
Nendeln
Autor: Jürgen Schindler | Stand: 31.12.2011
Weiler der politischen Gemeinde Eschen, Kirche auf 455 m ü.M., 1495 Einwohner (2011). Nendeln liegt auf einem Schuttkegel am Fuss des Dreischwesternmassivs, vom Dorf Eschen abgetrennt durch das mit 438 m ü.M. etwas tiefer gelegene Ried. Erste Erwähnung 1395 als Nendlen, weitere Namensformen sind Endlen (Mitte 15. Jahrhundert), Nendeln (1640). Der Name Nendeln ist vermutlich keltischen Ursprungs (nantu-ialo «Tallichtung»).
Erste Siedlungsspuren in Nendeln stammen aus der jüngeren Eisenzeit (La-Tène-Zeit, 5. Jahrhundert v.Chr. bis um Christi Geburt). Eine Grube, in der Grafittonkeramik des 2./1. Jahrhunderts v.Chr. enthalten war, gibt den Hinweis auf eine vorrömische Ansiedlung im Areal der späteren römischen Villa. Diese wurde vermutlich zu Beginn des 2. Jahrhunderts n.Chr. in der heutigen Flur «Im Feld» errichtet und um 300 n.Chr. aufgegeben. In der Nähe des römischen Gutshofs wurden 1977 Fundamentreste eines mittelalterlichen Gebäudes aus dem 13./14. Jahrhundert gefunden.
Nendeln lag an der Römerstrasse Bregenz–Mailand (im Mittelalter Reichsstrasse Lindau–Mailand), einer wichtigen Nord-Süd-Verbindung. Diese Lage hat die Siedlungsstruktur des Weilers als Strassendorf bis ins 20. Jahrhundert geprägt. Nur die Häusergruppe im «Oberstädtli» befand sich abseits am Abhang östlich der alten Reichsstrasse. An der Landstrasse bestanden zwei Wirtshäuser, die vom Rod- und Fuhrwesen profitierten. Die «untere Wirtschaft» (zum «Engel») wird erstmals um 1660 erwähnt, die «obere» (zum «Löwen») um 1720. Beim «Löwen» ist ab dem 18. Jahrhundert eine «Zuschg» nachgewiesen. 1667 legte Graf Ferdinand Karl von Hohenems in Nendeln eine Zollstation an, die nicht lange Bestand hatte. 1821–34 war Nendeln Zoll- und Weggeldstation. Seit 1836 ist der Ort durch eine Fahrstrasse mit Eschen und dem Rheinübergang in Bendern verbunden; seit 1872 verläuft die Eisenbahnlinie Feldkirch–Schaan–Buchs durch Nendeln (mit Bahnhof). 1700 zählte Nendeln 14 Häuser (von 82 in der Gemeinde Eschen), 1809 bei der Anlage des Grundbuchs 31 (von 147). Einwohnerzahlen wurden bis in die 1990er Jahre nicht separat erhoben. Ab den 1960er Jahren setzte ein rasantes Wachstum des Weilers ein. Das private Wohneigentum wurde durch die Gemeinde Eschen mit dem 1966 erlassenen «Reglement über die Veräusserung der Oberschaffletteile» (Waldteile) gezielt gefördert; zusätzlich zu den so entstandenen 147 Bauplätzen verkaufte die Gemeinde 1970 im Kolmad Bauplätze an Bürger ohne eigenen Baugrund. Weitere Baulandumlegungen erfolgten in den 1970er Jahren.
Die Nendler Bevölkerung betrieb bis ins 20. Jahrhundert hauptsächlich Ackerbau und Viehzucht. Ende des 19. Jahrhunderts legte Lehrer Franz Josef Müssner (1870–1929) in Nendeln mehrere Baumschulen an. Anlässlich der liechtensteinischen Landesausstellung 1895 erhielt der Ort Nendeln für seine Obsterzeugnisse ein Diplom mit Medaille und 4 Gulden als Preisgeld.
Begünstigt durch die Hanglage, siedelten sich in Nendeln früh Betriebe an, die die Wasserkraft der Bäche nutzten. Im 17. Jahrhundert bestand eine herrschaftliche Säge, die 1699 als abgegangen bezeichnet wird. 1785 erhielt Ferdinand Marxer die Bewilligung zur Errichtung einer neuen Säge. 1824 erfolgte der Anbau einer Ölmühle. An gleicher Stelle erbaute Franz Schenk 1869 eine Säge und eine Mühle, die bis 1917 betrieben wurden. Die herrschaftliche Ziegelei wird Mitte des 18. Jahrhunderts erstmals erwähnt. Der Lehm wurde im nahen «Ziegelmad» gewonnen (Areal um den heutigen Bahnhof), das Brennholz stammte aus dem nahe gelegenen herrschaftlichen Wald (Pierschwald). Der Betrieb kam 1870 in private Hände und wurde 1914 stillgelegt. Als erster grösserer Gewerbebetrieb Liechtensteins gilt die 1836 gegenüber der herrschaftlichen Ziegelei gegründete Hafnerwerkstätte von Albert Philipp Schädler. Das Gebäude besteht noch heute als Teil der Keramik Werkstatt Schaedler AG. Im 19. Jahrhundert wurde in Nendeln eine Torfmühle betrieben, die 1893 abbrannte. Eine 1908 von Josef Büchel aus Altenstadt (Vorarlberg) projektierte Erzgiesserei in Nendeln wurde nicht realisiert. Der «Löwen»-Wirt Johann Nägele (1874–1965) betrieb 1924–30 eine Ausrüsterei, in der für die Firma Bachert & Co. in Trübbach (SG) bunt bestickte Tüchlein gebügelt und auf Karton gespannt wurden. 1964–83 führte der Amerikaner Hans-Peter Kraus ein Zeitschriftenantiquariat und einen Nachdruckverlag für wissenschaftliche Publikationen (Firma Kraus-Thomson Organization Ltd.). Deren Gebäude wurden von der Hilti Aktiengesellschaft übernommen, die dort 2005–07 ein modernes Logistikzentrum erbaute. Neben den zwei Gasthöfen zum «Engel» und zum «Löwen» eröffneten im 20. Jahrhundert weitere Gasthäuser: 1959 das «Café Meier», 1971 das Hotel/Restaurant «Landhaus» und 1985 «Schächle’s Weinstube» (mit Hotelbetrieb).
Eine Schule wird in Nendeln erstmals 1809 erwähnt. Sie befand sich in der Stube eines Privathauses. Das Ende der 1840er Jahre erstellte «Schuelhüsli» am Bach verfügte nur über ein Schulzimmer. 1870–71 erbaute die Gemeinde unterhalb des Gasthauses «Engel» ein neues Schulgebäude. Die derzeitige Schule mit Mehrzweckhalle wurde 1974–75 am Waldrand errichtet und 1994–95 erweitert. Die alte Volksschule beherbergt seit 1986 Vereinsräume. Durch ein Legat von Anna Schädler-Beck konnte 1953 im Saal des Gasthauses «Löwen» ein erster Kindergarten eröffnet werden (1972–75 in einem Pavillon, seit 1975 im Schulhaus). Ein zweiter Kindergarten wurde 1986 im Vereinshaus eröffnet. Seit 2003 ist Nendeln Standort der Kunstschule Liechtenstein.
In Nendeln entstanden ab dem späten 19. Jahrhundert eigene Dorfvereine: 1891 der Männerchor, 1914 der Radbund «Gemütlichkeit», in den 1930er Jahren eine Pfadfinderabteilung.
1639 liessen der Nendler Wolf Senti und seine Frau Maria Öhri zur Abwendung von Pest und Krieg die Kapelle St. Sebastian und St. Rochus errichten. 1694 gründeten die Nendler eine Gebetsbruderschaft des Heiligen Sebastian. Der «Brudertag» am Montag nach dem 20. Januar wird als dörflicher Feiertag begangen. Am 10.11.1935 erfolgte die Weihe der neu erbauten Kapelle St. Sebastian und St. Rochus. Die alte Kapelle wurde 1941 für eine Strassenverbreiterung abgebrochen. Nendeln ist eine Kuratskaplanei der Pfarrei Eschen. Nach der Errichtung der Kaplaneipfründe 1864 hatte der jeweilige Kaplan in Nendeln einmal pro Woche eine Messe zu lesen und den Religionsunterricht zu halten. Seit 1963 wohnt der Kaplan in Nendeln.
Quellen
- Liechtensteinisches Urkundenbuch, Teil I: Von den Anfängen bis zum Tod Bischof Hartmanns von Werdenberg-Sargans-Vaduz 1416, 6 Bände, bearb. von Franz Perret, Benedikt Bilgeri, Georg Malin und Otto P. Clavadetscher, Vaduz 1948–1996 (LUB I/1–6).
- Liechtensteinisches Urkundenbuch, Teil II: Die Herrschaftszeit der Freiherren von Brandis, 1416–1510, bearb. von Claudius Gurt (LUB II digital).
Literatur
- Hans Stricker, Toni Banzer, Herbert Hilbe: Liechtensteiner Namenbuch, Teil I: Die Orts- und Flurnamen des Fürstentums Liechtenstein, Bd. 3, Vaduz 1999, S. 244f.
- Georg Meier: Cantate Domino. 125 Jahre Gesangverein Kirchenchor Eschen, Redaktion: Robert Allgäuer, Bd. 1, Vaduz 1996.
- Publikation der Gemeinde Eschen zu Umbau und Renovation der Primarschule Nendeln, 1995.
- 100 Jahre Männerchor Nendeln, Hg. Männerchor Nendeln, Nendeln 1991.
- Georg Malin et al.: Römerzeitlicher Gutshof Nendeln: Bericht zu den Ausgrabungen Im Feld in Nendeln, Gemeinde Eschen, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 75 (1975), S. 1–187.
- Eugen Schafhauser: Liechtensteins Eschnerberg im Schatten von fünf Jahrtausenden. Eine Landschaftsgeschichte – ein Heimatbuch, hg. zur Erinnerung an die 250-Jahrfeier der Herrschaft Schellenberg 1699–1949, St. Gallen 1959, 2., verbesserte Auflage 1964.
Medien
Externe Links
- Geodatenportal, Liechtensteinische Landesverwaltung, Amt für Tiefbau und Geoinformation
- Liechtensteiner Namenbuch online
Zitierweise
<<Autor>>, «Nendeln», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 16.2.2025.