
1972 Wisanels Mauren Flachmoor 1,1 ha
1974 Bierka Mauren Flachmoor / Weiher 0,6 ha
1978 Ruggeller Riet Ruggell, Schellenberg Flachmoor 90,9 ha
1978 Schneggenäuele Ruggell Flachmoor 5,3 ha
1978 Au Ruggell Flachmoor 1,3 ha
2011 Matillaberg Triesen Hangmoor 14,3 ha
2012 Mareewiesen Vaduz Magerwiese 0,5 ha
Landschaftsschutzgebiete 76,6 ha
2013 Periol, Bofel, Neufeld, Undera Forst Triesen traditionelle Kulturlandschaft 64,4 ha
2014 Wesa-Fokswinkel Triesen Magerwiesen, Hecken 12,2 ha
Waldreservate und Sonderwaldflächen 1752,6 ha
Waldreservate 1274,0 ha
Sonderwaldflächen 478,6 ha
Pflanzenschutzgebiete 6246,7 ha
Pilzschutzgebiete 1435,4 ha

Quelle: Umweltstatistik 2020, S. 98.

Quellen

Literatur

Externe Links

Zitierweise

<<Autor>>, «Naturschutz», Stand: 14.4.2023, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 17.2.2025.

Medien

Plakat «Geschützte Pflanzen im Fürstentum Liechtenstein», im Jahr 1970 herausgegeben vom Aktionskomitee zur Aktivierung des Natur- und Landschaftsschutzes in Liechtenstein (Liechtensteinisches Landesarchiv, SgG 105).
Zum Europäischen Naturschutzjahr 1970 erschien die von Georg Malin gestaltete Briefmarkenserie «Blumen aus Liechtenstein» (Bild: Privatarchiv Fabian Frommelt). Die Marken zeigen die Feuerlilie, die Hummel-Ragwurz, den Gletscherhahnenfuss und den Fieberklee.
Das 1992 herausgegebene, über 1000 Blätter umfassende Inventar der Naturvorrangflächen in Liechtenstein entwickelte sich zu einem Leitfaden für die Umsetzung des Naturschutzes in Liechtenstein (Liechtensteinische Landesbibliothek).